Die Rekordjagd an den Börsen lässt das Vermögen der Reichen kräftig ansteigen. So beginnt eine Meldung auf der 1. Seite des „Bonner Generalanzeigers“. Es ist eine dpa-Geschichte. Und weiter heißt es: In Deutschland hat die Zahl der Millionäre um 11,4 Prozent auf nun 1,13 Millionen zugelegt. Die Zahlen überraschen nicht mehr, weil wir längst wissen, dass die Reichen immer reicher und die Armen ärmer werden, dass die Schere zwischen Oben und Unten auseinanderklafft.
Wir reden zwar weiter von unserem Sozialstaat, abzeptieren aber, dass es hier im Lande zwischen sieben und acht Millionen Niedrigverdienter gibt, die nicht wissen, wie sie mit ihren geringen Einkünften über die Runden kommen sollen. Was einen Normalverdiener oder Normalrentner an dieser Entwicklung empören lässt, ist die Tatsache, dass es im Jahr 2013 in Deutschland ein jährliches Brutto-Inlandsprodukt von über 3.6 Billionen US-Dollar gab, und dass trotz dieses unvorstellbaren Reichstums soviele Arme zwischen Hamburg und München leben. Diese Millionen oder Milliarden sind aber nicht durch eigener Hände Arbeit verdient worden, sondern durch eine im Sinne der Reichen geschickte Zins- und Geldpolitik, die für diese unverantwortliche Umverteilung verantwortlich ist. Es verdient der, der arbeiten lässt, der durch Spekulationen, Zinsen und Dividende sein Konto anschwillen sieht, der andere, der von morgens bis abends schafft, bleibt, was er ist: klein.
Zu diesem Thema hat sich kürzlich der Kölner Politik-Wissenschaftler, Prof. Christoph Butterwege, im Berliner „Tagesspiegel“ in einem Leserbrief geäußert und dem pensionierten Regierungsdirektor Bernd Hack geantwortet und ihm teils widersprochen. Hack -„heiliger Zorn packt mich, wenn ich die unqualifizierten Sozialberichte lese“ – wollte nämlich wissen, warum es keine Ursachenforschung zu dieser Fehlentwicklung gebe, trotz Armuts- und Reichstumsberichten. Regierende, so schreibt Prof. Butterwege, möchten in ihren Armuts- und Reichtumsberichten „die Erfolge ihrer Politik dokumentieren, nicht aber ins Stammbuch geschrieben bekommen, dass sie tiefgreifende Veränderungen der Wirtschaftsordnung vornehmen müssten, um die Verteilungsschieflage beseitigen zu können.“ Armut, so behauptet der Kölner Wissenschaftler, sei gewollt und bewusst erzeugt, weil sie die Aktivierung und Disziplinierung der Bevölkerungsmehrheit sichere. Armut und Reichtum seien nicht die Kollateralschäden der Globalisierung, sondern im Kapitalismus angelegt. Die Angst vor der Armut sichere den Fortbestand der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Reichtum, also als Belohnung der Leistungsträger, Armut als gerechte Strafe für Leistungsverweigerer, Faulenzer und Sozialschmarotzer. Starker Tobak, werden die sich beschweren, die sich zu Wort melden können, weil sie über ein Netz in der Gesellschaft verfügen und wissen, wie sie sich dort bewegen und äußern müssen.
Aber Butterwege hat so Unrecht nicht, auch wenn es manchem nicht passt und seine Kritik sehr hart ausfällt. Liest man seinen Beitrag weiter, erfährt man, dass die Schere durch den täglichen Konsum und wie und wo er vonstatten geht, täglich weiter auseinanderdriftet. Die Geringverdiener müßten in Krisenzeiten ihr Girokonto überziehen, was die Banken freue, weil es sie reicher mache. Und wenn noch mehr Familien bei den Discount-Ketten wie Aldi kauften, würden die Eigentümer dieser Ketten reichen und reicher. Dabei gehören die Albrechts schon lange zu den Reichsten im Lande. Wobei der Professor an der Stelle ein wenig oberflächlich ist: Bei Aldi kaufen schon lange nicht mehr nur die Kleinverdiener, sondern der Mittelstand und mehr, weil es nicht nur preiswert ist, sondern auch oft qualitativ gut und zudem bequem zu erreichen. Überall gibt es Parkplätze.
Butterwege macht für die Fehlentwicklung vor allem auch die Steuerpolitik verantwortlich, die nach dem Matthäus-Prinzip verfahre: Wer hat, dem wird gegeben, und wer nicht hat, dem wird das Wenige noch genommen. So müssten auf Kapitaleinkünfte gerade noch 25 Prozent Abgeltungssteuer gezahlt werden, während dem kleinen Arbeitnehmer bis zu 42 Prozent Lohn- und Einkommensteuer abgeknöpft würden. Zudem fördere eine zunehmende Amerikanisierung des Sozialstaates mit allen negativen Folgen wie Spaltung in Luxusquartiere und Armenghettos und Betonung der Eigenverantwortung diese Fehlentwicklung der Gesellschaft. Es ist ja nichts Neues, dass Kapitaleigentümer ihre Interessen besser und stärker und rücksichtsloser vertreten können als die „kleinen Leute“. Durch die deutsche Vereinigung sei diese Entwicklung verstärkt worden, betont der Professor weiter. So habe sich die Armut Richtung Osten verschoben und Berlin werde mehr und mehr neben dem Ruhrgebiet zum Armenhaus dieser Republik. Man schaue sich die Zahlen an, die Arbeitslosenquote und die Wohnviertel in den Bezirken der Hauptstadt, aber auch in den Revierstädten wie Gelsenkirchen, Duisburg, Dortmund und Essen. Da ist an jeder Ecke zu spüren, dass der Aufschwung an diesen Viertel vorbei gegangen ist.
Aber blicken wir noch einmal in die Tageszeitung, da heißt der Aufmacher auf der Wirtschaft des Bonner Generalanzeigers: Reiche werden schneller reicher. Der Wohlstandsbericht sieht ein um 14 Prozent höheres Vermögen bei Millionären. So sei das Vermögen der inzwischen 13,7 Millionen Dollar-Millionäre auf der Welt auf traumhafte 52,6 Billionen US-Dollar angewachsen. Vom Wachstum der Wirtschaft in Höhe von schlappen 2,2 Prozent habe sich das Vermögen der Reichen abgekoppelt. Und die Prognose, die auch die Superreichen in Deutschland freuen wird, geht noch weiter: Deren Vermögen würden in den nächsten fünf Jahren noch schneller wachsen. Die Experten erwarten für die „kleinen“ Millionäre eine Steigerung von 6,9 Prozent, während die Milliardäre mit 9,1 Prozent rechnen können. Zu erwähnen ist noch: 2013 stiegen die Tarifgehälter in Deutschland um 2,6 Prozent an, ein vergleichsweise hoher Wert.