Es ist ein ungewöhnliches Buch von Franz Müntefering, das im Dietz-Verlag erschienen ist – eine Sammlung von Gedanken, Reimen und Geschichten. „Das ist ein Buch für alle, die „Münte“ kennen und schätzen“, heißt es im Klappentext, „Eine Einladung, über die großen Themen unserer Existenz nachzudenken, ohne sich in die Taschen zu lügen. Eine Verbeugung vor den kleinen, aber entscheidenden Dingen des Alltags. Eine Lesereise mit Herz, Geist und Witz für alle, die auf dem Teppich geblieben sind.“
Der Titel ist von Karl, einem Genossen aus Berlin, dem er vor rund 20 Jahren zum 100. Geburtstag gratuliert hat, erzählt Franz Müntefering, und der ihm auf seine Frage, was er in seinem langen Leben gelernt habe, was das Wichtigste sei, antwortete: „Du musst das Leben nehmen, wie es ist. Aber du darfst es nicht so lassen.“ Münteferings Fazit: „Ich finde, der war klug.“ Karls Lebenserfahrung passe „zur Situation im Lande und in der Welt wie Deckel auf Eimer“. Sein Motto könne unsere Politik jedenfalls gut als Ratschlag gebrauchen.
Neun Kapitel enthält das Buch, 156 Seiten zum Schmunzeln, Nachdenken, zum Überlegen. „Vom Sinn des Lebens“ handelt das Kapitel 1. Kostprobe:
„Kompromisslos konsequent…
…sind nur Heilige und Verbrecher.
Verhindert,
dass diese Sorten Macht bekommen.
Wir brauchen Kompromissfähige.
Die gibt es.
Und gute Kompromisse.
Die gibt es auch.
Wir brauchen beide
in der Überzahl.“
Weiter geht es in den Kapiteln mit „Augenblicke“, „Lebenslang“ über „Das Gelingen von Demokratie“ bis hin zu „Kirche, Religion“ und endet mit „Lebensgeschichten“. Die Texte seien teils verfasst „in der Sprech-Schreibe, mit der ich im Offiziellen sparsam umgegangen bin“, sagt Franz Müntefering. Diese „Sprech-Schreibe“ habe aber auch „den Münte-Sprech mit beeinflusst, den manche bei mir hörten und hören“. Er sei ja „kein Wissenschaftler, der auf Präzision setzt und erklärt“. Außerdem solle das Buch auch „keine politische Rede als Handlungsanleitung“ sein. Vielmehr ginge es ihm darum aufzuschreiben, „was alles wichtig ist und bleibt“. Seine Texte seien „erkennbar auch keine Autobiografie“, aber das Buch behandele „das Leben im Ganzen und dabei Aspekte, die mich immer besonders interessiert haben“. „Wenn das auch noch Spaß am Leben erkennen lässt, finde ich das gut“, sagt er.
„Wer die Liebe zum Leben nicht verliert, gewinnt“, heißt es im Kapitel 2. Und weiter: „(Richtig. Doch – wer sie nicht hat, kann sie nicht verlieren.
Wer sie nicht kennt, vermisst sie eher nicht,
Und wer sie nicht sucht, findet sie nicht)
(Aber: Wer sie sucht, kann sie finden.
Wer ihr begegnet, erkennt sie.
Wer sie vermisst, sucht sie).
Und: Wenn wir sie teilen,
wird sie nicht weniger
und beide gewinnen:
Liebe zum Leben.“
Im Interview mit dem Deutschlandfunk bringt Franz Müntefering sein Motiv für dieses ungewöhnliche Buch auf den Punkt: „Ich schreibe über das Leben und das, was Menschen begegnet.“ Und das ist dann selbstverständlich auch ganz politisch. Das menschliche Leben sei jedenfalls ständigen Veränderungen ausgesetzt, bilanziert er mit der Erfahrung seiner 84 Lebensjahre. „Wir sind permanent in Veränderungen und müssen sie gestalten“, sagt er und nimmt dabei auch und gerade die Älteren mit in die Pflicht.
„Das einzelne Leben darf nicht zertrennt werden in Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft“, schreibt er in der kleinen Erzählung mit dem Titel „Wie lange dauert Gegenwart?“, „Es ist eines! Auch deshalb so wichtig und richtet sich an die ganz Jungen bis zu den Alten und Hochaltrigen: Lebt diese Gegenwart, die nie Stillstand bedeutet, sondern immer Bewegung und Veränderung. Lebt euer ganzes Leben! Lebenslang! Seid und bleibt gegenwärtig.“ Seine Gegenwart, so Müntefering im Deutschlandfunk, dauere jetzt 84 Jahre. Wie sehr ihm an der deutschen Demokratie gelegen, wie wichtig sie ihm ist, wird im Kapitel 7 deutlich, das er mit „Das Gelingen von Demokratie“ überschrieben hat. Dort heißt es:
„Demokratie geht es nicht um den Beweis ihrer Macht, sondern um die Integrität ihrer Ziele und ihres Handelns und deren Erfolg. Sie geniert sich nicht, gut sein zu wollen, und so agiert sie, handelt sie. Gelingt sie. Wenn wir, Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, alle (!), mitreden, mitentscheiden, mitmachen. Das ist keine Frage von Alter, Wohnort, Beruf, Glauben. Von Mitgliedschaft in SPD, Grüne, FDP, CDU/CSU, Linke. Von Partei-Mitgliedschaft überhaupt. Diese Demokratie kann gelingen. Es liegt an uns Demokratinnen und Demokraten in Deutschland.“
Man müsse Werte haben, sagt er im Deutschlandfunk. Der wichtigste Wert, den die Demokratie habe, heiße Gleichwertigkeit aller Menschen. „Alle Menschen gleich viel wert.“ Das sei der Ausgangspunkt für alles, was demokratische Politik machen könne, wolle und müsse. Deshalb müsse sehr darauf geachtet werden, ist sein Appell, „dass da nichts kaputt geht“. Denn „da sind einige in Deutschland unterwegs, die eine ganz andere Vorstellung davon haben“.
Wie ein roter Faden zieht sich die Franz Müntefering eigene Zuversicht über die Gestaltung des Lebens durch das Buch. Ja, es ist lesenswert. Viele Reime und Texte zwingen zum wiederholten Lesen, zum Überlegen, zum Nachdenken. Da steckt eine Menge Lebenserfahrung drin. „Gelebt ist das Leben einmalig“, steht auf der Rückseite des Buches, „Lasst es so. Ihr wisst schon. Keine Alternative. Und ehrlich: Ist doch gut so. Nur die fälligen Veränderungen nicht vergessen.“