Das neu gewählte Parlament hat über 100 Abgeordnete mehr. Das sorgt nicht nur für enorme Mehrkosten. Es ist vor allem: Ein Symbol dafür, wie die politischen Eliten sich taub stellen, wenn es um sie selbst geht.
Nein, nach diesem Wahlergebnis kann man nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen. Und ja, wir brauchen eine Obergrenze – für den Bundestag. Denn die Bundestagswahl am 24. September hat nicht nur die politische Landschaft grundlegend verändert. Der Bundestag wurde aufgebläht wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Statt der im Jahr 2002 im Wahlgesetz vorgesehenen 598 Abgeordneten hat der neuen Bundestag 709 Abgeordnete. Spötter sprechen von einem XXL-Parlament, nicht ganz so groß wie der Nationale Volkskongress, das Parlament der Volksrepublik China, das 3.000 Abgeordnete zählt. Aber fast so groß wie das Europaparlament mit seinen 751 Abgeordneten. Und größer als das britische House of Commons mit 650 Abgeordneten. Auch deutlich größer als der amerikanische Kongress, dessen Repräsentantenhaus 450 Mitglieder und dessen Senat 100 Mitglieder hat.
Nach dieser Bundestagwahl ist die Empörung groß. Zum ersten Mal sitzen Abgeordnete einer populistischen Rechtspartei im Bundestag, darunter Leute, die keinen Hehl aus ihrer rechtsextremen Gesinnung machen. Keiner will neben diesem Haufen sitzen, das ist verständlich. Doch auch die AfD profitierte von der großzügigen Mandatsverteilung, die den Bundestag aufblähte. Sie bekam 11 Sitze mehr dank des Ausgleichs für 36 Überhangmandate der CDU, 3 für die SPD und 7 für die CSU, die trotz ihres schlechten Abschneidens alle Direktmandate in Bayern gewann. Um den Proporz herzustellen, gab es zusätzliche Mandate: 19 für die SPD, 10 für die Linke, 10 für die Grünen, 15 für die FDP und 11 für die AfD. Anders formuliert: 46 Überhangmandate wurden durch weitere 65 Mandate ausgeglichen, um sicherzustellen, dass die Verteilung der Sitze im Bundestag der Verteilung der Zweitstimmen entspricht. Mandate, die sich hätten vermeiden lassen, wenn die im Bundestag vertretenen Parteien das Wahlgesetz in der letzten Legislaturperiode reformiert hätten, wie es von vielen gefordert wurde. Doch nichts geschah, und auch jetzt gibt es wenig Hoffnung, dass der neu gewählte Bundestag sich das Wahlrecht vorknöpft und so ändert, dass es künftig nicht mehr als 598 Abgeordnete im Deutschen Bundestag gibt.
Eine gute Idee, leider schlecht umgesetzt
Demokratie ohne Wahlen – das ist schlecht vorstellbar. Doch wer Wahlen durchführen will, muss sich entscheiden: Nach welchem verfahren sollen die von den Bürgerinnen und Bürgern abgegebenen Stimmen in Mandate, also Sitze im Parlament, umgerechnet werden?
Einfach und übersichtlich ist das in manchen Ländern praktizierte „Winner-Takes-All“-System, sprich: Mehrheitswahlrecht. Die Zahl der Sitze im Parlament wird festgelegt, danach das Land in eine entsprechende Zahl von Wahlkreisen aufgeteilt. Der Gewinner im Wahlkreis erhält den Sitz im Parlament. Doch das System hat seine Tücken, um nicht zu sagen Macken, wie man an den USA studieren kann. Selbst wenn der Gleichheitsgrundsatz der Wahl respektiert wird, kann bei der Wahlkreiseinteilung manipuliert werden, in der Regel zugunsten derjenigen, die die Einteilung der Wahlkreise vornehmen. Sie schaffen sichere Wahlkreise für die eigene Partei, natürlich auf Kosten der anderen.
Plausibler und gerechter ist daher ein Verhältniswahlsystem, bei dem die Anteile der für eine Partei abgegebenen Stimmen so in Mandate im Parlament umgesetzt werden, dass die Mandatsverteilung der Verteilung der Stimmen entspricht. Auch dieses Wahlrecht hat seine Tücken, da es zu einer Zersplitterung der Stimmen und damit auch der Mandate führen kann. Zu besichtigen im Europaparlament, wo bei der letzten Wahl im Jahr 2014 auch kleinere Parteien wie die Spaßmacher, genannt „DIE PARTEI“, mit 0,6 Prozent der abgegebenen Stimmen noch einen der 96 Deutschland im EU-Parlament zustehenden Sitze ergattern konnte.
