Das politische Engagement der Jugend wird rigoroser. Die Klimaschutzbewegung zeigt, dass sich die jungen Leute nicht mehr mit Sonntagsreden und Halbherzigkeiten abspeisen lassen. Wo es um ihre Zukunft geht, streiten sie hartnäckig für eine verantwortungsvollere Politik und finden aktuell bemerkenswerten Rückhalt in der Rechtssprechung.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das von der Bundesregierung ehrgeizigere Maßnahmen zum Klimaschutz einfordert, hat ein Gericht in Den Haag den niederländischen Ölmulti Shell zu verschärften CO2-Einsparungen verdonnert und damit das Signal gesendet, dass auch Wirtschaftsunternehmen nicht rücksichtslos schalten und walten dürfen.
Deren Haltung, sich über politische Appelle und wissenschaftliche Erkenntnisse hinwegzusetzen, um unbekümmert Profite auf Kosten kommender Generationen machen zu können, hat einen wichtigen Dämpfer erhalten. Viel zu oft sind Gesetzesvorhaben – aktuell trauriges Beispiel das Lieferkettengesetz – noch im Gesetzgebungsverfahren derart weichgespült worden, dass sie ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen. Oder aber, Grenzwerte für den Schadstoffausstoß wurden betrügerisch dreist umgangen.
Die Liste von Beispielen, die Zweifel am Primat der Politik, ihrer Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den internationalen Konzernen wecken und die Auswüchse des Raubtierkapitalismus veranschaulichen, ist lang. Auf der anderen Seite der Medaille stehen aber auch Politiker, die sich nicht als Volks-, sondern als Interessenvertreter verstehen. „Wir kündigen einer Politik, die sich an Profit statt am Gemeinwohl orientiert“, sagt daher der Jugendrat der „Generationen Stiftung“.
Wenn die Politik sich den Schneid abkaufen lässt, können die notwendigen Weichenstellungen zu einer enkeltauglichen Zukunft nicht gelingen. Das ist die Analyse der Stiftung, die den „ausufernden Lobbyismus“ anprangert. Mit einer Plakataktion und einer Demonstration vor dem Wirtschaftsministerium in Berlin hat der Jugendrat der Stiftung gegen bezahlte Politik protestiert und die „Top Ten der schlimmsten Lobbyist*innen Deutschlands“ beim Namen genannt.
Neben der amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen auch die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) auf der Liste. Außerdem die Bundesminister Peter Altmaier, Jens Spahn, Andreas Scheuer und Julia Klöckner (alle CDU/CSU) sowie der Baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und die Bundestagsabgeordneten Gero Hocker (FDP) und Jan-Marco Luczak (CDU). „Diese Top 10“, so der Kommentar des Jugendrats dazu, „stehen stellvertretend für alle Politiker*innen, die uns über Jahrzehnte Knüppel zwischen die Beine geworfen und zugunsten der Industrie unsere Zukunft gefährdet haben.“
Zu jedem Einzelnen rufen die Plakate skandalöse Fehlentscheidungen in Erinnerung, die oftmals mit Parteispenden verquickt sind. Das wirft auch ein Schlaglicht auf den jüngst gescheiterten Versuch der Großen Koalition, die Parteispenden strenger zu regeln, doch das hier nur am Rande. Die plakativen Vorwürfe lauten zum Beispiel: „Alle 11 Minuten verliebt sich ein Politiker in einen Lobbyisten“, „Reich ist geil!“, „Sponsored by BMW“, „Kumpel des Kapitals“ oder „Lobbyrepublik Deutschland“.
Bei Julia Klöckner geht es um die Schweinehaltung und Glyphosat; bei Olaf Scholz um die Verjährung von Steuernachforderungen an die Warburg Bank; bei Gero Hocker um Zigarettenwerbung, Spritz- und Düngemittel; bei Jan-Marco Luczak um den Mietendeckel; bei Winfried Kretschmann um Verkaufsprämien für Verbrennungsmotoren und Werbespots für Mercedes-Benz; bei Andreas Scheuer um SUV auf den Autobahnen; bei Peter Altmaier um ein in der Schublade versenktes Braunkohle-Gutachten; bei Angela Merkel um die EU-Abgasverordnung; bei Jens Spahn um für 9999 Euro buchbare Abendessen; und zu dem CDU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten von NRW steht auf dem Plakat: „Für nur 147.000 Euro Parteispenden kaufte sich der Billigfleischproduzent Tönnies Armin Laschet“.
Die genannten Politiker „begehen mit ihren Lobbygeschäften Verbrechen an unserer Zukunft“, kritisiert der Jugendrat. Jugendratsmitglied Paula Albrecht (18) wörtlich: „Immer wieder müssen wir erleben, wie sie große politische Entscheidungen zugunsten der Konzerne und Lobbyverbände fällen. Für unsere Generation sind diese Politiker*innen untragbar, denn sie orientieren sich an Profit statt am Gemeinwohl. Deswegen kündigen wir ihnen hier und heute! Wir kündigen jeder Form von käuflichem Lobbyismus und fordern, dass Politiker*innen wieder Volksvertreter*innen werden.“
Schon im März habe der Jugendrat der Generationen Stiftung wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung des Lobbyismus gefordert und eine Petition gegen bezahlte Politik gestartet, erinnert Bruno Ewers (21):„Über 70.000 Menschen haben unsere Petition unterzeichnet. Doch auf politischer Seite hat sich nichts getan. Weder gab es personelle Konsequenzen noch eine Nachbesserung des unzureichenden Lobbyregisters.“ Trotz handfester Lobbyskandale machten Politiker wie Jens Spahn „einfach weiter, als wäre nichts gewesen“, sagt Ewers. „Das gipfelt nun darin, dass wir mit Armin Laschet und Olaf Scholz zwei höchst vorbelastete Kanzlerkandidaten haben. Das muss sich ändern und deswegen werden wir jetzt laut.“
Bildquelle: flickr, Generationen Stiftung