Es gab Zeiten- und die sind noch nicht so lange her-, da hätten die meisten Leute nur stutzig reagiert, hätte man ihnen den Begriff „Triell“ vor die Nase gehalten. Im Duden von 2020 findet sich zwar das Duell, aber kein Hinweis auf das Triell, mit dem die „Süddeutsche Zeitung“ ihre Wochenendausgabe aufgemacht hat: „Triell ohne Titelverteidiger“. Aber bei Wikipedia gibt es die Erklärung: Triell als Variante von Duell, nur sind es eben drei Personen, die sich streiten, drei Bewerber-wer will mag ein in hinzufügen- um das Kanzleramt. Das ist neu, nicht nur weil Angela Merkel nach 16 Jahren nicht mehr antritt, sondern weil mit Annalena Baerbock- neben Armin Laschet und Olaf Scholz- erstmals auch die Grünen eine Kanzlerkandidatin ins Rennen um das wichtigste politische Amt der Republik schicken. Und wer es vergessen haben sollte, Frau Baerbock lag mal vor Wochen sehr gut im Rennen.
Aber die Stimmung hat sich gedreht, soviel darf man heute sagen. Der Politk-Wissenschaftler Karl-Rudolf Korte sprach im Gespräch mit ZDF-Moderator Claus Kleber von einem möglichen Wechsel, gemeint Machtwechsel. Will sagen: Die SPD könnte erstmals seit 16 Jahren wieder einen Kanzler stellen: Olaf Scholz, der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, hat die Mitbewerber abgehängt. Bei einer Direktwahl würden ihn 31 Prozent wählen, Laschet käme auf gerade 10 Prozent, Baerbock auf 14. Im ZDF-Politbarometer war es noch deutlicher: In der Kanzler-Präferenz wünschen sich 49 vh Scholz als Kanzler, nur 17 vh den CDU-Mann und schlappe 16 vh Baerbock. Und wer dagegen hält, es würden Parteien gewählt, nicht Personen, der kann in der aktuellen Bild-am-Sonntag nachlesen, dass das Meinungsforschungsinstitut „Insa“ die SPD bei 24 Prozent sieht, die Union nur noch bei 21 vh und die Grünen bei 17. In anderen Umfragen gibt es teils ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Union, teils liegt wie bei „Forsa“ die SPD inzwischen vorn.
Also doch eine Wechselstimmung? Klar ist, dass die Partei, die glaubte, so etwas wie eine Garantie auf das Kanzleramt zu haben, die Union, so zerstritten ist wie nie zuvor. Man nehme nur den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, zugleich CSU-Chef. Der Franke tönt zwar immer wieder, er stehe hinter Laschet, aber dies muss der Rheinländer eher als Drohung verstehen. Denn Söder lässt kaum eine Gelegenheit verstreichen, in der er nicht deutlich macht, dass er sich für den Besten in Deutschland hält. Tagesspiegel-Kolumnist Harald Martenstein sagt dazu in seinem Sonntags-Beitrag für das Berliner Blatt: „Der Union gegenüber ist Söder so loyal wie eine Würgeschlange zur Maus.“ In der Tat. Dabei hat Söder im Freistaat alles andere als große Erfolge zu feiern. Würde jetzt in Bayern gewählt, die CSU käme mit Söder nicht mal auf 35 Prozent der Stimmen. Auch die Bilanz seiner Corona-Politik ist nicht berauschend. Und doch spielt er sich auf als der große Leader. Die CSU-Minister im Kabinett Merkel sind nicht mal mehr Mittelmaß. Andreas Scheuer hätte längst gefeuert werden müssen, Horst Seehofer ist reif fürs Altenteil. Von wegen Vorzeige-Land Bayern, Muster-Partei CSU. Söders Vize in München, Hubert Aiwanger, tanzt dem Chef auf der Nase rum und weigert sich, sich gegen Corona impfen zu lassen. Ein starkes Stück. Und Söder, dieser Möchtegern-Kraftprotz, hat nicht den Schneid, dem Chef der „Freien Wähler“ den Stuhl vor die Tür zu setzen.
Ohne Stolz und voller Angst
Noch mal zu Martenstein. „Der nette Mensch Laschet ist das letzte Aufgebot der letzten Volkspartei, der Populist und Umfragensurfer Söder wäre vermutlich ihr Ende.“ Und später: “ Dass die CDU nicht mal mehr ihre eigenen Stärken überzeugend kommunizieren kann, dass sie ohne Stolz, ohne klaren Ansagen, ohne Einigkeit und voller Angst dasteht, ist der Preis für 16 Jahre Angela Merkel. Umsonst ist der Tod.“
Und in so einer Situation soll ein Triell die Wende für Laschet bringen? Es gelte jetzt, so der Alt-Politiker Merz, der seit vielen Jahren die Politik von der Tribüne aus betrachtet, Themen zu besetzen, “ die wirklich wichtig sind für die nächste Bundesregierung.“ Solide Staatsfinanzen seien die Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Meint der Erfinder der Steuerreform auf einem Bierdeckel Merz und vergisst dabei, dass die CDU-Politikerin Merkel seit 16 Jahren dieses Land regiert. Und dass Olaf Scholz der Bundesfinanzminister und damit der Stellvertreter von Merkel ist. Und der Kanzlerkandidat der SPD. Es ist schon zum Lachen, wenn ich aus dem Munde von Laschet höre, er warne vor einem Links-Bündnis unter Führung von Scholz, weil er eine Massen-Arbeitslosigkeit befürchte. Geht es etwas kleiner, Herr Laschet? Als nächstes kommt die Furcht vor den Sozialisten, die uns die Häuser im Tessin wegnehmen wollen. Pardon, dieser Scherz stammt aus der Feder von Klaus Staeck, dem Grafik-Designer, Karikaturisten und Juristen. Zuletzt war der bis 2015 Präsident der Akademie der Künste in Berlin.
