Man muss kein Freund von Horst Seehofer sein, um dem bayerischen Ministerpräsidenten eine gute Gesundheit zu wünschen. Der heutige CSU-Chef hatte 2002 schon mal eine Herzmuskelentzündung erlitten und diese nicht auskuriert, kurz, Seehofer schwebte damals in Lebensgefahr. Wochenlang hatte er jede Öffentlichkeit gemieden und als ich ihn am Rande des CSU-Parteitages in Nürnberg fragte, wie es ihm ginge, antwortete er: „Jetzt wieder gut.“ Aber seit dem Ereignis nimmt der frühere Bundesminister der Gesundheit und heutige Regierungschef des Freistaats jedes Schwächeanzeichen der Körpers ernst. Und so kam es, dass Horst Seehofer, wie Angela Merkel, Hans-Dietrich Genscher und Thomas Gottschalk auch dieses Jahr Gast der Festspiel-Premiere im fränkischen Bayreuth, am letzten Samstag der Premiere beiwohnte und sich gegen Ende der Aufführung in dem offensichtlich sehr heißen Saal nicht wohl fühlte. Anstelle eines Empfangs ließ er sich vorsichtshalber per Notarzt ins Bayreuther Klinikum chauffieren. Wie gesagt, reine Vorsichtsmaßnahme, der Mann hat die Warnung aus 2002 verinnerlicht. Am Montag drauf war der Ministerpräsident wieder im Dienst, wie immer, topfit.
So weit, so gut und nicht weiter aufregend. Wer hatte nicht schon mal einen kleinen Schwächeanfall. Aber dann wird es pikant, wie man der „Süddeutschen Zeitung“ im München-Bayern-Teil, Donnerstag-Ausgabe, entnehmen kann. Denn in dem angesehenen bayerischen Blatt wird ein Zusammenhang zwischen Berichten in der „Bild-Zeitung“ über „Schwächeanfall-Seehofer mit Notarzt in Klinik“, am Tag drauf „Zusammenbruch, Notarzt, Terminabsagen-Wie krank ist Seehofer wirklich?“ und der Tatsache hergestellt, dass der Finanzminister im Kabinett von Seehofer, Markus Söder, sich vor Wochen einen neuen Pressechef zugelegt hat und dieser Mann war bis vor kurzem Vize-Chef der Bildzeitung. Name: Michael Backhaus, der früher auch für die Agentur Reuters tätig war, dann im Bonner Büro des „Stern“ gearbeitet hat und Chefredakteur der „Passauer Neuen Presse“ war. „Vielleicht erhofft man sich“, so argwöhnt die SZ-Autorin Daniela Kuhr über die Motive der Journalisten, Seehofer jetzt frühzeitig abzuschreiben, „von einem potentiellen Nachfolger wie dem redseligen Söder auch mehr exklusive Informationen.“
Wagner bis zum Umfallen
Der Finanzminister, dessen Ehrgeiz auf die Nachfolge von Seehofer ebenso bekannt ist wie die Abneigung des Amtsinhabers, den Franken Söder auf seinen Stuhl in der bayerischen Staatskanzlei zu hieven, könne die „Berichte über die angebliche Erkrankung seines Chefs ganz entspannt zur Kenntnis nehmen“, heißt es in dem Artikel weiter, „Schaden werden sie ihm jedenfalls nicht. Und wenn Seehofer seinen geplanten Rückzug zeitlich ein bisschen vorziehen müsste, käme das Söder nur recht.“ Passend dazu die Unterzeile zu dem feinen Stück: „Bild lässt keine Gelegenheit aus, Seehofer als schwachen Mann darzustellen.“
„Wagner bis zum Umfallen“, lautet die doppeldeutige Bildzeile unter ein Foto des Ehepaares Horst und Karin Seehofer in der gleichen Zeitung, das vor der Premiere von Tristan und Isolde aufgenommen worden ist. Söder muss sich warm anziehen. Horst Seehofer hat ihn schon früher mal der „Schmutzeleien“ geziehen, der Ministerpräsident versteht sich mindestens ebenso gut auf das Geschäft im Umgang mit der Macht und den Medien. 66 Jahre alt ist er, die Landtagswahl in Bayern findet 2018 statt, ein Jahr nach der Bundestagswahl. 2017 will er den CSU-Vorsitz abgeben. Kaum zu glauben, dass er dabei an den Markus Söder denkt, auch wenn der nun den Franz-Josef Strauß als Vorbild für sich entdeckt. Söder hat vorgeschlagen, Strauß, „der bedeutendste Bayer nach dem Krieg, in die Walhalla, den Ruhmestempel für besondere Deutsche in der Nähe von Regensburg, aufzunehmen. Strauß-Freunde gedenken ihres großen Vorsitzenden in den nächsten Monaten, der 1988 nach einem Jagdausflug starb. Er wäre in diesem Herbst 100 Jahre alt geworden. Und: Seehofer hat, trotz aller Kritik an seiner Amtsführung und manchen seiner Auftritte, vieles erreicht in seinem Leben. Jetzt will er nur noch die Nachfolge regeln. Ilse Aigner ist dabei. Und wer weiß, welchen Trumpf der Alte noch im Ärmel hat.
