US-Präsident Obama und Russlands Präsident Putin haben am Rande der UNO-Konferenz in Ney York miteinander geredet. Na, was denn sonst! Sie sind aufeinander angewiesen, einer allein wird den Kritik in Syrien und alle möglichen Weiterungen im Nahen Osten nicht lösen können. Diese Art von Diplomatie mag nicht jedem gefallen, aber sie muss sein. Man nennt das auch Realpolitik. Willy Brandt hat einst mit dem sowjetischen KP-Chef Breschnew geredet und geredet, nicht weil er ihn liebte, sondern weil es in Moskau keinen anderen Gesprächspartner mit dieser Macht gab. Reden, um das Schießen zu verhindern, um Menschenrechte möglich zu machen, um Grenzen, Mauer und Stacheldraht durchlässiger zu machen. Für die Menschen.
Wandel durch Annäherung, nannte das Egon Bahr, der mit seinem Freund und Kanzler Brandt diese Politik erfand. Sie gefiel nicht jedem. Der damalige CDU-Generalsekretär Volker Rühe machte daraus den Unions-Wahlkampf-Slogan: Wandel durch Anbiederung, eine Polemik, gemünzt auch auf die Gespräche der SPD mit der Ostberliner SED. Später hat man diese Politik gewürdigt und ihr einen wichtigen Anteil zugesprochen auf dem Weg zur deutschen Einheit. Übrigens hat die Wirtschaft diese Politik Brandts sehr geschätzt. Auf dieser Basis konnte man Geschäfte mit den kommunistischen Staaten machen. Wandel durch Handel lautete die Parole der Ökonomen, sie gilt noch heute.
Man muss den Reden beider Präsidenten vor der UNO nicht zu viel Bedeutung beimessen. Beide machten sich gegenseitig Vorwürfe, versagt zu haben. Beide haben irgendwie Recht. Es spielt keine Rolle, wer hier mehr Recht hat, wer hier mehr Fehler auf dem Konto hat. Obama weiß sehr wohl, dass der Krieg im Irak, angezettelt von seinem Amtsvorgänger Bush, ein Riesenfehler war, wieder mal hat eine militärische Invasion nichts gebracht, außer einen Staat zerlegt in seine Einzelteile. Niemand hat dabei an die Zukunft des Irak gedacht, daran, wer denn nach dem Ende der Kampfhandlungen das Land führen soll. Und niemand hat bedacht, was denn aus Libyen wird nach Gaddafi, was nicht heißt, diesen zweifelhaften Politiker und Diktator reinzuwaschen.
Gute Geschäfte der Wirtschaft
Das Mullah-Regime im Iran hat in der Vergangenheit schwere Fehler gemacht, die Erstürmung der US-Botschaft in Teheran war ein Verbrechen. Darüber gibt es keinen Zweifel. Washington hat deshalb über den Iran einen Boykott verhängt, das dem eigentlich an Rohstoffen reichen Land im Mittleren Osten schwer geschadet hat. Nach zig-Jahren Embargo und dem erbitterten Streit wegen der Atom-Politik des Iran ist Teheran wieder an den Gesprächstisch zurückgekehrt, die Deutschen haben dabei zwischen Amerika und Teheran vermittelt oder besser mitgeholfen, Brücken zu bauen, über die beide Seiten gehen konnten. Die Menschen im Iran haben das Ende der Boykott-Politik herbeigesehnt, unter der sie gelitten haben. Hier ist viel Hoffnung im Spiel, auch die deutsche Wirtschaft hofft auf gute Geschäfte.
Mit Putin zu reden, bedeutet nicht, die Annexion der Krim durch Moskau im Nachhinein zu billigen. Aber diese Annexion darf den Westen nicht hindern, mit Putin über eine Lösung in Syrien zu reden. Dort ist Russland eine Macht und Putin ist der Präsident von Russland. Er hat Kontakte zu Assad, ob er dessen Freund ist, lassen wir mal beiseite. Aber er lobt Assad wegen dessen Kampfes gegen die Terroristen des IS. Und dieser IS ist eine Gefahr für den gesamten Nahen und Mittleren Osten und möglichweise auch für andere Gebiete.
