Das überrascht nun doch. Der immer noch ein wenig neue Ministerpräsident Hendrik Wüst(CDU), übrigens Nachfolger von Armin Laschet, den viele gar nicht mehr kennen, nehme ich an, mag noch so strahlen und in die Kameras lächeln, sich als Sprecher der Länder-Regierungschefs hervortun, die von ihm geführte Koalition aus CDU und FDP in NRW hätte im Moment keine Mehrheit, wenn jetzt der neue Landtag gewählt würde. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Forsa im Auftrag von 39 Zeitungstiteln im Land, die unserem Blog zugespielt wurde. Die Befragung, die am Donnerstag offiziell veröffentlicht wird, ist die dritte von geplanten vier NRW-Checks, die in regelmäßigen Abständen bis zur Landtagswahl am 15. Mai durchgeführt werden.
Die CDU käme laut dieser Erhebung zwar auf 32 vh der Stimmen, die SPD erreichte nur 27 vh, die Liberalen hätten schlappe 8 Prozent, die Grünen als drittstärkste Kraft könnten immerhin 17 vh der Stimmen für sich verbuchen. Aber was hilft das, wenn es nicht fürs Regieren langt? Das hatten wir schon des öfteren, Helmut Kohl, Franz-Josef Strauß seien hier erwähnt, sie lagen bei einer Wahl vorn und landeten auf der Oppositionsbank. Zurück zu NRW und zur aktuellen Umfrage, die ernüchternd ist für die Christdemokraten. Zum Beispiel konnte der neue CDU-Chef Friedrich Merz keine Impulse setzen. Wie auch, der Mann ist ja nicht wirklich neu, Angela Merkel hatte ihn schon Anfang der 2000er Jahre im Fraktionsvorsitz der Union ersetzt. Dann hatte er die Politik verlassen, Millionen verdient in der Wirtschaft, dann war er zurück geeilt in die Politik und hatte reihenweise Abstimmungen um die Führung der CDU verloren. Ehe er in einem Nachspiel den Sprung aufs Podium schaffte.
In NRW käme nach dieser Umfrage eine regierungsfähige Mehrheit z. B. durch ein Bündnis aus CDU und SPD zustande, was man fast ausschließen kann, ebenso reichte es für ein Bündnis aus CDU und Grünen, was politische Beobachter im Lande für unwahrscheinlich halten, weil CDU und Grüne meilenweit auseinanderlägen. Denkbar wäre eine Dreier-Koalition wie in Berlin aus SPD, den Grünen und der FDP. Womit Hendrik Wüst zum Oppositionschef absteigen und sein Herausforderer Thomas Kutschaty(SPD) zum Ministerpräsidenten aufsteigen würde. Die Linke würde mit drei vh der Stimmen erneut den Einzug in den Landtag verpassen, die rechtsradikale AfD erzielte 7 vh der Stimmen. Doch so weit ist es noch nicht.
Stimmungslage im Bund
Das Ergebnis im bevölkerungsreichsten Land hat immer eine besondere Bedeutung. In NRW leben über 18 Millionen Menschen(von rund 82 Millionen im Bund). Die Zahlen im Land weichen leicht ab von den aktuellen Zahlen im Bund, wo die SPD durch den Amtsbonus von Bundeskanzler Olaf Scholz wieder mit 29 vh der Stimmen stärkste Partei wäre vor der leicht erholten CDU mit 28 vh. Die Stimmungslage im Bund hat sich seit der Wahl im September für die Grünen etwas verbessert, was wohl auf die beiden Minister Annalena Baerbock und Robert Habeck zurückzuführen sein dürfte, FDP, Linke und AfD büßen dagegen ein paar Stimmen ein.
Die Autoren der Forsa-Umfrage-(Forsa wird von politischen Beobachtern gemeinhin dem Umfeld der Union zugerechnet) heben hervor, dass die seit 2017 regierende NRW-CDU über einen Landes-Bonus verfüge, während die oppositionelle SPD schlechter bewertet werde als bei der letzten Bundestagswahl. Das mit dem Bonus kann so sein, der Bonus kann sich aber auch verflüchtigen, vor allem dann, wenn die Regierung und ihr Chef auf bestimmen Feldern nicht immer überzeugend wirken. So geschehen in der Corona-Pandemie, wo man kürzlich die Karnevals-Feierlichkeiten nicht gänzlich abgeblasen hat mit der Folge, dass danach die Inzidenz-Zahlen wieder in die Höhe schossen. Ähnlich die Entwicklung durch die Öffnung der Fußballstadien für die Vereine der Bundesliga. Auch in anderen Bundesländern zog man Lockerungen den Einschränkungen des öffentlichen Lebens vor. Mit ähnlichen Folgen.
