Als ich im Radio hörte, dass der FDP-Generalsekretär zurückgetreten ist, war mein erster Gedanke: Das ist ein Bauernopfer. Der General tritt ab, um den Vorsitzenden aus der Schusslinie zu nehmen. Mein zweiter Gedanke: Was wussten Friedrich Merz und die CDU/CSU von dem „D-Day“-Papier der FDP? Wann kommt heraus, dass der Ausstieg der Liberalen aus der „Ampel“-Koalition mit der Opposition abgesprochen und geplant war?
Eigentlich naheliegend, oder?
Ich bin immer noch überzeugt, dass ich mit meiner ersten Vermutung richtig liege und eigentlich Lindner hätte zurücktreten müssen, nicht nur sein Generalsekretär Djir-Sarai. Es ist weltfremd, sich vorzustellen, dass dieses brisante Aussteigs-Szenario ohne sein Wissen und Zutun entstanden ist. Die Empörung der Bündnisgrünen und der SPD über die Liberalen ist so verständlich wie berechtigt. Und dass die Linken immer schon gewusst haben, dass es Linder immer nur um Lindner, nie ums Land geht, ist auch keine Überraschung.
Auffällig aber ist das dröhnende Schweigen der CDU/CSU. Warum meldet sich aus ihren Reihen nur der Vorsitzende der Sozialausschüsse? Warum hört man keinen Mucks vom Generalsekretär Carsten Linnemann oder dem Vorsitzenden Friedrich Merz?
Es gibt verschiedene mögliche Antworten. Entweder: Sie hatten keine Ahnung und sind entsetzt, weil ihnen jetzt vermutlich ein möglicher Koalitionspartner abhandengekommen ist. Oder: Sie wussten es und hofften, dass Lindners Rechnung aufgeht, wollen jetzt aber nicht als heimliche Komplizen mit in den Strudel der Empörung hineingezogen werden. Oder: dritte Möglichkeit. Merz wusste, was Lindner plante und hatte ihn gewarnt, aber der Spieler Lindner hat nicht auf ihn gehört. Vielleicht ist es aber auch eine Mischung aus allen Varianten.
Auffällig ist jedenfalls, dass just an dem Tag, als die FDP-Oberen in Potsdam sich darauf verständigten, die Koalition platzen zu lassen, am 29. September 2024 in der Zeitung Die Welt, ein Interview mit Friedrich Merz erschien, in dem der CDU-Chef ungewöhnlich scharf mit Christian Lindner ins Gericht ging. Er warf den Liberalen „politischen Selbstmord“ vor und kritisierte Lindner als Blockierer der Ampel-Koalition. Die FDP torpediere die Arbeit der Bundesregierung, sagte Merz, und schade damit auch dem Land. Einen Tag zuvor hatte er in der Bild am Sonntag auf die Frage nach seinem einst guten Verhältnis zu Christian Lindner gesagt: „Ich verstehe ihn mittlerweile immer weniger, ich weiß nicht, was er vorhat.“
Unmittelbarer Auslöser der heftigen Kritik waren damals gewiss die auch für die Union enttäuschenden Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Im Nachhinein darf man jetzt aber vielleicht doch fragen, ob nicht damals schon mehr dahintersteckt, als nur die Wut über das schlechte Abschneiden in den drei Ost-Ländern und das absehbare Dahinsiechen der FDP.
Irgendwann wird es ohnehin herauskommen.
„Etwas nicht zur Kenntnis nehmen“ bedeutet, dass man etwas bewusst oder unbewusst ignoriert, übergeht oder nicht beachtet. Es kann sich darauf beziehen, dass man Informationen, Hinweise oder Ereignisse absichtlich nicht wahrnimmt oder ihnen keine Beachtung schenkt, obwohl sie bekannt oder offensichtlich sind.
Im übertragenen Sinne kann es auch bedeuten, dass man sich weigert, etwas anzuerkennen oder wahrzunehmen, sei es aus Desinteresse, Ablehnung oder Verdrängung.
Demnach könnte Herr Lindner von den besagten Papier sehr wohl Kenntnis ERHALTEN haben.