Die CSU galt mal als die Partei, die das weißblaue Bayern erfunden hat. Und deshalb war sie die Staatspartei, die bei jeder Wahl im Freistaat Ergebnisse erzielte von rund 50 Prozent plus x. Das ist nun vorbei, seit dieser Landtagswahl ist die CSU zu einer normalen Partei geworden, reduziert auf Normalgröße. Und der einstige Konkurrent von der anderen Seite, der früheren linken Seite, die SPD wurde halbiert, sie findet sich bei einem Wert von unter zehn Prozent ein. Volkspartei? Von wegen. Die SPD ist in der Größenordnung einer Sekte gelandet. Man muss das in der Härte sagen. Die Grünen sehen sich als die eigentlichen Sieger, aber ob sie ihren Traum verwirklichen können, Regierungsverantwortung zu übernehmen, erscheint mir mehr als fraglich. Ministerpräsident Markus Söder zieht eindeutig eine bürgerliche Koalition vor, also eine Allianz aus CSU mit den Freien Wählern und wenn es nötig ist und möglich mit der FDP.
Als die CSU die Demut entdeckte
Ja, das war eine völlig andere CSU, die sich da nach dem Schließen der Wahllokale und im Bewußtsein der Prognose-Daten zeigte. Man spielte nicht mehr mit den Muskeln, kein Mia-san-mir, sondern plötzlich hörte man von Söder Worte wie Demut. Der bayerische Regierungschef erkannte die Verluste an, nannte sie schmerzhaft, man werde nach den Ursachen suchen. Und wenn die Union in Umfragen gerade noch auf 26 Prozent komme, bedeute das natürlich auch den entsprechenden Absturz der sieggewohnten CSU. Und dann redete er mehrfach vom Regierungsauftrag, den die CSU erhalten habe. Ja, Herr Söder, hatten Sie denn mit noch mehr Verlusten gerechnet, etwa einem Ergebnis mit einer 2 vorn? Regierungsauftrag sagte er fast erleichtert und sein Parteichef Horst Seehofer hörte sich ähnlich an. Regierungsauftrag aus dem Mund von CSU-Politikern, die es gewohnt waren, über Jahrzehnte alleine zu regieren. Jetzt brauchen sie Partner und müssen Macht abgeben. Das Wahlergebnis wird sich auf viele Bereiche auswirken, CSU-Leute verlieren ihre Ministerposten, ihre Mandate als Abgeordnete, ihre Freunde büßen Ämter in der Regierung ein und in den Behörden wird es bunter werden, weil die Schwarzen nicht mehr das alleinige Sagen haben. Das wird Folgen haben für das ganze Land.
Kohnen hielt eine Grabrede
Kleinlaut wirkte die SPD. Ihre Spitzenkandidatin Natascha Kohnen war um ihre Rolle am Wahlabend nicht zu beneiden. Es gab nichts schönzureden, das Desaster war ein Desaster und nichts anderes. Sie stand da, als hielte sie eine Grabrede. Ein einstelliges Ergebnis. Gut, die SPD in Bayern war nie eine erfolgsverwohnte Truppe, aber sie war immer die zweitstärkste Partei und ist jetzt auf Platz 5 abgerutscht. Was sagt eigentlich einer wie Hans-Jochen Vogel dazu, der war mal Oberbürgermeister von München und kandidierte auch vergeblich gegen die CSU-Übermacht. Oder Renate Schmidt, die kam vor Jahrzehnten auf 30 Prozent der Stimmen. Unter zehn Prozent, das ist das schwächste Ergebnis der SPD in Bayern nach dem Krieg. Schlimmer gehts nimmer.
Es mag ja sein, dass die Regierungspolitik in Berlin, dass die so genannte Performance der Großen Koalition in der Hauptstadt die Stimmung im ganzen Land verdorben hat. Es kann schon sein, dass der Streit zwischen der Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer auch die SPD Stimmen gekostet hat. Sie sitzt schließlich mit in der Regierung. Aber die SPD hat auch den Fehler gemacht, dass sie in der Causa Maaßen-gemeint der Mann vom Verfassungsschutz- dem Seehofer gefolgt ist. Warum hat Frau Nahles denn für die Beförderung zum Staatssekretär gestimmt und erst nach dem Aufschrei der Öffentlichkeit dagegen? Es war viel von Vertrauensverlust die Rede, bei der SPD, bei der CSU und der CDU, die ja durch Merkel auch zunächst für den Staatssekretär gestimmt hatte. Da muss sich niemand fragen, warum die Leute dann abwinken und die in Berlin für völlig abgehoben halten, für Politiker, die die Stimmung beim Volk nicht mehr kennen. Da ist manches falsch gemacht worden.