Daher erscheint es schlau und politisch klug, beide Wahlsysteme zu kombinieren, wie das in Deutschland bei der Bundestagswahl geschieht. Zum so genannten „personalisierten Wahlrecht“, bei dem ein Teil der Abgeordneten direkt in Einerwahlkreisen gewählt wird, der andere Teil über Listen. Dann bekommen auch Parteien Sitze im Parlament, die in Wahlkreisen erfolglos bleiben wie die FDP. Und es gibt direkt gewählte Abgeordnete, deren Namen man womöglich kennt, weil sie aus der eigenen Stadt kommen. Sich an die zu wenden, fällt einem dann eventuell leichter. Mit einigen Rechenschritten kann man auch dafür sorgen, dass die Gesamtzahl der einer Partei zustehenden Sitze ihrem Stimmanteil bei den sogenannten Zweitstimmen entspricht.
Doch die paar Rechenschritte sind, wie man den Veröffentlichungen des Bundeswahlleiters entnehmen kann, so einfach nicht. 454 Seiten umfasst die Publikation des Bundeswahlleiters mit den Ergebnissen zur Bundestagswahl 2017. Wer sich in dieses „Heft 3“ vertieft, stellt fest: Das personalisierte Wahlsystem mag ja eine kluge Idee sein, aber die Berechnung der Mandatszahlen für die Parteien ist alles andere als nachvollziehbar und transparent. Da werden in zwei Stufen und mehreren Schritten Sitzkontingente und Sitzzahlen ausgerechnet, bis der Forderung genüge getan ist, dass jeder Kandidat, der einen Wahlkreis gewonnen hat, seinen Sitz bekommt und außerdem noch die Anteile der Parteien auf Landes- und Bundesebene den jeweiligen Stimmanteilen bei den Zweitstimmen entsprechen. Das führt zu Überhangmandaten – Wahlkreisen, die gewonnen wurden, obwohl einer Partei nach dem Zweitstimmenanteil weniger Sitze in dem Bundesland zustehen. Zu besichtigen ist dies bei der CSU, die alle Wahlkreise in Bayern gewann, aber nur 38,8 Prozent der Zweitstimmen erhielt. Diese Überhangmandate müssen dann ausgeglichen werden, um den Proporz zu gewährleisten. Denn das Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland mag ein „personalisiertes“ sein. Es ist aber vor allem ein Verhältniswahlrecht.
Auch wenn das Grundgesetz das so nicht zwingend vorschreibt. Artikel 38 schreibt nur vor, dass der Bundestag in „allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl“ gewählt wird. Die Einzelheiten bleiben dem Gesetzgeber, sprich: den im Bundestag vertretenen Parteien, überlassen. Einzig das Bundesverfassungsgericht hat da ein Wörtchen mitzureden, wie zuletzt im Jahr 2012, als es die von CDU/CSU und FDP beschlossene Wahlrechtsreform beanstandete, worauf der Bundestag kurz vor der Wahl 2013 das derzeit gültige Wahlrecht beschloss.
Hier soll nicht die Leidensgeschichte der Wahlrechtsreformen seit Gründung der Bundesrepublik erzählt werden. Doch sie zeigt eines: Reformen sind nur möglich, wenn die Parteien, die die Reform beschließen, keinen Schaden, also einen Mandatsverlust allein aufgrund der Reform, für sich erwarten. Und zweitens gilt: Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist nicht so groß, wie er bei der Lektüre des Grundgesetzes allein erscheinen mag. Alles andere als ein Verhältniswahlrecht ist mit den Gerechtigkeitsvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger nicht in Einklang zu bringen. Das ist in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland verankert.
Doch das müsste zu schaffen sein: Ein Wahlrecht, bei dem es direkt gewählte Bundestagsabgeordnete gibt, die Verteilung der Mandate im Bundestag den Stimmanteilen der Parteien entspricht, und der Bundestag nicht mehr als die gesetzliche vorgesehene Zahl von 598 Abgeordneten hat. Man muss es nur wollen, auch um Schlimmeres zu verhindern. Schlimmeres, das heißt hier: Ein Bundestag mit 709 Abgeordneten, an der Grenze seiner Arbeitsfähigkeit angekommen, vom Platz im Reichstagsgebäude einmal ganz zu schweigen. Ein Bundestag, der locker mal 75 Millionen Euro pro Jahr mehr kostet als ein Parlament mit der 2002 beschlossenen Größe von 598 Abgeordneten, wie der Bund der Steuerzahler ausgerechnet hat.
