Dass die Kanzlerin Angela Merkel dem russischen Gast Wladimir Putin die Meinung gesagt hat und die Angriffe auf Syrien so genannt hat, wie sie sind, eben grausam und brutal, ist das eine. Hier darf nichts schön geredet werden. Aber dabei darf es nicht bleiben. Wir brauchen Russland für eine Lösung der schwelenden Ukraine-Krise, wir brauchen Moskau für eine Beendigung des Kriegs in Syrien. Ohne Russland wird es nicht gehen. Und ohne Putin auch nicht, er ist schließlich der Präsident dieses großen Landes. Und: Russland ist zwar nicht Mitglied der EU, aber es gehört zu und es ist das größte Land in Europa.
Man muss Putin nicht mögen und weiß Gott nicht alles gutheißen, was er macht, damit keine Missverständnisse auftreten. Aber das bedeutet: Man muss mit ihm reden. Ihn von Treffen wichtiger Staatschefs, Präsidenten, Kanzler auszuschließen, war und bleibt ein Fehler.
Es macht auch keinen Sinn, Putin weiter damit zu drohen, dass die Europäische Union die Sanktionen gegenüber Russland verschärfen würde. Die Russen sind leidensfähiger, als wir uns das vorstellen können. Sanktionen, das ist wahr, schaden der russischen Wirtschaft, aber sie schaden auch dem deutsch-russischen Verhältnis und sie schaden deutschen Unternehmen. Und sie bringen uns in den Konflikten keinen Meter voran, ja sie verhärten nur die Fronten.
Wandel durch Handel
Dabei hat der Westen in der Vergangenheit oft genug gute Erfahrungen mit einer gezielten Politik der Diplomatie und der Wirtschaft gemacht. Wandel durch Handel ist ein kluges Wort, das man nicht oft genug wiederholen kann. Wandel durch Annäherung, so lautete das geflügelte politische Wort zur Zeit des SPD-Kanzlers Willy Brandt und seines FDP-Außenministers Walter Scheel und dessen Amtsnachfolger Hans-Dietrich Genscher. Wir müssen den Gesprächsfaden auf allen Ebenen verstärken und da, wo er gerissen ist, wieder anknüpfen an frühere Kontakte.
Der Großmannssucht des russischen Präsidenten muss man keinen Vorschub leisten. Aber unnötige Provokationen sollte man auch vermeiden. Lassen wir uns auch nicht zu leichtfertigen Forderungen nach irgendeinem Boykott verleiten. Man denke an den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau. Geschadet hat das im Grunde nur den Sportlern, gebracht hat es nichts.
Eines kommt gerade für uns Deutsche noch hinzu: Die gemeinsame und teils unheilvolle deutsch-russische Geschichte. Die größten Opfer im Zweiten Weltkrieg, der von Deutschland angezettelt worden ist, haben die Russen gebracht- mindestens 25 Millionen ihrer Landsleute fanden den Tod. Und doch sind wir immer noch in weiten Teilen der russischen Bevölkerung beliebt. Wer je Russland bereist hat, hat das gespürt. Das weiß auch Putin, er kennt Deutschland und die Deutschen sehr gut. Und noch ein kleiner Hinweis: Es war der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow, der 1989, als die Mauer wie durch ein Wunder geöffnet wurde und anschließend fiel, die Panzer und die sowjetischen Soldaten in den Kasernen ließ. Die deutsche Einheit wäre ohne Moskaus Zustimmung nie so friedlich möglich gewesen.
Genscher mahnte: Auf Putin zugehen
Die Erwartungen an den kleinen Gipfel in Berlin mit Merkel, Hollande, Poroschenko und Putin waren nicht überragend. Der Erfolg bestand schon darin, dass das Treffen überhaupt zustande gekommen war. Das ist ein Anfang, wie die Feuerpause in Aleppo hoffentlich ein Anfang war, der zu einer längeren Waffenruhe führt. Den bedrängten Menschen in Syrien wäre es zu wünschen.
Übrigens: Merkel sollte sich an eines der letzten Interviews, das einer der Architekten der deutschen Einheit, der schon erwähnte Ex-Außenminister Genscher wenige Wochen vor seinem Tode gab, erinnern. Darin hatte der einstige FDP-Chef, der Mann, der in Halle zur Welt gekommen und vor den Russen in den Westen geflohen war, der die Wende mitgemacht, ja mitgestaltet hatte, die Politiker des Westens gemahnt und aufgefordert, sie sollten auf Putin zugehen und ihm die Hand reichen.
Bildquelle: Wikipedia, Kremlin.ru, CC-BY 4.0