An sich keine schlechte Idee, in das politische Berlin, dem es an überraschenden Einfällen, gar Lösungen mangelt, „Denkräume“ zu setzen, in denen gegen den Strich, also quer gedacht werden kann. Der Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel hatte Anfang Dezember zum zweiten Mal in „Denkräume“ gebeten, um auch über „Sharing Economy“ nachzudenken. Seine Form des Berliner Salons ist in der Eingangshalle des Ministeriums zu finden, deren Treppen mit Sitzkissen bestückt zum Mithören und -diskutieren einladen.
Als Redner eingeladen war der Blogger Sascha Lobo, der klug, verständlich und ohne Manuskript über die schöne Illusion der „Sharing Economy“, der Tauschwirtschaft, nachdachte. Schade, dass der Parteivorsitzende und sechste sozialdemokratische Wirtschaftsminister, viral geschwächt, sich alsbald hustend davon machen musste. (Auch von dieser Stelle: Gute Besserung). Wie gern hätten die Zuhörer im Salon ein genaueres Bild davon bekommen, ob der Wirtschaftsminister die Sorgen des Impulsgebers Sasha Lobo teilen könnte. Für den ist „Sharing Economy“ ein Euphemismus. Tatsächlich sei der Sachverhalt mit dem Begriff „Plattformkapitalimus“ weniger verschleiernd und beschönigend beschrieben und zeige auf, was da im weltweiten Netz auf die Arbeitswelt zurollt.
Als Beispiel dafür, was auf Politik und Wirtschaft zukommt, nannte Lobo den Online-Vermittlungsdienst Uber, der Fahr- und Chauffeursdienste anbietet, auch von privaten Fahrern. Ein Service, der erheblich unterhalb der Fahrtkosten des Taxi-Gewerbes liegt. Die von Uber angeheuerten privaten Fahrer umgehen die Anforderungen des Personenförderungsgesetzes, das unter anderem Versicherungskosten für die Taxi-Kunden und andere kostenintensive Auflagen enthält. Damit wäre das Taxi-Gewerbe einem Wettbewerb ausgesetzt, der sein Ende bedeuten könnte. Gegen Ubers Service wurde ein vorläufiges Verbot durch das Landgericht Frankfurt ausgesprochen. Uber ging in die Revision.
Die Plattform, die diesen Service anbietet, hat ein Betriebssystem, das faktisch kostenfrei arbeitet und dem Anbieter Millionen Euro in die Kasse spült. Gabriel ließ sich von diesem Beispiel nicht überzeugen. Nach dem Motto, dafür sei Politik schließlich da, Lösungen anzubieten. Er bekam allerdings nicht mehr mit, dass ausgerechnet Google in den USA viel Geld in die Forschung des fahrerlosen Autos investiert, das mit einem ausgeklügelten elektronisch gesteuerten Sensor-System schon einige Millionen Kilometer ohne Fahrer und unfallfrei hinter sich hat. Wer über diese Software verfügt und sie anbietet, bestimmt künftig auch das Einkommen der Automobilbauer. Die deutschen Hersteller wissen genau, wie viel Elektronik das moderne Auto schon jetzt unter der Haube hat, der Kraftfahrzeugmechatroniker weiss das auch. Und das gilt ja wohl auch für das fahrerlose Auto.
Die Suchmaschine „Google“ erwirtschaftete allein im zweiten Quartal 2014 knapp 16 Milliarden Dollar weltweit. Der jährliche Gewinn liegt bei vier bis fünf Milliarden Euro. Plattformkapitalismus kommt ohne Menschen aus, dafür allerdings sorgt er dafür, dass ganze Berufszweige verdorren und verloren gehen werden. Eine Fahrt mit einem Privatfahrer bei Uber kann so preiswert angeboten werden, dass der Taxifahrer schnell Vergangenheit wird. Nicht mehr Arbeit, gar „der Hände Arbeit“, führt zu Wohlstand wie das Beipiel zeigt, sondern eine Welt von Plattformen, in der jeder private Hilfsdienst nur noch gegen Cash zu haben sein wird, wie die Tauschgeschäfte im Netz schon jetzt zeigen.
Dem wird mit einem noch so ausgeklügelten Regelwerk auf dem Arbeitsmarkt nicht beizukommen sein. Im Gegenteil, wer immer weniger verdient, wie die gegenwärtige Lage zeigt, wird jedes preiswerte Angebot im Dienstleistungsbereich gern annehmen. Politik, das zeigt sich ja bereits jetzt, da ganz Rudel von Anwälten und Anwaltskanzleien unterwegs sind, um internationalen Konzernen Wege aufzuzeigen, wie sie steuerfrei ihre Gewinne abschöpfen oder Steuern höchstens im Promillebereich zahlen müssen. Und wenn erst die gleichen Anwaltskohorten nach Verabschiedung des Handelsabkommens zwischen den USA und Europa erfolgreich bestimmen, ob ein neues Gesetz oder wichtige Umweltstandards erwartete Gewinne geschmälert haben könnten, spätestens dann haben wir einen Beitrag geleistet, um auch demokratische Entscheidungen nicht mehr durchsetzen zu können. Auch da scheint Politik ja derzeit eher hilflos zu agieren.