Österreich braucht eine neue Regierung. 4,75 Millionen Österreicher, also 74 % der Berechtigten, haben am 29. September das neue Parlament gewählt und zur stärksten Fraktion die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs mit 29,2 % der Stimmen und 58 Sitzen bestimmt. Ihr Vorsitzender Herbert Kickl hatte im Wahlkampf den Anspruch erhoben, „Volkskanzler“ zu werden. Nicht der einzige Anklang an Rhetorik von Ungarns Premier Viktor Orban, oder an Marine LePen. „Festung Österreich“ und „Festung Europa“ versprach Kickls FPÖ, Migranten sollten in Österreich gar keinen Platz mehr finden, der Islam ist ein Gegner. Das Wirtschaftsprogramm der Rechtspopulisten scheint als Vorbild bei der konservativen Volkspartei abgeschrieben zu sein. Die bisherige Regierungskoalition Volkspartei und Grüne wurde abgestraft.
Sozialdemokraten blieben bei 21 % stecken. Die Grünen sanken auf 8 %.
Die FPÖ dringt auf den Regierungsauftrag durch Bundespräsident Alexander van der Bellen. Der stellte noch am Abend seine Bedingungen für eine wie auch immer geartete Regierung vor: Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, unabhängige Medien und EU Mitgliedschaft seien nicht verhandelbar. Das dürfte die Ambitionen Kickls erschweren, neben der Tatsache, dass alle anderen Parteien bisher sagen, keine Koalition mit einem Kanzler Kickl. Ob das halten wird angesichts der Tatsache, dass die Österreichische Volkspartei, ÖVP, bereits in drei Bundesländern, nämlich in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg mit der FPÖ koaliert, obwohl in den jeweiligen Wahlgängen von Niederösterreich und Salzburg diese Koalitionen ausgeschlossen wurden?
Bleibt auf den ersten Blick eine Koalition der Verlierer ÖVP und SPÖ mit den Wahlsiegern Neos, auch das eine schwere Operation.
Das deutsche Beispiel der Dreiparteien Regierung in Berlin schreckt Österreich ab.
Konsequenzen hätte eine FPÖ Beteiligung vor allem für die Europäische Union. Weniger Kompetenzen war eine Forderung der Kickl-Truppe. Gratulanten wie Hollands Rechtsaussen Geert Wilders begrüssten die Wahlsieger aus Österreich als Verstärkung der europa-kritischen bis ablehnenden Regierungen in der EU, neben Ungarn, Niederlande, Italien , Portugal, Schweden, Tschechien zählt er auch schon mit Blick auf weitere Wahlen Deutschland , Frankreich, Spanien sowie Österreich dazu. 10 von 27 also möglicherweise im kommende Jahr, die die EU renationalisieren wollen. Keine Waffen für die Ukraine, baldigen Friedensschluss dort sind weitere Forderungen der Rechtspopulisten, die bisher bei insgesamt 4 Regierungsbeteiligungen der Zeit nach 1945 mit Volkspartei und Sozialdemokraten jeweils vorzeitig scheiterten.
Wesentlich zum Erfolg der Kickl-Truppe beigetragen hat auch die Tatsache, dass die Partei in den sozialen Medien sich ihre eigene Welt bastelt und ihre Anhänger beispielsweise darin bestärkte, dass in der Corona Pandemie eine Impfung ehe nicht sinnvoll sei.
Das wurde gleich überhöht zur „Freiheitsberaubung“ , die sich auch in den verschiedenen Lockdowns manifestierte aus Sicht der Partei, die am Sonntag siegte.
Die Volkspartei mit Kanzler und Parteichef Karl Nehammer verlor gegenüber der letzten Wahl 2019 12% und landete auf Platz 2 mit 26,5% mit 52 Abgeordneten, die bisher mitregierenden Grünen verloren mehr als 5% und ziehen mit 15 Abgeordneten ein. Die Sozialdemokraten unter ihrem neuen Chef Andreas Babler erzielten ihr schlechtestes Ergebnis seit 1945, 21 % und 41 Abgeordnete. Wahlsieger neben den Freiheitlichen sind die Liberalen Neos mit 9 % und 16 Abgeordnete.
Nicht auszuschliessen, dass diese drei Parteien am Schluss eine Koalition bilden. Ob diese Zusammenarbeit über fünf Jahre halten wird ist die grosse Frage.
Trotz aller erwiesener Nähe zu rechtsextremen Identitären, immer wieder vorkommender Berührungen mit Neonazis und Altnazis, die einst wesentliche Gründer der Freiheitlichen Partei nach 1945 waren, steigt die Partei im Ansehen der Wähler. Das ist aber ja nicht nur in Österreich der Fall. Antisemitismus wird von der FPÖ beschworen, obwohl immer wieder Äusserungen auffallen, die das Gegenteil beweisen. Auf die Restparteien schaut Herbert Kickl als Systemparteien, die er eigentlich ablehnt, aber zum Regieren brauchen würde. Gibt es künftig eine Koalition gegen die FPÖ könnte das bei der nächsten Österreich Wahl einen noch grösseren Anteil der Wähler zur Stimmabgabe für die Partei motivieren. Keine gute Aussichten für die Demokratie in der Alpenrepublik. Schon bei den nächsten Wahlen für die Landtage in der Steiermark, Vorarlberg und im Frühjahr im Burgenland könnte die FPÖ ihren Siegeszug fortsetzen.
Zum Autor: Klaus Prömpers, geb. in Düsseldorf 1949,
Diplom Volkswirt sozialwissenschaftlicher Richtung und Diplom Kaufmann,
Uni Köln, 1981 -1989 Moderator der Informationen am Morgen des Deutschlandfunks ; ab 1989 ZDF Korrespondent : Bonn, bis 1999, Brüssel bis 2004,
Wien/Südosteuropa bis 2011, New York bis 2014, seitdem wieder Freier Journalist mit Schwerpunkten Social Media, Südosteuropa, USA.
Wohnhaft in Bad Bentheim und manchmal Wien