Der Rücktritt von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser beschert der NRW-CDU wenige Wochen vor der Landtagswahl heftige Turbulenzen. Am Donnerstag musste die Kölner CDU-Frau zugeben, dass sie nach der Flutkatastrophe am 14. Juli 2021 weit länger auf Mallorca in Urlaub war als im Untersuchungsausschuss des Landtags zugegeben. Das Fass zum Überlaufen brachten Recherchen des „Kölner Stadtanzeiger“, nach denen sie eingestand, statt nach der Jahrhundert-Katastrophe mit 48 Todesopfern in NRW vor Ort zu sein, am 24. Juli mit Freunden den 76. Geburtstag ihres Mannes auf der Ferieninsel gefeiert zu haben. Geschmacklosigkeit genug! Aber steckt in der Argumentation „Geburtstagsfeier“ nicht erneut Unwahrheit, mit der eine noch weit größere Instinktlosigkeit verdeckt werden soll? Salamitaktik über den Rücktritt hinaus!
Die Gästeliste lässt vermuten, dass es bei dem Treffen weniger um ein harmloses Geburtstagsessen ging als vielmehr darum, ungeachtet der politischen Aufgaben, die zur Bewältigung der Katastrophen vor Ort notwendig waren, politische Weichenstellungen für die Zukunft der NRW-CDU auszuloten.
Zur Erinnerung: Im Juli letzten Jahres sah in den Umfragen noch alles danach aus, als könnte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet bei den Bundestagswahlen als Sieger ins Ziel gehen. Und in der Landespartei hatte längst der Kampf um sein politisches Erbe begonnen. Hendrik Wüst, den Wählern kaum bekannter Verkehrsminister, machte sich Hoffnungen, aber den Westfalen wollten große Teile der Partei verhindern. Die Berichterstattung von damals ließ erkennen, dass Wüst auch nicht der Favorit Laschets war. Der wähnte sich als vermutlicher Kanzler stark genug, in der Nachfolge das entscheidende Wort mitreden zu können.
Hoffnung auf das Amt als MP machte sich auch Ina Scharrenbach, im Kabinett mit dem breiten Ressort, Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung betraut. Ihr Problem: Sie gehörte dem Landtag seit 2017 nicht mehr an, hätte also vor der Wahl im Mai 2022 nicht Ministerpräsidentin werden können, da die Landesverfassung Mitgliedschaft im Parlament vorschreibt. Deshalb wurde spekuliert, ob man nach Ausscheiden Laschets einen Übergangs-MP als Statthalter für den oder die Wunschkandidatin installieren könne. Dass Ina Scharrenbach nur als privater Gast bei der „Geburtstagsfeier“ auf Mallorca dabei war: ein Schelm, der Böses dabei denkt. Mit von der Partie auch die Laschet-Vertraute Serap Güler, Staatssekretärin für die Aufgaben Flüchtlinge und Integration. Als Dritter im Bunde war bei dem Treffen auch der in der NRW-CDU gut vernetzte Europaminister im Laschet-Kabinett, Stephan Holthoff-Pförtner, geladen.
Eine illustre Ansammlung von NRW-Kabinettsmitgliedern, nach Bekanntwerden in der letzten Wochen in Düsseldorf verspottet als „Ballermann-Kabinett“.
Während Heinen-Esser schmallippig ihren Rücktritt nach einem kaum freundlichen Signal des Kabinettchefs damit begründete, ihre Familie zu schützen, gingen Güler und Scharrenbach in Schutt und Asche. „Pietätlos und falsch“, twitterte die eine. Scharrenbach erklärte: „Ich bin seit 2017 exakt einmal privat ins Ausland geflogen – zweieinhalb Tage, aber es waren schlicht und einfach die falschen. Ich ärgere mich unendlich durch den Eindruck, den ich durch diese zwei Tage erweckt habe“.
Ärgert sie sich darüber, weil sie nach der Flutkatastrophe wichtige Aufgaben im Land vernachlässigt oder weil sie damit ihre Zukunft in einem möglichen Kabinett Wüst nach den Maiwahlen gefährdet hat. Denn als der in der letzten Woche von dem Treffen erfuhr, wusste er, dass die kleine Kabinettsrunde an diesem 24. Juni auf Mallorca kein Freundeskreis für seine Zukunftsabsichten war. „Dass Heinen-Esser und Scharrenbach nicht zu seinen Unterstützern gehörten, ist Wüst natürlich nicht verborgen geblieben“, urteilte der „Kölner Stadtanzeiger“. PS: Eine wirkliche Entscheidung über das politische Schicksal von Ursula Heinen-Essser können die Wähler in Köln nicht treffen. Sie ist als Landtagskandidatin auf einem guten Listenplatz abgesichert. Die Wahlzettel der Stadt Köln sind gedruckt. Auch der Abschied aus der Politik: Salamitaktik, den die Wähler zähneknirschend hinnehmen müssen.
Bildquelle: Horchatamivida, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons