Der Kanzler hat Recht. Keine Raketen vom Typ Taurus an die Ukraine. Mit ihrer Reichweite von 600 Kilometern könnten sie Moskau erreichen. Das wäre ein Fest für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, wenn er die Propaganda-Maschine damit füttern könnte. Hitlers Wehrmacht hatte mit dem Unternehmen „Barbarossa“ am 22. Juni 1941 den Überfall auf die Sowjetunion begonnen, im Oktober begann der Vorstoß auf Moskau. Deutsche Soldaten mitsamt ihren Panzern kamen bis an den Stadtrand der sowjetischen Metropole heran. Das Denkmal Jeschi, 1966 eröffnet, markiert den der russischen Hauptstadt nächstgelegenen Ort, 23,7 Kilometer vom Kreml entfernt.
Es war in den Berliner Medien zur Mode geworden, die Ampel für alles, was ihnen nicht passte, verantwortlich zu machen. Begleitet wurden sie dabei von dem Gedröhne aus München, aus dem Mund des Möchte-Gern-Kanzlers, der aber immer noch nur bayerischer Ministerpräsident ist und dies wohl auch bleiben wird. Jetzt, da die Ampel Geschichte ist, bleibt Olaf Scholz der Angriffspunkt. Dass er es abgelehnt hat, der Ukraine Taurus-Raketen zu liefern, nachdem der scheidende US-Präsident Joe Biden dem bedrängten Land gestattet hat, mit US-Raketen russisches Gebiet zu beschießen, stößt mal wieder auf Kritik durch Politiker der CDU, der Grünen und mancher Journalisten, die es einfach besser wissen. Seit Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine sind aus Hauptstadt-Korrespondenten Militär-Experten geworden, eine ähnliche Entwicklung nahmen Politiker der Grünen, wie zum Beispiel Anton Hofreiter, früher ein Landwirtschafts-Experte, heute ist der Mann ein Waffen-Fachmann, der jeden Panzer persönlich kennt Ähnlich die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann, die heute im Europa-Parlament sitzt, die aber immer noch sich zu jeder Frage, die mit Militär zu tun hat, zu Wort meldet. Und selbstredend hätte Scholz Taurus längst liefern müssen.
Abrüstung, Frieden, Diplomatie
Wir kennen diese Debatten seit Beginn des Krieges. Der Kanzler hat zwar als erste Reaktion auf den Überfall Russlands auf Kiew die Zeitenwende eingeleitet, er hat ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro gefordert und durch den Bundestag beschließen lassen, er hat in seiner viel beachteten Zeitenwende-Rede im Parlament damals angekündigt, dass der Wehr-Etat ausgeweitet werde und Deutschland die von der Nato für alle Mitgliedsstaaten verlangen Zwei-Prozent des Bruttosozialprodukts ab sofort einhalten oder sogar erweitern werde. Ankündigungen, Beschlüsse, die von der SPD fast geschlossen mitgetragen wurden, die auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, eher ein Anhänger einer Politik der Abrüstung, des Friedens und von begleitender Diplomatie. Nach den USA liefert Deutschland der Ukraine die meiste Hilfe, die meisten Waffen, das meiste Geld, es hat 1,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Und doch reicht das in den Augen der Kritiker nicht aus, sie fordern mehr Waffen, weiter reichendere Waffen, Flugzeuge, Raketen, die auf russisches Territorium abgeschossen werden sollten.
Olaf Scholz hat sich in diesem Bereich stets als der besonnene Politiker erwiesen, lieber hat er noch gezögert und nachgedacht, das eine und das andere Mal mit Putin telefoniert, um herauszufinden, ob es eine Chance auf Verhandlungen gibt, um den Krieg zu stoppen, damit das Töten und Zerstören aufhört. Die Politik von Scholz war immer darauf ausgerichtet, eine Ausweitung des Krieges zu verhindern. Deutschland hilft bis an die Grenze des Möglichen, aber es soll nicht in den Krieg verwickelt werden, keine Soldaten der Bundeswehr an die Front geschickt werden. Ähnlich die Haltung von Rolf Mützenich, den die „Kaliberexperten“ heftig kritisierten, weil der SPD-Fraktionschef mal den Gedanken in die Debatte geworden hatte, den Krieg einzufrieren. Nie war davon die Rede, dass man sich Putin ergeben, sich diesem und seinem Regime unterwerfen werde. Es soll keinen Diktatfrieden geben. Aber schon, wer diesen Gedanken äußert, findet sich in der Ecke der Putin-Versteher wieder. Immer wieder wird die frühere Russland-Politik der SPD vorgehalten, dabei haben alle davon profitiert, haben alle auch in der Wirtschaft gern das billige russische Öl und Gas gekauft. Jetzt wird mit dem Finger auf die gezeigt, die damals politische Verantwortung trugen. Auch die Kanzlerin Angela Merkel wird kritisiert. Ja, im Nachhinein weiß man stets alles besser.
Es ist unbestreitbar, dass sich die geopolitische Lage verändert hat und weiter verändert. Wir müssen uns auf einiges gefasst machen, wenn der künftige US-Präsident Trump die Geschäfte im Weißen Haus übernimmt. Niemand kennt den unberechenbaren Egomanen, niemand weiß, was er wirklich vorhat, ob er gleich mit Putin redet und sich über Nacht mit dem Despoten verständigt. Es ist gut vorstellbar, dass einer wie Trump einem wie Putin gefällt und umgekehrt. Vor allem, wenn der Amerikaner die NATO schwächen will, die USA sich zurückziehen, weil sie sich mehr von Geschäften im Pazifischen Raum versprechen. Möglich, dass ein Kanzler Friedrich Merz, wenn denn die Union die Wahl gewinnt und der CDU-Chef zum Kanzler gewählt wird, gut mit Trump kann. Was noch lange nicht heißt, dass dann ein Kanzler Merz auch alles vollzieht, was heute so aus der Sicht der Opposition verlangt wird.
