Es ist ein Wahlsieg der CDU und vor allem einer der Grünen, und es ist natürlich für die SPD ein enttäuschendes Ergebnis, das schlechteste bei einer Landtagswahl seit Bestehen des Landes NRW. Es ist mindestens eine Schlappe für Olaf Scholz, der sich im Wahlkampf stark engagierte und im Grunde nichts erreichte. Zu den Verlierern zählt die FDP, sie hat ihre Rolle als Königsmacherin verloren an die Grünen. Und sie spielt ja auch eine merkwürdige Rolle, wie sich beim Tempolimit gezeigt hat und in der Impfpflicht-Debatte. Man denke nur an Wolfgang Kubicki. Die AfD hat leider, sage ich dazu, den Einzug in den Landtag geschafft. Die Linke ist weg vom Fenster, in NRW hat sie sich überflüssig gemacht. Und trotz mancher Klarheiten ist nicht geklärt, wer denn nun das bevölkerungsreichste Land regieren wird. Klar ist hierbei eins: Schwarz-Gelb ist abgewählt.
Kopf-an-Kopf-Rennen hatten uns die Meinungsforscher suggeriert. Nichts ist es damit geworden, die CDU hat die SPD abgehängt. Die CDU, das ergab die Analyse, hat auf den letzten Metern der FDP viele Stimmen abgenommen und ist deshalb erstarkt- zu Lasten des Regierungspartners. So kann es gehen, wenn man eine Zweit-Stimmen-Kampagne macht. Um das klar zu stellen: Das ist nicht verboten. Hendrik Wüst, der Wahlsieger von gestern, könnte schon morgen etwas komisch aus der Wäsche schauen, wenn er sich tot gesiegt haben sollte. Heißt: Wenn die Grünen lieber mit der SPD regieren als mit der Union dazu noch die FDP gewinnen. Ausschließen würde ich hier mal gar nichts. Denn das Gerede mit dem Regierungsauftrag ist Unsinn. Den gibt es nicht, für eine Regierung braucht man eine Mehrheit. Punkt.
Keine Ansprüche stellen
Es ist ein Tag der Grünen, die dreimal soviele Wählerinnen und Wähler auf ihre Seite ziehen konnten und wie erwartet darüber entscheiden werden, wer in die Düsseldorfer Staatskanzlei einzieht. Aber ob Mona Neubaur eher Thomas Kutschaty zum Ministerpräsidenten macht? Überhaupt: Hat eine Partei, die so schlecht abgeschnitten hat wie jetzt die SPD, das Recht, Ansprüche zu stellen? Wie Kevin Kühnert, der Generalsekretär der SPD in Berlin, das kaltlächelnd formulierte. Motto: Wenn es geht, werden wir es machen. Geht das denn, ist das anständig? Letzteres sollten wir sofort wieder streichen, in den Parteizentralen wird anders gedacht, kühl, immer den Vorteil der eigenen Partei im Blick und damit auch seinen eigenen. Gute Verlierer? Können Sie auch streichen.
Schwarz-Grün, das ist wahr, hätte eine breite Mehrheit, aber ob die Grünen-Anhänger dies goutieren werden? Die Mehrheit der Grünen ist für eine Koalition mit der SPD, aber dies setzt voraus, dass es dafür auch eine Mehrheit gibt. Für viele Medien vor allem in Berlin ist Schwarz-Grün ohnehin seit Jahr und Tag die Wunschkoalition. Nachdem dieser Traum bei der Bundestagswahl geplatzt ist, winkt jetzt Düsseldorf. In den Augen mancher Journalisten der sogenannten Leitmedien leuchtet es bei solchen Gedanken. Bevor es so weit ist, falls es so kommt, wird es heftige Debatten geben in den Reihen der Grünen. Aber andererseits sind viele Grüne inzwischen so pragmatisch und auch auf die Macht fixiert, dass sie Hendrik Wüst mitwählen würden, wenn der die passenden Geschenke dazu liefert. Das ist nicht nur die Frage des Kohle-Ausstiegs, das ist auch die Frage der Windenergie, überhaupt der umweltschonenden Energie, die Frage des Klimas, der Verkehrswende. Die Frage der Ministerien, die sie führen können, lukrative Ämter an anderen Orten winken, wenn man an der Regierung ist. Opposition, hat einer der Alten, Franz Müntefering, mal gesagt, ist Mist. Regierung ist Macht, damit kann man Einfluss nehmen, Veränderungen herstellen. Und wäre nicht Schwarz-Grün etwas für Morgen? Und dann mit dem neuen Mann der CDU, der die Macht am Rhein verkörpert? Sie werden lachen, aber die Frage des nächsten Kanzlerkandidaten wurde von Journalisten schon vor der NRW-Wahl gestellt.