Versagen der GroKo im Diesel-Streit
Oder nehmen wir das Thema Diesel. Da hat man nach Monaten einen Kompromiss zustande gebracht, der an den Interessen von Millionen Verbrauchern völlig vorbei geht. Ja, so ist das. Die Automobilindustrie hat vor Jahren die Welt betrogen, jawohl betrogen ist das bessere Wort und trifft es mehr als schummeln. Die Verbraucher wurden getäuscht, die Umwelt verschmutzt. Und jetzt droht man mir Fahrverboten, gerade so, als wenn der Autofahrer der Schuldige wäre. Und der Verbraucher soll sich gefälligst ein neues Auto kaufen, als wenn der die Euros in der Zehntausender Größe so herumliegen hätte. Ja, merkt das denn keiner, dass eine solche Politik völlig daneben liegt, dass der kleine Mann sich veräppelt vorkommt? Der Vorwurf richtet sich auch gegen die Kanzlerin, gegen den Wirtschaftsminister, die Umweltministerin, die Parteien der Großen Koalition in Berlin. VW hat in den USA Milliarden bezahlt und in Deutschland soll der Verbraucher die Zeche zahlen?
Die Gesellschaft hat sich verändert und die CSU hat es nicht gemerkt. Ihre Vorsprecher glaubten weiter mit großem Mund und noch größerer Geste die Wählerinnen und Wähler damit beeindrucken zu können, dass die CSU doch die Partei sei, die allein verantwortlich sei für die Erfolge in Bayern, den wirtschaftlichen Fortschritt, die Tradition, die Berge, den blauen Himmel und so weiter und so weiter. Das zieht nicht mehr. Und wenn der Ministerpräsident mit einem Kreuzerlass glaubte, seine Schäfchen im Freistaat besonders beglücken zu können, hat er übersehen, dass er damit wenn überhaupt nur die wenigen ganz Frommen anspricht. Andere haben sich längst abgewendet, weil sie den CSU-Regenten ihre christlichen Werte nicht mehr abnehmen. Denn wo ist die Nachstenliebe geblieben im Zusammenleben mit den Flüchtlingen? Das Lebensgefühl der meisten Bayern hat Söder nicht erwischt und der Seehofer sowieso nicht. Und der glaubt sogar, an seinem Stuhl kleben zu können. Kaum vorstellbar nach diesem Wahl-Absturz.
Grüne würden gern regieren
Die Grünen sehen sich als die Sieger der Wahl. Richtig ist, sie haben ein tolles Ergebnis erzielt, sind zweitstärkste Partei im Landtag. Aber wenn sie Pech haben, bleiben sie auf der Oppositionsbank, dann ist es erstmal vorbei mit dem Traum, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Und darauf haben sie doch ihre ganze Arbeit gesetzt im Wahlkampf, den sie mit Leidenschaft geführt haben, mit Leichtigkeit und nicht mehr mit der früheren Verbissenheit und Verbohrtheit, den Leuten vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben hätten. Nein, das haben sie sich abgewöhnt, an der Spitze Katharina Schulze, die immer lächelnde Spitzenkandidatin der Grünen, die die Wählerinnen und Wählerin eingefangen hat mit ihrem Charme. Jedenfalls machte der neben ihr stehende Markus Söder ihr am Wahlabend vor den Fernsehkameras keine Avancen, sondern plädierte eindeutig für ein bürgerliche Koalition mit den Freien Wählern. Und deren Vorsitzender Aiwanger schlug sofort ein mit den Worten: „Dann packn wirs.“
Die Rechtspopulisten von der AfD haben es auch in Bayern in den Landtag geschafft. Mag sein, dass ihr so mancher Spruch von der CSU dabei geholfen hat, mag sein, dass Sprache und Tonfall der Söders und Seehofers eher den Eindruck vermittelten, als wollten sie die AfD noch rechts überholen. Dass so war schiefgeht, weiß man, weil die Leute dann lieber das Original wählen als den, der den anderen kopiert. Aber man darf auch mal die Frage stellen, warum so viele Menschen auch in Bayern diese AfD wählen, in deren Mitte auch Rassisten sitzen, Fremdenfeinde, rückwärtsgewandte Zeitgenossen, Anti-Europäer? Aus Wut auf die CSU, die SPD, die FDP oder warum? Ich weiß, dass diese Vorwürfe gegen die AfD immer wieder bestritten werden. Nicht zu bestreiten sind aber Aussagen wie diese des AfD-Landtagskandidaten Andreas Winhart, der sich in einem Social-Media-Video sorgte, von Flüchtlingen mit Tuberkulose oder Krätze angesteckt zu werden. Wörtlich sagte er: „Ich möchte wissen, wenn mich in der Nachbarschaft ein Neger anküsst oder anhustet, dann muss ich wissen, ist er krank oder ist er nicht krank.“
Eines ist auch nach dem Auszählen der Stimmen nicht zu leugnen: Bayern geht es wirtschaftlich blendend. Und das wird zumindest vorerst so bleiben. Aber das rechnen viele Bayern der regierenden CSU nicht mehr als ihr alleiniges Verdienst an, sondern eher ihrem eigenen Können und Fleiß. Mia san mir. So geht es auch.
Bildquelle: Wikipedia, gemeinfrei