Mit der Arbeit der Landesregierung sind 46 vh der Menschen im Land zufrieden, das sind 15 vh mehr als bei der Erhebung im Dezember. Hendrik Wüst kommt sogar auf einen etwas höheren Wert: 47 vh sind mit seiner Arbeit zufrieden. Allerdings sind auch 37 vh der Befragten mit Wüst weniger oder gar nicht zufrieden. Der Mann ist ja nicht unumstritten und er hat ja eine Vorgeschichte, die mit der Entlassung des damaligen CDU-Generalsekretärs Wüst durch den früheren Ministerpräsidenten Rüttgers ihren unrühmlichen Höhepunkt fand. Zur Erinnerung: Rent-a-Rüttgers als Beispiel. Oder die Video-Beobachtung von Hannelore Kraft durch die Christdemokraten. Peinlich- in einem demokratischen Staat. Wüst galt als Rauhbein, später, als er aufstieg in NRW, bezeichnete er sich selber als erwachsen. Wüst war früher Verkehrsminister und als solcher für den Stau im Land und den Zustand der Autobahnbrücken verantwortlich. Wahrlich keine Erfolgsgeschichte.
Könnten die NRW-Wahlberechtigten ihren Ministerpräsidenten direkt wählen, läge er mit 37 vh klar vor Kutschaty mit 21 vh. Das könnte damit zusammenhängen, dass 90 vh der CDU-Anhänger hinter Wüst stehen, Kutschaty kommt bei seinen Sozialdemokraten auf gerade mal 52 vh. Den SPD-Landesvorsitz musste sich der Essener SPD-Mann und Fraktionschef im Landtag erst gegen Sebastian Hartmann erkämpfen. So ganz fein war das nicht. Überzeugt hat Kutschaty bisher nicht.
Krieg die größte Sorge der Menschen
Die Stimmung in NRW kann sich bis zur Wahl noch verändern, wenn der Krieg in der Ukraine weiter anhält oder sogar an Schärfe zunehmen sollte. Schon heute ist dieser Krieg die größte Sorge für die Menschen in NRW, das sagen laut der Umfrage immerhin 21 vh. Eine große Mehrheit der Menschen in NRW ist für die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine auch in ihrer eigenen Gemeinde. Die große Mehrheit ist auch für die Waffenlieferungen an die Ukraine wie für die deutliche Erhöhung des Wehretats, wie sie der SPD-Bundeskanzler Scholz angekündigt hat. Skeptischer stehen viele Menschen den Sanktionen des Westens gegen Russland gegenüber. Erstaunlich, dass eine ebenso große Mehrheit ungeachtet der Schrecken des Krieges und der Bomben der Russen auf ukrainische Häuser dafür sind, Kontakte und Gespräche mit Russland fortzuführen. Entspannungspolitik a la Willy Brandt.
Politische Beobachter schauen, wenn sie an die NRW-Wahl denken, zunächst gespannt auf die Landtagswahl im Saarland, die am 27. März stattfindet. In Umfragen rangiert die SPD mit der Spitzenkandidatin Anke Rehlinger klar vor der CDU mit Ministerpräsident Tobias Hans. Ein Sieg der SPD im kleinen Saarland könnte die Stimmung auch im Bund verändern. In Saarbrücken regieren CDU und SPD in einer Groko zusammen. Zur Erinnerung: 2017 vergeigte die SPD zuerst die Wahl an der Saar, anschließend verlor sie in Schleswig-Holstein, danach in NRW und schließlich im Herbst im Bund. Dieses Mal sind die Karten anders gemischt: die SPD hat die Bundestagswahl gewonnen und sie könnte auch das Rennen im Saarland für sich entscheiden. Und dann wird man sehen. Am 8. Mai wird in Schleswig-Holstein gewählt, dort regiert eine Jamaika-Koalition unter Daniel Günther(CDU)-das Rennen scheint offen-, eine Woche später ist NRW dran und am 9.Oktober wird der neue Landtag von Niedersachsen gewählt. Dort gibt es eine große Koalition aus SPD und CDU mit dem SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil. Eine vor Tagen veröffentlichte Umfrage sah die SPD mit über 34 Prozent klar vor der CDU mit 27,5 und den Grünen mit gut 15 vh.