Ja, Oliver Bottini , der kann es: seit Jahren gelingt es ihm, private Niederungen mit politisch brisanten Machtverhältnissen in seinen Romanen so realistisch zu verbinden, dass wir Leser:innen begreifen: der machtorientierte Zusammenhang von Leiden, Schuld, Manipulation und kalkulierter Ignoranz prägt unseren Alltag und den seiner Protagonist:innen, banal, die individuelle Verzweiflung meist nur schwer auf das konkrete Unrecht als eigentliche Ursache zurückzuführen, ob die latent alkoholkranke Hauptkommissarin in Freiburg, oder ein gut getarnter Mitarbeiter des BND im burnout, in geheimer Mission in Bagdad im Februar 2003, wie in Oliver Bottinis neustem Roman: „Einmal noch sterben.“ Wir erinnern uns – die USA beginnen einen brutalen Krieg gegen den Irak aufgrund gezielter Falschinformation. Die offizielle Legitimation der US-Streitkräfte lautet: „Full-spectrum Dominance“. Informativ und verstörend zugleich ist, inwieweit sich die pax americana von damals heute weiterhin zum kaum erträglichen Schicksal der Zivilbevölkerung im nahen und mittleren Osten auswirkt, und auch, welch widersprüchlich hilfreiche Rolle potentiell die deutschen Geheimdienste in geopolitischen Interessen dabei spielen.
Dabei schafft es der Schriftsteller immer, eine Spannung aufzubauen, die einen mitfiebern lässt, ob
und wie ein Mensch als Opfer den Zumutungen struktureller Gewalt entkommen kann oder eben
nicht, denn die Verhältnisse, sie sind eben so. (frei nach Bertolt Brecht!)
Auch im Roman davor „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens.“ gelang es Bottini so unprätentiös
stimmungsvoll, die private Sehnsucht der Protagonisten mäandernd mit den brutal harten
turbokapitalistischen Bedingungen – hier am Beispiel Rumänien – in eine zeithistorisch brisante
Beziehung zu setzen.
Oliver Bottini: “Einmal noch sterben“ Dumont Verlag, 475 Seiten, 25 €