Ja, diese Nervensägen vom Bund der Steuerzahler. Nicht einmal bei überquellenden öffentlichen Kassen scheint der Ruhe zu geben. Doch wer die Kritik abtut, handelt fahrlässig: Denn auch wenn nur wenigen Bürgerinnen und Bürgern bewusst ist, was der Bundestag und seine Abgeordneten kosten, Stoff für Populisten ist das allemal – selbst wenn die jetzt Nutznießer des System geworden sind. Und wenn der Stoff für Populisten nicht reicht, dann ist er zumindest Futter für Politikverdrossenheit.
Das hatten vor der Wahl schon einige Beobachter erkannt.
Mahner und Warner blieben ungehört
Doch die Mahner und Warner blieben ungehört. Allen voran der frühere Bundestagpräsident Norbert Lammert. Mal mahnte er verklausuliert, mal offen. So konnte er sich bei der Bundesversammlung am 12. Februar 2017, die Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten wählte, nicht verkneifen, auf die Größe der Versammlung von 1260 Mitgliedern zu verweisen. „Ich hoffe, dass auch die nächste Bundesversammlung wieder im Reichstagsgebäude stattfinden kann“, so Lammert. „Jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber das jetzt geltende Wahlrecht so verändert, dass sich die Anzahl der Sitze im Deutschen Bundestag und die damit korrespondierende doppelte Gesamtzahl der Wahlmänner und Wahlfrauen der Bundesversammlung nicht in beliebigen, unabsehbaren Größenordnungen bewegen kann.“ Doch Lammert wurde auch konkreter. Im April 2016 legte er einen eigenen Vorschlag zur Reform des Paragraphen 6 des Bundeswahlgesetzes vor, der in sieben Absätzen das Verfahren der Mandatszuteilung in viele Worte fasst. Neben der Warnung vor einer „erheblichen Vergrößerung des Bundestages“ – „In Modellrechnungen werden 700 und mehr Abgeordnete für möglich gehalten“ – monierte Lammert, dass die Wähler bei der Stimmabgabe nicht wissen, über wie viele Mandate sie entscheiden. „Zudem wachsen mit der Anzahl der Mandate weder die Funktionsfähigkeit des Parlaments noch die dazu notwendigen Arbeitsbedingungen der Abgeordneten.“ Und dann heißt es auch noch, eher wieder verklausuliert: „Schließlich sprechen Kostengründe gegen ein allzu großes Parlament.“
Gut gebrüllt, Löwe, ist man geneigt zu sagen. Doch der Lammert-Vorschlag fiel durch. Lammert wollte die Zahl der Abgeordneten bei 630 deckeln. Bei dieser Zahl, so der Vorschlag, sollte der Ausgleich von Überhangmandaten abgebrochen werden. Darüberhinausgehende Überhangmandate einer Partei sollten allerdings erhalten bleiben, auch ohne dass ein Ausgleich stattfindet. Die Vergrößerung des Bundestages wäre also überschaubarer geblieben als bei der derzeitigen Regelung. Doch im Licht des aktuellen Ergebnisses trifft zu, was der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker in der Süddeutschen Zeitung monierte: Lammerts Vorschlag begünstige seine eigene Partei, die CDU. Allein deren 36 Überhangmandate bei der Bundestagswahl im September hätte den Bundestag auf mehr als 630 Abgeordnete anschwellen lassen. Lammerts Vorschlag verletzte damit, so möchte man hinzufügen, die Regel, dass keine Reform des Wahlrechts zustimmungsfähig ist, die absehbar die eine oder andere Partei bevorzugt. Stattdessen wurde von den Bundestagsparteien eine „Blamage mit Ansage“ in Kauf genommen, so Decker, nämlich eine Aufblähung des Bundestages auf mehr als 700 Abgeordnete. Noch einmal Decker: „Dass dies kaum zu legitimieren wäre, liegt auf der Hand. Warum sollte es vom Zufall des Wahlergebnisses abhängig sein, aus wie vielen Abgeordneten ein Parlament besteht? Die Kosten, die durch zusätzliche Diäten, Mitarbeiter, Büros und Umbaumaßnahmen entstehen, belasten die Steuerzahler unnötig. Noch problematischer ist, dass Überhang- und Ausgleichsmandate den Sanktionscharakter einer Wahl unterminieren. Parteien, die Stimmen verlieren, können dann trotzdem genauso viele oder sogar mehr Abgeordnete entsenden wie vorher. Vorurteile, wonach die Politiker nur an ihren eigenen Vorteil denken, werden so befördert – Wasser auf die Mühlen der von Populisten geschürten Parteienkritik.“
Dabei hätte Lammerts Vorschlag eine breite Mehrheit im Parlament erfordert. Denn er wollte nicht nur das Bundeswahlgesetz ändern, sondern auch das personalisierte Verhältniswahlrecht und das Prinzip der Höchstsitzzahl im Grundgesetz verankern. Damit sollte die Möglichkeit der „richterlichen Normkonkretisierung“ durch das Bundesverfassungsgericht eingeschränkt werden, in dessen Anwendung das Gericht 15 ausgleichslose Überhangmandate für vereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes hielt. Lammerts Vorschlag schmeckte den anderen Parteien offensichtlich nicht, und so suchte man angesichts der drohenden Blamage einen anderen Sündenbock: das Bundesverfassungsgericht.