Flüchtlinge und der Umgang mit der Not
Es vergeht kein Tag, an dem nicht über die Not der Flüchtlinge in Deutschland berichtet wird. Ja, berichtet werden muss. Das Problem ist da und wir müssen uns ihm stellen. In erster Linie geht es darum, den Menschen, die zu uns kommen, zu helfen. Das ist gebotene Solidarität, die man schmerzlich in Europa vermisst, weil nicht alle Länder der EU bereit sind, ein paar Tausend freiwillig aufzunehmen. Human ist das nicht. Und jene Politiker, die sich hier gegen Flüchtlinge aufspielen, sollten sich schämen und das Gerede von der europäischen Wertegemeinschaft sein lassen. Es ist pure Heuchelei.
Als wenn das Boot voll wäre! Gerade erzählten Zeitzeugen im Fernsehen über ihre Vertreibungsgeschichte, wie sie damals gegen Ende des 2. Weltkriegs oder kurz danach aus Schlesien, Pommern oder Ostpreußen oder dem Sudetenland vertrieben wurden, in ein zerstörtes Land. Viele Städte lagen in Trümmern. Und doch kamen sie irgendwo unter, wurden sie irgendwo privat oder staatlich untergebracht, die Begeisterung der Einheimischen im Westen hielt sich vielfach in Grenzen. Auch weil viele nichts hatten. Aber es gelang, mehr als 12 Millionen Vertriebene aufzunehmen. Es war für alle Beteiligten kein Zuckerschlecken. Aber wie sagte noch ein Zeitzeuge, wie er sich gefühlt habe: „Sicher, wir waren in Sicherheit.“
Jägers Vorschlag könnte helfen
NRW-Innenminister Ralf Jäger hat einen nicht ganz neuen, aber sehr bedenkenswerten Vorschlag gemacht: Wir sollten in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge zu uns kommen, Büros einrichten, in denen die Betroffenen einen Asylantrag stellen können. Mit einer solchen Strategie könnte man den Schleppern das Handwerk legen und den Flüchtlingen viel Geld und die oft gefährlichen und weiten Wege übers Meer oder die Berge ersparen. Vielleicht wird daraus ein Vorstoß des Landes NRW für den Bundesrat, der über Parteigrenzen hinweg Zustimmung finden müsste. Er könnte allen Beteiligten helfen.
450 000 Flüchtlinge werden allein in diesem Jahr in Deutschland erwartet. Da hat der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, schon Recht, wenn er von einer Völkerwanderung spricht, mit der sich ganz Europa beschäftigen muss. Sie kommen hierher, weil sie Schutz suchen, weil in ihrer Heimat ein Bürgerkrieg tobt, weil sie verfolgt werden, weil sie um das Leben ihrer Kinder und Frauen und ihr eigenes sich sorgen. Schützen wir sie, mit Hilfe notfalls auch der Polizei. Die Rechtsradikalen müssen merken, dass Brandanschläge gegen Menschen Anschläge sind, kriminell sind, feige obendrein. Die Bürger müssen sich ihnen entgegenstellen.
Dazu gehört auch der umsichtige Umgang mit der Sprache. Flucht ist kein Spaziergang, das ist keine Party, oft mit großen Strapazen verbunden. Und wenn der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, den Eindruck erweckt, wie kürzlich im Nachtmagazin geschehen, die Balkan-Flüchtlinge steuerten Deutschland an, um die Sozialleistungen von 143 Euro im Monat zu kassieren, um davon dann wieder in den Balkan-Ländern zu leben, dann ist das ziemlich daneben. Der bayerische Flüchtlingsrat hat Schmidts Einlassungen als „brandgefährlich“ kritisiert. Das ist genau das, worauf die Ausländerfeinde warten.