Die Herausforderungen, die von der Bundesregierung und den Fraktionen der Großen Koalition zu meistern wären, sind gewaltig: Die langfristige Sicherung der Altersvorsorge, der engagierte Kampf gegen den Terrorismus, die Integration vieler Flüchtlinge, die Energiewende, die Stabilisierung der EU und des Euro-Systems und vieles mehr.
Die wirtschaftliche Entwicklung ist nach wie vor aufwärtsgerichtet, das Wachstum mit etwa 1,5 % jedoch keineswegs besonders kräftig. Der private Konsum ist der stärkste Konjunkturmotor; beachtliche Lohnsteigerungen und die Rentenerhöhung, Mini- bzw. Nullzinsen für Sparguthaben sowie gesunkene Preise für Öl und Sprit vergrößern den Spielraum für den privaten Verbrauch. Weniger positiv sieht es beim Export und bei den Investitionen aus. Die Unternehmen vermissen manche klare Weichenstellungen – etwa bei der Erbschaftsteuer, bei der Forschungs- und Innovationsförderung sowie bei der Energie- und Umweltpolitik. Trotz der niedrigen Kreditzinsen herrscht vor allem bei mittelständischen Firmen ein gewisser Investitionsattentismus. Ihnen fehlen die klaren Signale und der eindeutige Kurs der Politik.
Schwindsucht bei den Volksparteien
Das tägliche Hin und Her, die Querschüsse in der Großen Koalition, die Querelen in den Regierungsparteien und die quälenden Prozeduren bei wichtigen Entscheidungen erscheinen vielen Bürgern wie ein dauerhaftes politisches Affentheater. Nicht wenige wenden sich mit Grausen ab – vor allem von der SPD und CDU, die als einstige große Volksparteien immer weniger beim Volk punkten. Wen wundert’s, dass 60, 70 oder gar 80 % der Menschen im Lande weder der Union noch der SPD die Lösung wichtiger Probleme noch zutrauen. Bei der Sonntagsfrage landen die Sozialdemokraten gerade noch bei rund 20 %. Die Union bewegt sich zwar noch um die 30 %-Marke – allerdings ebenfalls mit sinkender Tendenz, obwohl Angela Merkel sich als Kanzlerin immer noch hoher Popularität erfreut.
Üble Demontage des Spitzenpersonals
Die CSU übt sich derweil an der permanenten Demontage der Regierungschefin in Berlin. Seehofer, Söder und Dobrindt attackieren ihre Schwesterpartei mal mit offenem Visier, mal mit bayerischer Hinterfotzigkeit. Während die CDU-Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, in einem Interview in einer Sonntagszeitung betont, dass niemand – auch nicht Angela Merkel – unersetzlich sei, setzt Verkehrsminister Dobrindt noch darauf, dass auch die CSU die nächste Bundestagswahl gewinnen wolle – mit Angela Merkel. Noch heftiger tobt die Diskussion in der SPD. Da gibt es einen Zwergenaufstand eines Vereins aus Hessen Süd gegen Sigmar Gabriel, da versetzen Phantasie-Spekulationen des FOCUS-Mannes Markwort über Gabriels Ablösung die Partei in helle Aufregung. Natürlich sind die demoskopischen Befunde für die Partei und ihren Vorsitzenden fast katastrophal, doch sind diese Ergebnisse vor allem auf die Demonteure aus den eigenen Reihen zurückzuführen. Mit Martin Schulz, Andrea Nahles oder Frank-Walter Steinmeier könnten die Sozialdemokraten wohl kaum mehr Wähler als mit Gabriel gewinnen.
Gefährliche Ausfransung an den Rändern
Für die Union und die SPD kommt es jetzt mehr denn je darauf an, zum einen die Debatten um die Personen und die internen Attacken schnellstens zu beenden, zum anderen die wirklich brennenden politischen Themen aufzugreifen und zu lösen und schließlich mit fundierten, verständlichen Aussagen programmatische Perspektiven für unser Land und seine Menschen das Volk zu begeistern. Innere Geschlossenheit statt ständige Kakophonie ist das Wichtigste, um das Publikum wieder zu begeistern.
Wenn dies nicht gelingen sollte, droht eine weitere Auszehrung der Volksparteien, die seit der Gründung der Bundesrepublik ein hohes Maß an politischer Stabilität garantiert haben. Die Ausfransung an den Rändern kann nicht mit einer Dämonisierung und Polemik gestoppt werden. Auf dem Feld des verbalen Populismus zeigt sich etwa die AfD bereits recht erfolgreich. Was indessen viel mehr zählt, das sind überzeugende Argumente und Fakten. Denn – so die biblische Weisheit – nicht an ihren Worten, sondern an ihren Früchten und Taten sollt ihr sie erkennen! Noch liegen die Union und SPD nach Punkten vorne. Bis zu den nächsten Wahlen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen sowie im Bund im Herbst 2017 dürfen sie nichts mehr leichtfertig verspielen. Sonst droht ein böses Erwachen.
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