Das Beispiel könnte Schule machen: Das Land Nordrhein-Westfalen hat Plänen des landeseigenen Casino-Betreibers Westspiel zugestimmt, zwei millionenschwere Gemälde von Andy Warhol im November bei Christie’s in New York versteigern zu lassen. Mit dem Erlös, der Schätzungen zufolge bei rund 100 Millionen Euro liegen dürfte, will Westspiel sein marodes Casino in Aachen sanieren sowie ein neues Haus in Köln bauen. Die Kunstszene in NRW läuft bereits seit Wochen Sturm gegen diesen „Ausverkauf“. Die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf indes erklärt sich für nicht zuständig und hält sich vornehm zurück. Dabei könnte auch sie durchaus vom Verkauf der Kunstwerke „Triple Elvis“ (1963) und „Four Marlon“ (1966) profitieren. Denn Westspiel, eine Tochter der NRW-Bank, bekäme maximal 80 Millionen aus dem Erlös der Versteigerung, der Rest würde wohl im Landeshaushalt landen.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die seit vier Jahren an der Spitze des hochverschuldeten Landes steht, und ihr Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der bisher vor allem als Ankäufer von Steuer-CDs von sich Reden gemacht hat, dürften sich wohl insgeheim bereits die Hände reiben. Weshalb sich beide in der momentanen Diskussion auch eher bedeckt halten und lediglich darauf verweisen, dass Westspiel als „rechtlich selbstständiges, bilanzierendes und wirtschaftlich agierendes Unternehmen“ Investitionen auch „aus eigener Kraft oder vorhandenen Vermögenswerten“ bestreiten müsse. Da ist die Landeschefin also fein raus, und Schulden wäre sie auch los. Warum also nicht ein bisschen Kunst opfern? Schließlich hat Westspiel ja auch bereits vor einiger Zeit darauf verwiesen, dass in Aachen andernfalls immerhin 100 Arbeitsplätze in Gefahr seien. Und überhaupt fließen die Gewinne der Casinos im Land ja auch in gemeinnützige Projekte. Wer will da schon gegen den Verkauf sein?! Zumal die beiden Warhol-Werke, die Westspiel in den 1970er Jahren für knapp 1,5 Millionen (damals noch) Mark erstanden hat, heute ein Vielfaches wert sind. Da lockt der Reibach.
So einfach aber ist das nicht. Denn auch in finanziell schwierigen Zeiten ist es nicht statthaft, lediglich eine Fürsorgepflicht des Landes gegenüber seinen Bürgern gegen die andere aufzurechnen. Wer das tut, denkt zu kurz.
Das sagen freilich auch die Direktoren der Kunstmuseen in NRW. Mehrfach haben sie, zuletzt in einem offenen Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, bereits gegen die Pläne von Westspiel protestiert. Sie werfen dem Land vor, dem „Ausverkauf“ von Kunst und Kultur Tür und Tor zu öffnen, und warnen davor, dass künftig auch Museumsbesitz nicht mehr sicher sei. Denn, siehe oben, dieses Beispiel aus NRW könnte durchaus Schule machen. So ist tatsächlich nicht auszuschließen, dass so mancher Kämmerer und Finanzminister demnächst häufiger mal in den Depots anzutreffen sein wird. Und dabei spielt es keine Rolle, welcher Partei dieser angehört. Denn wenn jetzt auch die CDU-Opposition in Düsseldorf lautstark gegen die Versteigerung der Warhol-Bilder protestiert, im Verwaltungsrat der NRW-Bank, die den Plänen von Westspiel ausdrücklich zugestimmt hat, sitzen nicht ausschließlich SPD- und Grünen-Politiker.
So ist das nu mal in der Schuldenzeit. Wer kein Geld da ist müssen gewisse Dinge zu Geld gemacht werden. Gemälder von Andy Warhol sind jetzt wohl auc kein so großer Verlust für NRW. Was soll das Geschrei?