Scholz mangelnde Kommunikation
Die SPD hat die Wahl verloren, weil die Strategie von Thomas Kutschaty nicht aufgegangen ist: Er wollte, das wurde auch plakatiert, Bund und Land Hand in Hand regiert wissen. Deshalb die Auftritte von Olaf Scholz in NRW. Beide konnten im Sinne der SPD die Wählerinnen und Wähler nicht mobilisieren. Die Wahlbeteiligung ging um rund zehn Prozentpunkte zurück, darunter litt vor allem die SPD. Das muss sich der Kanzler anhören, das muss sich der Herausforderer hinter den Spiegel stecken. Die klassische SPD-Klientel konnten Kutschaty und Scholz nicht zu den Wahlurnen bringen. Bei Scholz fehlt es doch sehr an der nötigen Kommunikations-Bereitschaft, am Willen, seine Politik den Menschen zu erklären.
Berliner Probleme kommen hinzu. Der Fall der Verteidigungsministerin Lambrecht hängt wie ein Klotz am Bein der Ampel-Regierung. Die Ministerin, so schrieb der Spiegel pünktlich vor der Wahl auf, sei nicht im Stoff, sei nicht interessiert, kurzum sie habe keine Ahnung von dem wichtigsten Ressort. Und das in einer Zeit, da der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist und die Ukraine sich mit allen Kräften und Waffen gegen die Übermacht der Russen zur Wehr setzt. Und dann noch der Fall ihres Sohnes, der mit der Mutter-Ministerin im Hubschrauber der Flugbereitschaft Richtung Küste fliegen darf. Lassen wir die Umstände weg, die ich sowieso in dieser Form nicht für stichhaltig halte. Wieder mal hat eine Ministerin gegen jede Art von Stil verstoßen und der Politik, in diesem Fall der SPD und dem Kanzler einen Bärendienst erwiesen. Sie wird kaum zu halten sein.
Nächste Wahl in Niedersachsen
Friedrich Merz, der neue alte CDU-Chef, wird jubeln. Nach Schleswig-Holstein nun der zweite Erfolg der CDU in NRW. Das stärkt seine Position in der Partei und im Bundestag. Die Ampel-Regierung wird das zu spüren bekommen. Zumal wir im Herbst die nächste wichtige Landtagswahl haben: in Niedersachsen. Der dortige Ministerpräsident Stephan Weil ist zwar im Land bekannt und beliebt, aber der Wind hat sich wohl gedreht, erst an der Küste, jetzt in NRW. Es wird spannend, auch weil wichtige Fragen zu klären sind. Die Pandemie ist nicht vorbei und der Krieg in der Ukraine auch nicht. Und mit diesem Krieg gibt es weitere Probleme zu lösen, wie die Aufnahme der Flüchtlinge, eine drohende Energiekrise, an manchen Regionen der Welt fehlt es an Wasser und Nahrungsmitteln. Die Bundeswehr soll ertüchtigt werden, damit sie wieder eine Armee ist, die in der Lage ist, ihren Auftrag zu erfüllen. 100 Milliarden Euro hat der Kanzler zugesagt, woher die kommen sollen und was damit zu geschehen hat, weiß offensichtlich niemand.
Und bei der Aufzählung von Bundes-Themen haben wir die täglichen Sorgen der Menschen in NRW und anderswo fast vergessen. Sie beginnen mit einer bezahlbaren Wohnung, mit einem Job, der ihnen ein einigermaßen vernünftiges Leben ermöglicht, sie setzen sich fort mit dem Verkehr, der vieles zum Stillstand bringt und dies täglich, sie hören nicht bei der Bildung auf, über die Politiker gern im Wahlkampf reden, das Thema danach aber vergessen. Dabei sind viele unsere Schulen ein Armutszeugnis der Politik. Dass das so ist, dafür tragen sie alle Verantwortung.
Dass nur 56 Prozent der Wahlberechtigten gewählt haben, ist traurig. Vielleicht denken Politiker mal über diese Gründe nach und über die Klagen von Menschen, die Politiker erreichten sie nicht mehr.
Letzter Gedanke: wie wäre es denn, wenn die Grünen in NRW die Ministerpräsidentin stellten, mit Mona Neubaur? Gewählt von SPD und FDP? Geht nicht, gibts nicht. In Israel haben die verschiedenen Parteien mal verabredet, dass sie zur Hälfte der Legislaturperiode den Regierungschef wechseln. Auf NRW gemünzt: Jeder darf zweieinhalb Jahre. Im übrigen widerspreche ich dem Argument von Hendrik Wüst, seine schwarz-gelbe Koalition habe gut regiert. Die Wahl-Analyse in der ARD brachte anderes zutag: Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger war mit der Leistung der Regierung aus CDU und FDP nicht zufrieden.
Bildquelle: Wikipedia, Mbdortmund, GFDL-1.2