Aufatmen bei der Lektüre des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung. Das Attentat in Paris und was daraus folgen könnte. Anlass ist ein Interview mit dem Kunsthistoriker Horst Bredekamp in der Montagausgabe des Blattes. Hier wird Aufklärung versucht und es werden Zusammenhänge verdeutlicht, was bislang in den Medien nur wenig bis gar nicht zu finden war. Der Tag hat gerade begonnen, die Zeitung selbst liegt seit 6.00 Uhr am Morgen, vom Zusteller hineingeworfen, im Briefkasten. Ein Montag mehr, an dem Pegida am Abend in die Nachrichtensendungen von Funk und Fernsehen dringen wird.
Dank an die Redaktion des Münchner Blattes. Einem Gespräch ist da auf Seite neun zu folgen, das die eigene Beunruhigung trifft und dem Wunsch nach Orientierung, dem keine der Sondersendungen, die ARD oder ZDF ins Haus liefern, bislang auch nur in ähnlicher Weise gerecht geworden wären. Michael Naumann, vormals erster Kulturstaatsminister der Bundesregierung, Journalist und ebenso nachdenklicher Publizist, sucht seinerseits in der Sonntagsausgabe des Berliner Tagesspiegel nach vertiefenden Antworten. Er nennt den vielstimmigen Akkord der Solidarität mit „Charlie Hebdo“ wohlfeil und erinnert daran, dass in Dresden, aber nicht nur dort, ein Feind gesucht wird, dem man für imaginierte Mißstände verantwortlich machen kann. „In diesem Fall die Angst vor Islamisierung“. Naumann kommt zu dem Schluss, es spiele keine Rolle, ob das, vor dem man da abstoßen wolle, überhaupt existiere. Herr Sarrazin, erinnert er, habe zugegeben, keinen Türken zu kennen. Das sei das Muster.
Horst Bredekamp verweist ebenfalls darauf, dass die Solidarität mit „Charlie Hebdo“ sich erst dann beweisen werde, wenn in Redaktionen zu entscheiden sei, ob eine Veröffentlichung erfolge oder unterlassen werde, weil sie möglicher Weise, tödliche Konsequenzen habe. Ob wir also darauf bestehen, dass es „eine Distanz von Bild und Körper, Bild und Gott“ gebe. Wie der Mord an den Zeichnern von Paris zeige, sei das „nun das wichtigste Gebot der Aufklärung: eine Frage auf Leben und Tod“.
Bredekamps Hinweis ist ernst zu nehmen und sollte in jeder Redaktion täglich neu geklärt werden, was veröffentlichen wir und mit welchen Bildern belegen wir es. Diese Frage geht zuerst an Medienplattformen, die allein vom Bild leben, also vor allem an das Fernsehen und seine modernen elektronischen Nachfolger. Es gehe auch, wie Bredekamp es nennt, um den „prekären Augenblicksjournalismus“: alles müsse in Echtzeit geschehen und werde eins zu eins abgebildet und er verweist auf die Fernsehbilder von der Verfolgung der Täter aus Paris. „Die Strafverfolgung wurde zum medialen Western, live. TV-Sendungen sollten aber nicht zum Abenteuerspielplatz der vorgeblichen Zuschauerbeteiligung werden“. Gebraucht würde dagegen in den Medien Raum für Reflexion, nicht Distanzlosigkeit zum Geschehen.
Zwei Stimmen, die von jedem Programmmacher in den elektronischen Medien und von jedem Blattmacher, vor allem von denjenigen in den Printmedien mit den großen Buchstaben, zur ständigen Erinnerung gelesen werden sollten. Sie lassen sich im weltweiten Netz aufrufen und weitergeben. Vielleicht gelingt es, in diesen Notzeiten journalistisches Ethos, das allein der Aufklärung folgt und die von der Verfassung garantierte Pressefreiheit erfüllt, aus den verklebten Sonntagsreden zu befreien.