So ist die neue Sonderausstellung des NS-Dokumentationszentrums München zum Rechtsextremismus seit 1945 betitelt. Aber gehört hinter dieses „Immer noch“ nicht eher ein Fragezeichen als so ein drastischer Punkt?
Wir sind doch ein freies Land, eine Demokratie – der Rechtsextremismus wurde doch nach 1945 überwunden, oder nicht? Es gibt doch so viele Gedenkstätten zu dem Thema, „echte“ Neonazis gibt es ja auch nur noch ganz wenige. Wenn jemand bei Pegida mitläuft, dann weil er oder sie sich berechtigte Sorgen macht, und für die AfD stimmen ja sowieso nur Protestwähler die einfach nur zu ungebildet sind, um das Wahlsystem zu verstehen. Gut, man kann damit übereinstimmen oder nicht, aber das hat ja nicht wirklich mit Nationalsozialismus zu tun, und der ist ja ohnehin in Deutschland überwunden und verarbeitet. Oder?
Ganz anderer Meinung sind dazu die Vortragenden auf der Ausstellungseröffnung im NS-Dokumentationszentrum München am vergangenen
Dienstag. Winfried Nerdinger, Gründungsdirektor des NS-Dokumentationszentrums, spricht davon, dass aus der Geschichte nicht genug gelernt wurde. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, bekennt, dass sie die Floskel
„Nie wieder“ nicht mehr hören mag, weil sie von Anfang an nicht drastisch genug umgesetzt wurde. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der SZ,weist darauf hin, dass es die so oft beschworene „Stunde Null“ schlichtweg nicht gab – man habe danach einfach weitergemacht wie
bisher. Und Christine Strobl, Bürgermeisterin der Stadt München, stellt fest: Die rechte Gesinnung sei wieder in der Mitte der Gesellschaft
angekommen, habe sich aber inhaltlich nicht verändert.
Sie alle haben Recht: Es wäre viel zu einfach, davon auszugehen, dass sich Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges gänzlich des
nationalsozialistischen Denkens entledigt hätte. Ideologie ist nicht wie ein Hakenkreuz, das man entfernen kann – sie setzt sich fest und formt
unsere Handlungen, bisweilen ohne dass wir es merken. Und die Mitte teilt mehr mit dem rechten Rand als auf den ersten Blick offensichtlich
ist.
Deutlich wird dies in den zehn Stelen der Ausstellung, die die rechte Ideologie darstellen: Antisemitismus und Nationalchauvinismus sind
dabei, worüber sich niemand aus der Mitte brüskieren wird. Aber es ist doch ganz schön unbequem, wenn auf einmal Islamfeindlichkeit in dieser
Liste auftaucht. Wie, was, nur weil ich gegen eine Moschee in der Innenstadt bin, bin ich auf einmal ein Nazi?, braust da mancher gerne
auf. Nein, das sagt auch niemand. Aber diese Ablehnung muslimischer Mitbürger_Innen zeugt von einer nach rechts hin offenen Gesinnung – und
eine solche zeigen ca. 20% der Bevölkerung. Jeder und jede einzelne, der seine latente Menschenfeindlichkeit so ausspricht und sich im Recht
damit fühlt, trägt dazu bei, dass es akzeptabel wird, anderen Menschen mit Gewalt, ob unterschwellig in der Sprache oder mit einem Schlag ins
Gesicht, zu begegnen. Darum müssen solche Übergriffe auch stetig benannt und sanktioniert werden. Diese Ausstellung legt den Finger in die Wunde und ist aktueller denn je.
„Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. – Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945“
29.11.2017 – 02.04.2018 im NS-Dokumentationszentrum München.
Eintritt: 5€ regulär, 2,50 € ermäßigt, kostenfrei für Jugendliche unter 18 Jahre.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 19.00 Uhr
Rundgänge durch die Sonderausstellung jeden Dienstag außer Feiertage um 17:30
Bildquelle: Wikipedia, Rufus46, CC-BY-SA-3.0