Die PIS-Regierung hat gerade verkündet, Polen wolle aufrüsten, um einer Bedrohung durch Russland entgegnen zu können. Dies wäre im Konzert mit anderen europäischen Staaten und der Nato sicher wünschenswert und gerechtfertigt. Gilt dies auch für die geplante Verdoppelung des Wehretats und der Personalstärke der Streitkräfte Polens? Daran sind erhebliche Zweifel erlaubt. Die Dimension der vorgesehenen Rüstungskäufe ist gigantisch:zusätzlich zum bisherigen Bestand mehr als 300 Kampfpanzer von den USA und 1000 von Südkorea. Zum Vergleich: die Bundesrepublik verfügt über gut 300 Leopard 2 Panzer. Nicht weniger ambitioniert sind die Pläne bei der Luftwaffe und Marine. Polen will die mit Abstand stärkste Militärmacht Europas werden.
Diese Nachrichten hätten wohl zunächst bei den europäischen Nachbarn nur ungläubiges Staunen und Kopfschütteln ausgelöst. Schließlich ist ja nicht unbekannt, dass Polen in wesentlichem Umfang auf die Subventionen der EU und Investitionen aus den großen Staaten in diesem Raum angewiesen ist; allen voran Deutschland. Aber die gleichzeitig von regierungsnahen Medien und auch Regierungsmitgliedern postulierten politischen Absichten lassen aufhorchen und tiefgehende Befürchtungen aufkommen: Polen strebe mit der Rückenstärkung durch militärische Macht die Rolle eines Gegenpols zu Deutschland und Frankreich in Europa an. Die Mitte Europas solle nach Osten verlegt und ein neues Machtzentrum entstehen. Was noch nicht laut gesagt aber hinter vorgehaltener Hand als Ziel formuliert wird, ist die geopolitische Einbeziehung der „siegreichen“ Ukraine. Hier winkt der Rückgriff auf alte polnische Träume: die Entwicklung eines großpolnischen Machtbereichs analog zur Situation in der Zeit vor den Teilungen im 18. Jahrhundert. Kaczynski, der eigentliche Machthaber in der polnischen Regierung, bekennt sich ganz offen zu den Zielen und Vorgehensweisen seines großen Vorbildes Jozef Pilsudski aus der unmittelbaren Zeit der staatlichen Neugründung Polens nach dem ersten Weltkrieg. Hierzulande wird die entsprechende Berichterstattung in den polnischen Medien und das Schüren eines primitiven Deutschlandhasses nicht ernst genommen. Was sich in der politischen Welt Polens derzeit und gut möglich auch nach den nächsten Parlamentswahlen abspielt, verdient höchste Aufmerksamkeit. Ein Blick in Übersetzungen polnischer Leitmedien, die im Internet zugänglich sind, lohnt sich.
Auschwitz und die schrecklichen Verwüstungen durch Deutschland in Polen während des zweiten Weltkriegs können und sollen nicht vergessen werden. Dazu gibt es übergreifend einen völligen Konsens. Aber darauf beschränkt sich die jetzige polnische Regierung nicht: Sie macht daraus ein dauerhaftes Feindbild und nutzt sie als politisches Kampfinstrument. So kann und darf gute Nachbarschaft nicht aussehen.