Es ist ein paar Jahre her, als der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie(BDI), Hans-Olaf Henkel, sich enttäuscht von der AfD abwendete, weil diese Partei sich seiner Meinung nach zu sehr radikalisiert habe. Und Henkel, der mal für die AfD im Europa-Parlament saß und einer der Vize-Sprecher der Partei war, fügte ergänzend in einer Art Mea-Culpa-Erklärung hinzu: „Wir haben ein Monster geschaffen.“ Henkel stufte die AfD als „NPD light“ ein. Der einstige Industrielle und Manager hat die AfD, die auch mal als Professoren-Partei genannt wurde mit einem Professor Lucke als Vorsitzenden, längst verlassen. Sie ist an den rechten Rand gerückt oder sogar rechts draußen. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zu Münster lässt keine Zweifel aufkommen: Die AfD ist als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft, der Verfassungsschutz darf die AfD beobachten, darf nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Die Bundesrepublik erweist sich als wehrhafte Demokratie gegen die Feinde, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung untergraben wollen. Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenzwang sieht seine Behörde hierbei als „wichtiges Frühwarnsystem“.
Die AfD spielt gern die Unschuld vom Lande, die verfolgt werde von den Altparteien. Das ist sie beileibe nicht. Ihr Auftreten als Märtyrer mag ihren Anhägern gefallen, vor Gericht hat dieses Theater nicht verfangen. Die Partei steht so rechts, dass neben ihr nur noch eine Wand ist, um mal ein altes CSU-Zitat aus einem anderen Zusammenhang zu gebrauchen. Ihr dubioser Volksbegriff, ihre völkischen Vorstellungen haben die Richter zu einem klaren Urteil gebracht. Entscheidend ist also nicht ein zuvor gereinigtes Parteiprogramm, entscheidend ist vielmehr die Sprache ihrer führenden Mitglieder. Wenn einer wie Gauland den Holocaust nur als Fliegenschiss bewertet haben will, wenn einer wie Höcke das Mahnmal am Brandenburger Tor in Berlin ein „Denkmal der Schande“ bezeichnet, dann sagt das im Grunde alles aus über die wahren Ideen dieser in weiten Teilen rechtsextremistischen Partei.
Das Urteil ist auch ein Hinweis für die Wählerinnen und Wähler: Wer AfD wählt, bahnt Extremisten den Weg an die Macht. Ja, was denn sonst?! Bürgerinnen und Bürger können sich nicht mehr herausreden, wenn sie dieser AfD die Stimme geben, dann sei das nur ein Denkzettel an die Adresse der anderen Parteien. Nein, wer eine solche Partei wählt, muss sich auch gefallen lassen, dass man ihn mit den kruden Vorstellungen von AfD-Führern auf eine Linie setzt. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat die AfD eine „Nazi-Partei“ genannt. Recht hat er. Seine CDU-Anhänger wissen damit Bescheid. Wüst hat eine Brandmauer gezogen. In Thüringen wartet man auf entsprechende Klärungsversuche durch die CDU. Dort liegt die AfD in allen Umfragen an der Spitze.
Die Würde des Menschen
Dabei sollte inhaltlich klar sein: Wer Deportations-Vorstellungen für Deutsche mit Migrationshintergrund entwickelt, kann sich dabei nicht auf das Grundgesetz berufen. Dort steht in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Punkt. Des Menschen, nicht nur des Deutschen, sondern aller in Deutschland lebenden Bewohnerinnen und Bewohner. In einem anderen Artikel des Grundgesetzes-Artikel 3- ist zu lesen: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. “ Oder nehmen wir Artikel 5. Abs. 2, GG: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“ Das heißt aber nicht, dass man andere Menschen beleidigen darf. Die AfD-Führung bestreitet die Radikalisierung ihrer Partei und leugnet, dass Scharfmacher, Pöbler, Extremisten und Hetzer auf Parteitagen und in sozialen Medien den Ton bestimmen und sie geht gegen diese Leute auch nicht entschieden vor, weil diese radikale Sprache an der Basis gut ankommt.