Weiter lese ich von einem CDU-Politiker in Rheinland-Pfalz, namens Christian Baldauf: „Unser Kanzlerkandidat muss den Zuschauern klar machen, dass es um eine Richtungsentscheidung geht.“ Baldauf ist Chef der dortigen CDU, er hat vor kurzem eine Wahl gegen die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer krachend verloren. Also lassen wir diesen Wahlsieger weiter reden. Eine von CDU und Grünen geführte Bundesregierung werde Steuern erhöhen und den Mittelstand belasten. Baldauf erwartet von Laschet in den letzten vier Wochen, mit einem Regierungsteam aufzutreten, um damit deutlich zu machen, wer für welche Themen stehe. „Das würde unsere Siegchancern erhöhen.“
Entschieden ist nichts, das stimmt schon. Deshalb ist der Optimismus von Sozialdemokraten auch sehr verhalten. Sie haben nicht vergessen, wie ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz damals nach einem sensationellen Höhenflug abstürzte. Schulz lag 2017 in der letzten Umfrage vor dem Fernseh-Duell mit Merkel bei 22 Prozent. Aber Vorsicht. Bevor jemand sagt, da haben wir es ja, wie heute, sei hinzugefügt, dass die Kanzlerin vor vier Jahren 17 Prozent-Punkte vor ihrem Herausforderer lag und am Ende ein Wahlergebnis 32.9 Prozent erzielte. Schulz´ SPD kam auf magere 20.5 vh. Von diesem Wert sind die Christdemokraten heute meilenweit entfernt, in Umfragen erreichen sie gerade mal rund 22 Prozent. Und was die Grünen betrifft; ihre Chancen sind nur noch mininal, ins Kanzleramt zu ziehen. Aber sie werden ihr Wahlergebnis von 2017- 8.9 vh- deutlich erhöhen, ihren Traum jedoch mindestens verschieben müssen.
Der Union drohen historische Verluste, die die SPD schon hinter sich hat.(Schröder erzielte 1998 über 40 vh der Stimmen). Die Christdemokraten versuchen sich mit dem Hinweis, Umfragen seien „Weckrufe“, zu beruhigen. Nur habe ich bisher nicht gemert, dass bei Laschet und Co. die Post abginge. Die Rede ist von Alarm, es geht um alles, was immer das heißt, es ist wirklich Ernst, so hat es der Polit-Meister Söder formuliert. Andere haben gewarnt, die Union habe keine Garantie aufs Kanzleramt. Was stimmt, aber sie hat lange geglaubt, dass sie das Abonnement darauf habe. Jetzt also soll das erste Triell es bringen, bei RTL geht es damit los. Und damit die Journalisten auch richtig im Sinne der Union über das Triell berichten, über den vermeintlichen Sieger, damit die Stimmung im Lande davon beeinflusst werde, haben sich CDU-Größen angesagt, entnehme ich der SZ: Hessens Volker Bouffier(der regiert mit den Grünen),Thomas Strobl aus Baden-Württemberg(der sitzt am Tisch mit dem Grünen-MP Kretschmann, Fraktions-Vize Carsten Linnemann, das ist der vom Mittelstand, die NRW-Integrations-Staatssekretärin Serap Güler, die zu Laschets Freundeskreis zu zählen ist, für die CSU Dorothee Bär und die Influencerin Sophia Thomalla. Nach dem ZDf-Politbarometer sollen 48 Prozent der Wahlberechtigten noch nicht wissen, wem sie ihre Stimme geben werden. Ich füge gern aus eigener Erfahrung hinzu: Die Erwartungen bestimmter Partei-Funktionäre waren stets größer als die wirklichen Auswirkungen der Fernseh-Duelle. Im übrigen wird es noch zwei weitere TV-Trielle geben, eines davon in zwei Wochen bei ARD und ZDF. Gewählt wird in vier Wochen.
Bildquelle: Bild von LouMaria, Pixabay License
Danke für den Kommentar ! Endlich mal kein Schönreden des CDU-Kandidaten, kein Miesmachen der Mitbewerber im Sinne der konservativen Wünsche. Und: Auch die Moderatoren waren fair und sachlich, vor allem frei von der ungezogenen, ja unverschämten Art der permanenten Unterbrechung, wie sie ZDF-Moderatoren wie z.B. Th. Walde und Markus Lanz meinen, anwenden zu dürfen.