Die Ampel-Regierung mit Bundeskanzler Olaf Scholz wird nun starten. Sie hat zahlreiche Projekte in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Die Ziele sind definiert worden, der Weg dahin wird viel Mut und Ausdauer verlangen. Die Startbedingungen sind schwierig. Denn nach wie vor steht die Bekämpfung der Pandemie ganz oben auf der Agenda. Die Inzidenzzahlen sind viel zu hoch, die Impfzahlen immer noch zu niedrig. Dem neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der von einem Krisenstab im Bundeskanzleramt und vom Logistik-Experten, dem Bundeswehr-General Breuer, flankierend unterstützt wird, wird ein Vertrauensvorschuss eingeräumt. Doch steht ein harter Winter mit den Omikron-Varianten, mit weiteren Einschränkungen für Private und die Wirtschaft bevor. Weitere Mutationen des Virus sind zudem leider noch zu befürchten.
Stotternder Konjunkturmotor
Während im Sommer und Herbst Hoffnung und Zuversicht aufkeimten, dass nach rund 20 Monaten das Ende der Corona-Krise eingeläutet werden könnte, macht sich jetzt wieder eine große Verunsicherung breit. Die Konjunktur-erwartungen rutschen mehr und mehr ab. Die Prognosen für unsere Volkswirtschaft wurden nach untern korrigiert. Für das laufende Jahr wird noch mit einem Plus von etwa 2,5 % gerechnet, für 2022 wird eine Steigerung um rund 4 % erwartet. Doch diese Schätzungen bewegen sich auf sehr unsicherem Grund, denn die wieder schärferen Maßnahmen zur Eindämmung des Pandemiegeschehens werden sich negativ in vielen Bereichen auswirken. Weihnachtsmärkte und Großveranstaltungen finden vielfach nicht mehr statt, Geisterspiele in Fußballstadien werden erneut angeordnet, für Ungeimpfte herrscht ein Teil-Lockdown und selbst für Geimpfte werden Kontaktbeschränkungen empfohlen.
Einzelhandel: Leiser die Kassen nie klangen?
Das alles dämpft insbesondere die private Konsumlust. Der Einzelhandel geht davon aus, dass die Läden in den Städten, die sonst bis zu 25 bis 30 % ihrer Umsätze im Weihnachtsgeschäft machen, in diesem Jahr durch die jüngst beschlossenen gesetzlichen Auflagen Einbußen von bis zu 50 % erleiden werden. Der Online-Handel dürfte dagegen weiter zulegen und ein Umsatzplus von gut 20 % verzeichnen.
Schwache Auftragseingänge bei der Industrie
Auch in anderen Bereichen ergeben sich trübere Aussichten für das Winterhalbjahr. So sind die Bestellungen bei der deutschen Industrie im letzten Oktober um fast 7 % gegenüber dem Vormonat eingebrochen. Vor allem ist die Nachfrage aus dem Ausland wo die Pandemie ebenfalls weitere Bremsmaßnahmen und sogar Lockdowns auslöste, kräftig gesunken: Bei den Bestellungen aus den Ländern der Eurozone ergab sich ein Minus von gut 3 %, bei denen aus der restlichen Welt sogar ein Minus von über 18 %. Zwar sind die Auftragsbücher der meisten Industrieunternehmen noch gut gefüllt, doch mussten viele die Produktion in den letzten Monaten drosseln. Es fehlten Vorprodukte und Zulieferteile – insbesondere Chips –, es gab Engpässe bei verschiedenen Materialien. Der Export in die EU und USA läuft nach wie vor auf hohen Touren; nur die Ausfuhren nach China sind leicht rückläufig. Insgesamt wird für das laufende Jahr und auch für 2022 mit einem Exportplus von rund 7 % gerechnet.
Gesucht: Qualifizierte Arbeitskräfte
Im laufenden Jahr gab es einen anhaltend kräftigen Aufwärtstrend am deutschen Arbeitsmarkt. Allerdings dämpfen die Entwicklungen beim privaten Konsum und in der Industrie die Einstellungspläne vieler Unternehmen. Nach wie vor sind qualifizierte Arbeitskräfte in verschiedenen Bereichen – im Gesundheitssektor ebenso wie im Handwerk, in der IT-Branche ebenso wie im Dienstleistungssektor – gesucht. Große Hoffnung setzen die Arbeitgeber auf die neue Bundesregierung, die den Zuzug qualifizierter Arbeitnehmer aus dem Ausland wesentlich erleichtern will.
In mehreren Industriezweigen ist die Kurzarbeit wieder gestiegen, weil vor allem in der Autoindustrie und bei den Zulieferern die Fertigung aufgrund von Lieferengpässen gedrosselt werden musste. Auch im Hotel- und Gastgewerbe sowie im Handel dürfte in diesem Winter infolge der gesetzlichen Maßnahmen gegen Corona die Zahl der Kurzarbeiter wieder steigen. Viele dieser dort Beschäftigten wechseln mehr und mehr in andere Jobs.
Alles bleibt teuer!
Mit einem Rückgang der Inflation ist wohl erst im Laufe des nächsten Jahres zu rechnen: Sie dürfte von dem Rekord mit aktuell 5,2 % im Jahre 2022 auf 3 bis 2,5 % zurückgehen. Allerdings werden vor allem die Preise für Energie auf hohem Niveau verharren: Elektrischer Strom, Gas und Öl für’s Heizen sowie Kraftstoffe für’s Autofahren werden teuer bleiben oder gar noch teurer.
Eine geldpolitische Wende könnte die Europäische Zentralbank (EZB) im Laufe des nächsten Jahres einleiten, vor allem wenn die US-Notenbank mit Zinserhöhungen vorangehen wird. Der Euro wird sich damit gegenüber dem Dollar eher noch weiter abschwächen; derzeit liegt er Devisenkurs nur noch bei 1,12 Dollar für 1 Euro. Das ist zwar vorteilhaft für den deutschen Export, verteuert jedoch die Einfuhren von Energie, Rohstoffen und anderen Waren.
Schlaglöcher im Staatshaushalt
Die ökonomischen Perspektiven für das Neue Jahr sind zunächst auf jeden Fall mit der Corona-Hypothek belastet. Das führt insbesondere auch zu den Problemen in der öffentlichen Finanzpolitik: Die Steuerquellen werden weniger kräftig sprudeln, wenn das Wachstum der Wirtschaft nicht stärker gedeiht. Zugleich werden die staatlichen Ausgaben noch einmal höher ausfallen, denn viele Milliarden sind für das Gesundheitswesen, für das Impfen, für die Kliniken, aber auch für die Rettungsmaßnahmen zugunsten der Wirtschaft sowie für die Kurzarbeit zu zahlen. So werden die finanziellen Spielräume für mehr Klimaschutz, die Digitalisierung, und andere Vorhaben der Ampel-Koalition zunächst einmal sehr eng sein. Denn dank der FDP hat sich die neue Bundesregierung darauf festlegen lassen, die Steuern nicht zu erhöhen, die Sozialabgaben bei 40 % zu stabilisieren und schon 2023 die „schwarze Null“ im Haushalt zu erreichen. Manches deutet darauf hin, dass Rot und Grün an der Ampel vorerst ausgeschaltet sein wird und sie nur noch gelb blinken wird. Christian Lindner wird auf dem Feuerstuhl des Bundesfinanzministers gewiss heiße Chefgespräche führen müssen. Finanzpolitisch könnte das Parteien-Trio, das bislang so harmonisch verhandelte, schon bald vor der ersten Zerreißprobe stehen.