Man darf davon ausgehen, dass das Urteil von Münster die reinen AfD-Anhänger nicht beeindrucken wird. Sie werden weiter schwadronieren, dass sie das Opfer einer Kampagne von denen da oben seien. Und die da oben sind dann eben die Parteien CDU, CSU, SPD, die FDP, die Grünen und die Linke. Und zu denen da oben zählen dann auch die Medien mit den Journalistinnen und Journalisten von Funk, Fernsehen und den Verlagen, die Richter und Staatsanwälte. Und natürlich das Oberverwaltungsgericht in Münster. Und sollte eines Tages das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gegen die AfD fällen, werden die AfD-Vertreter auch diese Instanz verächtlich machen. Letzteres tun sie ohnehin gern, wenn sie sich zu staatlichen Institutionen äußern. Sie erwecken den Eindruck bei ihren Sympathisanten: Alle sind gegen uns, alle hören auf ein Kommando, wer immer das erteilen mag. Dass das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, kann sich jeder fast täglich im Fernsehen anhören und anschauen und in den Zeitungen nachlesen. Dort findet der demokratische Streit über die Politik statt. Ein Streit, der sein muss, der Teil der Meinungs- und Pressefreiheit ist über den richtigen Weg zu einer Lösung. Und der am Ende in einen Kompromiss mündet.
Debatte über ein Verbot
Natürlich ist in den Augen von Weidel, Höcke und Co auch der Verfassungsschutz Teil der Verschwörung gegen die AfD. Und so werden sie es auch halten, wenn der Präsident des Amtes, Haldenzwang, Ernst macht, was er schon angekündigt hat: Dass nämlich bald eine Entscheidung seiner Behörde darüber fallen werde, ob man die AfD nicht nur als Verdachtsfall einstuft, sondern auch als „gesichert rechtsextremistisch“, was ja längst zutrifft für einige Landesverbände der AfD. Auch die Debatte über ein Verbot wird nach dem Richterspruch aus Münster zunehmen. All das wird den harten Kern der Ultra-Rechts- Wählerinnen und -Wähler kaum interessieren. Aber Wechselwählerinnen und Wechsel-Wähler könnten ins Grübeln kommen, ob man Rechtsextremisten die Stimme gibt oder eher auf Distanz zu ihnen geht.
Man kann sich ärgern über die Politik der Ampel-Regierung, über Scholz, Habeck, Lindner, man muss Söder nicht mögen oder Merz, man muss die CDU und die CSU nicht wählen, oder die Linke, die SPD oder die FDP, es gibt wahrlich Alternativen zu jeder Partei. Eines ist aber nach dem Urteil von Münster klar geworden: Für Demokraten ist die AfD eben keine Alternative, sondern eine Partei, die zwar demokratisch gewählt worden ist, aber eben keine demokratische Partei ist.
Wir feiern in Kürze den 75.Geburtstag des Grundgesetzes, das Fundament unseres Staates, errichtet auf den Ruinen des von Nazis entfachten 2. Weltkrieges, in dem es geschätzt 55 Millionen Tote gab. Nie wieder hatten unsere Mütter und Väter gerufen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Lehren aus der menschenverachtenden Nazi-Diktatur gezogen und diese Verfassung nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitet und damals auch betont, dass diese Demokratie wehrhaft sein müsse. Es dürfe keine Toleranz gegenüber der Intoleranz geben, gemeint gegenüber den Feinden, die unser parlamentarisch-demokratisches System zerstören wollen. Millionen Menschen sind in den letzten Monaten für dieses System, dieses Grundgesetz, diese Demokratie auf die Straße gegangen. Fröhlich, gewaltfrei und entschlossen haben sie eines gefordert: Nie wieder ist jetzt! Vergessen wir das nicht. Die Demokratie ist kein Selbstläufer, sie ist gefährdet und muss ihren Feinden die Stirn bieten.
Bravo! Ich bin begeistert von dieser Einordnung. Ich frage mich seit längerem, warum die AfD diesen Kurs fährt. Neben der in die Mitte gerückten Merkel-CDU gäbe es doch genügend Platz für eine konservative Partei. Das nicht sein zu wollen, lässt nur einen Schluss zu: der völkische Flügel hat die Partei im Griff, die Alibi Demokraten Weidel und Chrupalla sind längst Marionetten von Höcke, von Storch und anderen Rechtsaußen.