Doch den Vorwurf, das Bundesverfassungsgericht sei für die drohende Aufblähung des Bundestages verantwortlich, wollte der Verfassungsrichter Peter Müller nicht auf sich sitzen lassen. In der FAZ vom 5. Mai 2017 erinnerte er daran, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur eine bestimmte Zahl, nämlich 15, von ausgleichlosen Überhangmandaten zu lasse. Auch zu einem vollständigen regionalen und parteipolitischen Ausgleich der Überhangmandate sei der Gesetzgeber durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht verpflichtet. Ja, aus verfassungsrechtlicher Sicht könne der Bundestag sogar noch ganz andere Dinge tun, so Müller. Selbst ein Mehrheitswahlrecht sei machbar. Aus rein juristischer Perspektive betrachtet mag das richtig sein. Auch als Argument gegen den Vorwurf, das Verfassungsgerichts trage mit seinen Entscheidungen der letzten Jahre die Verantwortung für die Aufblähung des Bundestages, mag es gerechtfertigt sein, an den breiten Gestaltungsspielraum des Bundestages bei der Gestaltung des Wahlrechts zu erinnern. Aber ein Zurück zu den Diskussionen der 1950er und 1960er Jahre hilft in der konkreten Situation nicht weiter. Nun geht es darum, das „personalisierte Verhältniswahlrecht“ so zu gestalten, dass der nächste Bundestag keine 709 Abgeordneten mehr hat. Und auch keine 3.700, wie Michael Kunert von infratest dimap in einem Papier im November 2016 befürchtete. „Theoretisch ist der ‚Wahnsinn‘ also unbegrenzt“, so Kunert.[7]
Reformvorschläge, die schmerzen
Was beschlossen werden muss, um bei künftigen Wahlen die Sollgröße des Bundestages von 598 Abgeordneten nicht zu verfehlen, kann für die aktuell amtierenden 709 Abgeordneten nur schmerzhaft sein – denn einige werden es nicht wieder in den Bundestag schaffen, wenn dieser die Blamage, vor der viele gewarnt hatten, ernst nimmt und ein Wahlgesetz beschließt, dass die Richtgröße von 598 Abgeordneten ernst nimmt.
