Was war das nun, was Wladimyr Putin am 9.Mai zum 77. Gedenken an das Ende des 2.Weltkrieges in Europa auf dem Roten Platz in Moskau zu bieten hatte? Die von manchen Beobachtern erwartete Teil- oder gar Generalmobilmachung jedenfalls kam in seiner Rede nicht vor. Wie auch hätte er eine solche Kriegserklärung begründen können, wo doch seine vermutlich mittlerweile mehrere tausend einberufenen und gefallenen Söhne seines Landes nur zu einer militärischen Übung in die Ukraine geschickt wurden, um dort ein paar Nazis festzunehmen und die Ukrainer von der faschistischen politischen Führung ihres Landes zu befreien. Wer da in Russland glaubte, sein Land stünde etwa im Krieg gegen das Bruderland Ukraine und es wagte, diese durchaus nahe liegende Vermutung öffentlich und hörbar auch „Krieg“ zu nennen, wurde verhaftet oder floh außer Landes, um nicht über den Begriff Kriegspropaganda elf Jahre im Gefängnis nachdenken zu müssen.
Dagegen war es geradezu angenehm, Olaf Scholz zuzuhören, der aus gleichem Anlass am 8. Mai über das Ende des 2.Weltkrieges und die Befreiung Deutschlands vom nationalsozialistischen Hitlerterror sprach und keinen Zweifel ließ, dass Deutschland an der Seite der Ukraine steht. Und auch denen Dank zu sagen, die den Ukraine-Flüchtlingen dabei behilflich sind, auf unbestimmte Zeit hier zu leben, oder vielleicht vergeblich auf Rückkehr nach Hause zu hoffen. Auch der Streit entlang der Waffenhilfe für die Ukraine, der manchen dazu bringt, wohlfeil zu glauben, dass es möglich wäre, ohne Waffen Putin davon abzuhalten, mit Bomben und Raketen Städte und Dörfer dem Erdboden gleich zu machen, und Kriegsverbrechen mit Lügenpropaganda zu verschleiern. Wer die bombardierten Wohnviertel sieht, die den Menschen in Russland im Fernsehen nicht gezeigt werden, weiß, dass nach den Bomben die Massengräber folgen.
Das Schweigen Putins über seine Pläne trägt weit. Auch Demokratien und ihre Wertvorstellungen sind nicht frei von Despoten. Wer nach Polen oder Ungarn oder zur Türkei blickt, sieht, wie schnell das gehen kann. Das hatte sich nicht zuletzt am 6. Januar 2021 gezeigt, als die USA nur sehr, sehr knapp dem Sturz in den Despotismus entgingen. Und die, die diesen Sturz herbeiführen wollten, arbeiteten kräftig daran, das nächste Mal vor und nach Wahlen mit den Trumps dieser Welt erfolgreicher zu sein.
Die Despotien dieser Welt hat auch Putin vor Augen, wenn er nach China oder Nordkorea blickt, und er hat schnell gelernt. Wer das anders sieht, darf in Lagern nachdenken und das Leben dort irgendwann ganz beenden. Schon dieser Krieg, der die Ukraine menschenleer räumen soll, hat in den sechs Wochen bisheriger Dauer mit viel schwarzem Rauch zum Klimawandel beigetragen. Weder das Klima, noch wachsender Hunger auf der Südseite des Planeten lassen nicht viel Zeit, diesen und anderen Herausforderungen endlich zu begegnen