Jetzt beginnen also die Gespräche zwischen der CDU, der CSU und der SPD über eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit in der laufenden Legislaturperiode. Allen vorlauten Ratgebern aus dem Unionslager sei gesagt, es handelt sich um Gespräche, noch lange nicht um Verhandlungen. Es macht auch keinen Sinn, dies oder das im Vorfeld auszuschließen. Keine der Parteien hat die absolute Mehrheit im Bundestag, auch die Kanzlerin braucht die Hilfe anderer Partner, in diesem Fall der SPD, da ihre Sondierungen mit der FDP und den Grünen, eine so genannte Jamaika-Koalition zu bilden, krachend gescheitert waren. So darf man das nach all dem öffentlich zur Schau gestellten Theater auf der Berliner Bühne nennen.
Angela Merkel meinte, darauf hinweisen zu müssen, es gebe Schnittmengen zwischen Union und SPD. Derartige Allgemeinplätze hätte sich die Kanzlerin und CDU-Chefin sparen können. Dass es die gibt, weiß jeder. Es wäre ja auch schlimm, wenn es zwischen den einstigen, aber längst geschwächten Volksparteien keine inhaltlichen Verbindungen gebe. Schließlich haben sie miteinander zwischen 2005 und 2009 regiert und tun es geschäftsführend weiter, bis eine neue Regierung gebildet ist. Die Kanzlerin hat, so der Anschein, den Ernst der Lage nicht verinnerlicht. Auch sie gehört zur Verliererin der letzten Bundestagswahl, bei der ihre CDU gerade mal etwas über 26 Prozent der Stimmen bekommen hat. Nicht nur die CSU und die SPD haben schwere Einbußen zu beklagen. Und, Frau Merkel, die Gründe für diese herben Verluste haben auch etwas mit Ihrer Art des Regierens zu tun und mit Ihrer Politik des Ungefähren.
Merkel braucht die SPD
Die CDU-Chefin wird weder der bayerischen Schwesterpartei und schon gar nicht der SPD etwas vorschreiben können. Merkel braucht die CSU und die SPD, um weiter im Kanzleramt regieren zu können. Man wird also auf Augenhöhe miteinander reden müssen, sonst geht das Unternehmen schief. Die SPD hat nach dem Desaster am 24. September erklärt, sie gehe in die Opposition. Niemand sollte dies als Verweigerung kommentieren, Verantwortung zu übernehmen. Angesichts der bösen Verluste verhielten sich SPD-Kanzlerkandidat und der übrige Parteivorstand demütig. Irgendwelche Ansprüche hätten auch einen bitteren Beigeschmack gehabt, sie wären lächerlich gewesen. Töne dieser Art hat man von Merkel bisher nicht vernommen, als hätte sie den Schuss nicht gehört. Ja, sie trat sogar so auf, als hätte sie die Wahl gewonnen. Davon, Frau Merkel, kann nun wirklich nicht die Rede sein.
Die SPD wird bei den Gesprächen mit der Union immer auch die Sorge im Kopf haben, die Existenz der ältesten deutschen Partei- und das sind nun mal die Sozialdemokraten- nicht durch eine Beteiligung an einer großen Koalition unter der Kanzlerin Merkel zu gefährden. Man konnte diese Sorgen auf dem vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Parteitag der SPD mehrfach von Delegierten hören. Ein wichtiges Anliegen, auch im Interesse einer stabilen Bundesrepublik. Eine starke SPD ist für die Balance des Staates von großer Bedeutung-übrigens genauso wie eine starke Union.
Kein Weiter-So
Inhaltliche Fragen wie die Zukunft der Rente spielen eine große Rolle. Auch die Sicherung der Arbeitsplätze, man vergesse die aktuelle Entwicklung bei Siemens nicht mit all den Konsequenzen in Görlitz und anderswo. Die Pflege alter Menschen ist ein drängendes Problem, die Kinderarmut in Deutschland ein Armutszeugnis des Kapitalismus, die innere Sicherheit erfordert neue Antworten. Wie kann, wie muss die Agenda 2010 ergänzt oder umgebaut werden? Die Spaltung der Gesellschaft in wenige Reiche und Super-Reiche und zu viele Arme darf nicht länger verdrängt werden. Armut im Alter in diesem reichen Land lässt einen den Kopf schütteln, Schulen, die wie Elendsquartiere aussehen, darüber muss man sich empören, mit Jobs, die Menschen überleben lassen, aber mehr nicht, verschönern wir die Arbeitsmarkt-Statistik. Das Flüchtlings-Thema hat sich nicht dadurch erledigt, dass die Chefin im Kanzleramt die Parole ausgegeben hatte: Wir schaffen das. Aber sie sagte nicht: Wie? Die europäische Entwicklung gibt Anlass zur Sorge. Was wird aus Polen, Ungarn, Tschechien? Wir dürfen Italien nicht länger mit dem Problem allein lassen und Griechenland auch nicht. Es gibt zu viele nationalistische Tendenzen überall auf der Welt wie die Trumps und Erdogans.
Brauchen wir nicht ein Kern-Europa, das funktioniert?
Mit einer Politik des Ungefähren wird es nicht weiter gehen können. Ein Weiter-So, Frau Merkel, verbietet sich. Und dann wird man sehen, was am Ende herauskommt, wie der Altkanzler Helmut Kohl zu sagen pflegte. Einen Automatismus Richtung GroKo wird es nicht geben, auch wenn das der CDU-Chefin und ihrer Freunde nicht gefällt. Und wenn es nicht anders geht, wird es Neuwahlen geben. Daran geht die Republik auch nicht zu Grunde.
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