Wenige Wochen vor dem türkischen Verfassungsreferendum scheint das komplette Kabinett von Ministerpräsident Binali Yildirim die Reiselust zu packen. Die geballte ministerielle Mission in Europa ist nichts als dreiste Werbung für Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein Streben nach uneingeschränkter Macht.
Das Perfide an der Inszenierung: Wer ihn gewähren lässt, sieht der antidemokratischen Kampagne für eine autoritäre Türkei untätig zu; wer hingegen mit Verboten und Ausweisungen reagiert, spielt dem Provokateur vom Bosporus erst recht in die Karten. Nichts ist Erdogan willkommener, als den nationalstolzen, starken Mann zu markieren, der sich niemandem beugt, ganz nach der Devise „make Turkey great again“.
In den Niederlanden, die sich vor den Parlamentswahlen am Mittwoch ebenfalls im Wahlkampfmodus befinden, musste die Strategie am sichersten verfangen. Ministerpräsident Mark Rutte, der sich vom Rechtspopulisten Geert Wilders treiben lässt, hat mit aller Härte reagiert, der türkischen Familienministerin Sayan Kaya den Zutritt zum Generalkonsulat ihres Landes in Rotterdam verwehrt und sie außer Landes geleiten lassen.
Dafür erntete Rutte breiten Beifall auch in der deutschen Bevölkerung, die sich in Umfragen mehrheitlich gegen Wahlkampfauftritte türkischer AKP-Politiker ausspricht. Vor allem aber hofft er, den islamfeindlichen Populisten im eigenen Land das Wasser abgraben zu können. Wilders ist ihm in Umfragen dicht auf den Fersen.
Die eigene Politik nach Umfragen auszurichten, zumal die sich wiederholt als unzuverlässig erwiesen haben, ist freilich ebenso falsch, wie sie den Stimmungen anzupassen, die von Populisten verbreitet werden. Rutte hat sich schon zuvor auf die nationalistische Spur locken lassen, in Sachen Einwanderung Abschottung und Intoleranz gepredigt und nun gegenüber der türkischen Regierung seinerseits den Vorschlaghammer gewählt. Ob ihm das innenpolitisch etwas einbringt, ist fraglich. Gewiss ist nur: Erdogans Kalkül ist wieder aufgegangen. Der öffentliche Schlagabtausch nutzt ihm mehr als jede Kundgebung eines Kabinettsmitglieds.
Bildquelle: kremlin.ru, gemeinfrei