Es wäre die 23. Reform des Bundeswahlgesetzes. Dass 22. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes beschloss der Bundestag in seiner 222. Sitzung am 21. Februar 2013. Die Abgeordneten von CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEN waren mit sich und ihrer Reform zufrieden, und ließen das nicht nur in ihren Redebeiträgen, sondern auch in ihren Zwischenrufen durchblicken. Vor allem, als Halina Wawzyniak von der LINKEN das Wort ergriff, um zu erklären, warum ihre Fraktion das vorgeschlagene Wahlrecht ablehne. „Es wird sie nicht überraschen, dass wir dieses Wahlrecht ablehnen werden, weil es zu einer Vergrößerung des Bundestages führt, obwohl es eine verfassungsgemäße Alternative gibt“, so die Abgeordnete der LINKEN. Und was die Abgeordnete weiter zu sagen hatte, zeigt, wie schwierig eine Wahlrechtsreform sein kann: „Was wir gemeinsam versucht haben, ist die Quadratur des Kreises. Wir haben versucht, vier Prinzipien in Übereinstimmung zu bringen: Wir wollten das negative Stimmgewicht vermeiden, die Überhangmandate ausgleichen, den föderalen Proporz möglichst wahren und eine Vergrößerung des Bundestages vermeiden. Man muss feststellen: Sie setzen den Schwerpunkt bei der Wahrung des föderalen Proporzes – das kann man machen –, wir setzen den Schwerpunkt bei dem Prinzip, eine Vergrößerung des Bundestages zu vermeiden.“ Dafür seien Kompromisse erforderlich, so Wawzyniak. Ihr Statement: „Wir sind kompromissbereit. Wir sind aber nicht prinzipienlos.“ quittierte der SPD-Abgeordnete Wiefelspütz mit dem Zwischenruf: „Ui! Jetzt schelten Sie uns nicht so! Ich wollte vor mich hindösen, jetzt muss ich aufpassen!“
Mit dem Vor-sich-Hindösen sollte nun Schluss ein, auch wenn ein Bundestag von 709 Abgeordneten dem einzelnen Mitglied dazu mehr Gelegenheit bieten dürfte. Wenn SPD und GRÜNE ebenfalls Vorschläge haben, wie man das Bundeswahlrecht so gestaltet, dass man eine Punktlandung bei 598 Abgeordneten hinlegen kann, dann gilt es nun, einen Kompromiss zu schmieden, der genau das umsetzt. Im Vordergrund sollte tatsächlich stehen, künftig eine Höchstsitzzahl nicht zu überschreiten und die Mandate nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts zu verteilen. Wie viele Abgeordnete dann direkt gewählt werden und ob die einzelnen Bundesländer entsprechend ihrer Bevölkerungsgröße im Bundestag vertreten sein sollten – dabei wird man Abstriche machen müssen.
Wahrscheinlich passiert wieder nichts?
Schaut man die Kommentare an, die nach der Bundestagswahl zu diesem Thema verfasst wurden, so zeigten die Autoren wenig Hoffnung, dass bei den Parteien die Einsicht in die Notwendigkeit einer erneuten Wahlrechtsreform vorhanden sein könnte. Auch wenn der neue Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im Interview mit der Zeitung „DAS PARLAMENT“ kurz nach seiner Wahl am 24. Oktober betonte, es werde einen neuen Anlauf geben müssen: „Ich werde deshalb vertrauensvolle Gespräche mit den Verantwortlichen in den Fraktionen führen“.[8]
Vertrauensvolle Gespräche hinter den Kulissen? Zeit dafür hätten die Abgeordneten. Denn nur wenige sind in die Gespräche zur Bildung einer Jamaika-Koalition eingebunden, selbst bei den potentiellen Regierungspartnern. Die Monate am Beginn einer Legislaturperiode sollten genutzt werden. So hat der der Bundestag im Februar 2014 eine großzügige Erhöhung der Abgeordnetenbezüge beschlossen – die Legislaturperiode hatte damals gerade begonnen, da war das Thema schon in trockenen Tüchern, wie man so gern in der Politik sagt. Auch ein Scheitern der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD an der Affäre Edathy hätte die üppige Gehaltserhöhung für die Abgeordneten nicht mehr verhindern können. Nun sollten die Abgeordneten des Bundestages sicherstellen, dass der Bundestag bei einem Scheitern der Koalitionsgespräche und einer deswegen nötig werdenden Neuwahl nicht mehr nach dem bisherigen Regelwerk gewählt wird. Das wäre eine doppelte Blamage. Während die einen feixen, weil sie nun im Bundestag angekommen sind, die anderen ihre Wunden lecken, weil sie Federn lassen mussten, und wieder andere an einem Koalitionsvertrag basteln, um endlich regieren zu können, sollten alle doch eines nicht vergessen: Der nächste Bundestag muss deutlich kleiner werden, wann immer er gewählt wird!
Bildquelle: Copyright Deutscher Bundestag/Achim Melde
Ihren Beitrag teile ich insofern nicht, da ich der Ansicht bin, dass 400 Abgeordnete reichen
ABER: Diesen Traum gönne ich mir alleine. Gleichwohl wäre eine Budgetierung der Gesamtkosten
auf die Höhe der Durchschnittskosten der letzten 10 Jahre doch auch eine Lösung.
Begleitend könnte man die Nebeneinkünfte der A bgeordneten brutto in voller Höhe diesem
Budget zuführen.
Ideen gibt es viele.