Assad, der fürchterliche Diktator
Beim Namen Assad kriegen nicht wenige einen dicken Hals und werden wütend ob dessen Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Assad ist ein fürchterlicher Diktator, der Fassbomben auf seine eigenen Leute werfen lässt. Der seit vier Jahren tobende Bürgerkrieg hat bisher eine Viertelmillion Syrern das Leben gekostet, hat weite Teile des Landes in Schutt und Asche gelegt. Aber Assad ist immer noch an der Macht, alle Versuche, ihn kaltzustellen oder aus dem Amt zu bomben, sind fehlgeschlagen.
Die Folgen des syrischen Bürgerkriegs bekommen seit einiger Zeit auch wir Europäer, auch die Deutschen zu spüren. Millionen Syrer sind auf der Flucht, mindestens vier Millionen haben das Land verlassen, viele sind in die Türkei geflüchtet, Tausende und Abertausende haben es nach Europa geschafft, auch nach Deutschland. Und Tausende und Abertausende sind auf dem Weg hierher.
Bürgerkriegs-Flüchtlinge aus Syrien bekommen in Deutschland Asyl, das sichert ihnen das Gesetz zu. Und das wird auch so bleiben. Aber mehr und mehr könnte der Flüchtlingsstrom, diese Völkerwanderung zu einem Problem sogar für Deutschland werden. Wir sind am Limit, stöhnen die Mitarbeiter vom Roten Kreuz, der Caritas, der Freiwilligen Feuerwehr, stöhnen die Tausenden von freiwilligen Helfern, die Tag für Tag mit anpacken, damit Flüchtlinge hier aufgenommen, registriert, verteilt, medizinisch versorgt und ernährt werden können, damit sie ein Dach über dem Kopf haben, auch wenn es nur das Dach einer Turnhalle ist.
Man muss an die Ursachen der Flucht ran
Noch ist die Stimmung hierzulande insgesamt positiv, aber die kritischen Stimmen zur Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel häufen sich. Entsprechende Attacken von CSU-Chef Seehofer finden nicht mehr nur die Zustimmung des rechten Stammtisches. Das „Wir-packen-das“ der Kanzlerin wird angezweifelt, der Bundespräsident formuliert die Ängste der deutschen Bürger. Nur lassen sich Grenzen nicht so einfach dichtmachen, besser man geht an die Ursachen heran.
Aber wer das Problem an der Wurzel anpacken will, muss versuchen, zum Beispiel das Übel in Syrien zu lösen. Das geht nur mit Assad, er ist da, er hat die Macht, er hat das Sagen. Mit ihm muss man reden. Dazu braucht man Putin. Ob man Putin trauen kann, fragen sich seine Kritiker und seine Gegner. Das gleiche Misstrauen wird Assad entgegengebracht. Zu Recht. Aber es hilft uns nicht weiter. Wir müssen es versuchen. Und wenn es stimmt, dass sich Putin eine Zukunft Syriens ohne Assad vorstellen kann-mittelfristig-, dann muss dieser Weg gegangen werden.
Klar ist, viele der syrischen Flüchtlinge, die hier Asyl bekommen, die hier die deutsche Sprache lernen, eine Aus-oder Umbildung erfahren, damit sie einen Job bekommen, von dem sie leben können, werden auch hier bleiben wollen. Die deutsche Wirtschaft braucht Arbeitskräfte, sucht Fachkräfte, was nicht auf jeden Syrer zutrifft. Diese Flüchtlinge werden Assad nicht über den Weg trauen. Andere werden auf die Zeit nach Assad warten, ehe sie vielleicht mit dem Gedanken spielen, in die Heimat zurückzukehren. Und ein Ende des Flüchtlingsstroms aus Syrien ist ohne ein Ende des fürchterlichen Bürgerkriegs nicht denkbar. Und auch dazu braucht man Assad und Putin.
Bildquelle: Wikipedia, kremlin.ru, CC BY 3.0
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