Russisches Territorium
Die USA, Großbritannien und Frankreich- mit der früheren UdSSR die ehemaligen Alliierten gegen Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg- werden also der Ukraine die Erlaubnis erteilen, Landstreckenwaffen gegen Ziele auf russischem Territorium abzuschießen. Die Ukraine habe das Recht, so der französische Außenminister Jean-Noel Barrot, sich auch mit weitreichenden Waffen gegen den russischen Aggressor zu verteidigen auch mit Angriffen auf Ziele in Russland. Dagegen betonte der Kanzler: „Ich habe ganz klare Gründe, warum ich diese Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern …nicht für richtig halte.“ Wumms, könnte man in der Sprache von Scholz anfügen. Recht hat er. Niemand weiß, wie man auch nach 1000 Tagen diesen furchtbaren Krieg beenden kann, auch nicht durch Waffen, auch nicht durch 50 Taurus-Marschflugkörper.
„Es gibt keine Gerechtigkeit im Krieg„, lese ich gerade im Kommentar des Herausgebers der „Neuen Westfälischen“(Bielefeld), Klaus Schrotthofer. „Über Tod und Zerstörung entscheidet nicht das Recht, sondern der Stärkere. Die Stärke wiederum hängt ab von den Möglichkeiten und der Entschlossenheit der Beteiligten. Es gibt viele Länder, in denen Not und Gewalt herrschen, wo Grenzen willkürlich verschoben oder missachtet wurden, weil der Stärkere sich das Recht unterworfen hat. Ist das gerecht? Natürlich nicht. Es ist so ungerecht und so grausam wie der Überfall auf die Ukraine“.
Deshalb unterstützen wir die Ukraine und weil wir um unsere eigene Sicherheit fürchten, weil ein Aggressor in Europa gewaltsam Grenzen verschiebt, Frauen vergewaltigen und Kinder entführen, Städte in Grund und Boden bombardieren lässt. Deshalb steht Deutschland an der Seite Kiews, gibt viel Geld an die Ukraine, liefert Waffen, nimmt Flüchtlinge auf. Übrigens hat der Panzer „Leo 2“, auch schon mal als Wunderwaffe hochgejubelt, den Krieg nicht beenden können. Zumindest bis jetzt nicht. Es heißt, die russischen Truppen seien auf dem Vormarsch, genau beurteilen können wir das von hier aus nicht. Klar ist, dass Putin das riesengroße Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, das geht leicht in einer Diktatur. Putin hebt den Arm oder den Daumen und fertig ist es. Nachschub soll er bekommen aus dem Iran, auch eine Diktatur, aus China, dessen KP-Regime berüchtigt ist, Nordkorea hat Soldaten an die Front geschickt, Söldner. Nordkorea, ein Land, das seine eigenen Leute am Hungertuch hält, ein verächtliches Regime, das Menschenrechte für ein Fremdwort hält.
Risiko Atomkrieg
Wer den Krieg gewinnt? Olaf Scholz hat die kluge Formel gewählt: „Russland darf den Krieg nicht gewinnen.“ Damit der Stärkere für seine Schweinereien am Ende noch belohnt wird? Der Westen geht nicht mit dieser Entschlossenheit in den Krieg wie es Russland tut. So ist das mit Demokratien, die sich rechtfertigen müssen, die Mehrheiten für ihre Politik einholen müssen, weil sie Opposition zulassen in ihren Ländern, das gehört zum Wesensmerkmal von parlamentarischen Demokratien. Einen Atomkrieg will niemand riskieren, ob Putin wirklich auf den Knopf drücken würde? Er müsste mit einer Reaktion aus Amerika rechnen.
Den Krieg einfrieren? Wir sollten alles daran setzen, ihn nicht auszuweiten. Taurus würde so etwas zur Folge haben können. Die Ukraine kann den Krieg nicht gewinnen, dafür ist Russland zu stark, es ist eine Atommacht. Und Russland darf ihn erst recht nicht gewinnen. Ob die Ukraine ohne Gebietsverluste überleben kann, ob es nicht auf Zeit einen freien und einen besetzten Teil des Landes geben kann? Ich weiß es nicht. Nur muss man alles daran setzen, dass die Menschen in der Ukraine bald wieder in Frieden leben können, in Ruhe und nicht in der Angst, dass in der nächsten Minute eine Rakete in ihrem Haus einschlägt und alles unter sich begräbt. Putin mag auf dem Schlachtfeld gewinnen, er wird irgendwann die Rechnung für seine „Mordlust“(Schrotthofer) bezahlen müssen. Der Historiker Stefan Creuzberger vergleicht ihn mit Josef Stalin. Und der hatte aus der Regionalmacht Sowjetunion eine Großmacht gemacht, dann nach 1945 die Supermacht, dessen Ende Putin als „die größte geopolitische Katastrophe“ des vergangenen Jahrhunderts bezeichnet hatte. Eine Katastrophe, die Putin korrigieren will. Aber ewig wird Putin nicht regieren können, meint der Historiker. „Wie es Stalin auch nicht vermochte“.