Das brutale – offenbar islamistisch motivierte – Attentat von Solingen hat die deutsche Gesellschaft ins Mark getroffen. Die Morde machen zutiefst betroffen. Und sie machen wütend. Der erste Reflex ist nur allzu menschlich – und er ist ja richtig: Gegen solche Mörder und deren Ideologie muss mit aller Härte vorgegangen werden!
Da gibt es nichts zu relativieren, nicht nach Erklärungen etwa in schlimmen Fluchterfahrungen oder fehlender Integration zu suchen, Erklärungen, die doch nur klingen wie Entschuldigungen. Nein, der Täter muss die Härte der deutschen Gesetze spüren.
Doch trotz der berechtigten Wut auf den Mörder und seine Ideologie macht neben der Tat vor allem auch die plumpe Reaktion von konservativen Seite wütend. Wer nun fordert, keine Syrer und keine Afghanen mehr ins Land zu lassen, wie es CDU-Chef Merz getan hat, der weiß, dass diese Forderung populistischer Unsinn ist. Merz hat einmal mehr bewiesen, dass ihm der billige Applaus wichtiger ist als die Fakten, als Recht und Gesetz.
In Deutschland gilt das Asylrecht – kein Gericht würde die Merz-Forderung mitmachen. Und was soll dann der nächste Schritt sein? Alle Syrer und Afghanen ausweisen? Nach Syrien und Afghanistan? Da nähert sich Merz ganz gefährlich den Vertreibungsfantasien der AfD an.
Ja, wir haben es in Deutschland zurzeit – vereinfachend gesagt – mit zwei militanten Ideologien zu tun, die unsere Gesellschaft bedrohen: Es ist der Islamismus, der in (kleinen) Teilen der muslimischen Männer-Communitys hierzulande auf fruchtbaren Boden fällt. Und wir erleben das Erstarken faschistischer Gewaltfantasien, die in gar nicht so kleinen Communitys vor allem in den östlichen Bundesländern grassieren. In ihrer Menschenverachtung ähneln sich diese sonst so unterschiedlichen extremistischen Ideologien schon sehr. Beide Gruppen verachten Frauen, sexuelle Minderheiten, Juden und Andersdenkende – Islamisten und Faschisten sind wahre Brüder im Geiste.
Das wird bewusst oder allzu leicht übersehen. Wie konnte es dazu kommen, dass an manchen Universitäten die Mörderbande der Hamas nach dem Massaker an Juden von Teilen der sich links nennenden Studenten als „Befreiungsorganisation“ gefeiert wurde? Oder dass die ehemalige Linke und heutige Rechts-Links Populistin Sahra Wagenknecht zwar vehement eine knallharte Zuwanderungspolitik fordert – aber größtes Verständnis zeigt für die vielen Querdenker, Impf-Gegner und Höcke-Anhänger vor allem im Osten? Wagenknechts Opportunismus ist nur noch widerlich – und lässt mit Blick auf eine mögliche Zusammenarbeit ihres Bündnisses mit der AfD Schlimmes befürchten.
Um es klar zu sagen: Ja, auch mir wäre es recht, wenn wir alle Islamisten und zugewanderten Gewalttäter aus Deutschland ausweisen könnten. Natürlich, nachdem sie ihre Strafen hier abgesessen haben. Und: Mir wäre es ebenso recht, wenn wir alle Faschisten und Rechtsextremisten aus Deutschland ausweisen könnten. Ich möchte in unserem Land keine Demos für ein Kalifat sehen und keine Demos für einen Führerstaat. Und schon gar keine islamistisch motivierten Morde – und keine Morde durch Neonazis.
Allein: So einfach geht es nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat. Und das ist gut so.
Was nicht heißt, dass dieser Staat tatenlos zusehen darf, wie seine Feinde ihn verhöhnen und zerstören. Der Rechtsstaat muss Zähne zeigen gegen Islamisten und Faschisten. Ja, auch mit härteren Strafen und Ausweisungen.
Doch was sind die jüngsten Rufe nach immer härteren Strafen und nach mehr Abschiebungen wert, wenn es nicht einmal gelingt, einen syrischen Flüchtling trotz eindeutiger Gesetzeslage von Deutschland nach Bulgarien zu verfrachten? Das ist nicht Ausdruck einer angeblich grün-links verseuchten Ideologie, es ist schlicht Behörden-Versagen. Um es plump zu sagen: Das hat vor den Morden in Solingen doch niemanden interessiert.
Während die AfD ihre zynische und klammheimliche Freude über das Attentat von Solingen kaum zügeln kann, weil es Wasser auf ihre Mühlen lenkt, leiden zurzeit besonders die in Deutschland lebenden Muslime – ob Flüchtlinge oder hier Geborene – unter den Taten der Islamisten. Vor allem junge Männer mit südländischem Aussehen stehen bei Teilen der deutschen Gesellschaft längst unter Generalverdacht. Neben der Trauer um die Toten treffen sie dieser Verdacht und die abwertenden Blicke überall – beim Einkauf, in der Straßenbahn, auf der Straße. Deutschland ist dabei, diese Menschen endgültig zu verlieren.
Wir sollten gemeinsam um die Toten von Solingen trauern. Und dann gemeinsam überlegen, wie wir die islamistischen und faschistischen Extremisten bekämpfen können, die unser Gemeinwesen bedrohen. Mit Mitteln der Integration – und – ja – auch der Repression. Eine solche Politik würde auch bei weiten Teilen der Zuwanderer auf große Zustimmung stoßen.
Gerade die Linke sollte sich dabei nicht scheuen, mit den Mitteln eines starken Staates gegen dessen Feinde vorzugehen. Denn der Staat, das sind nicht die da oben, wie Höcke und Co. uns glauben machen wollen. Der Staat sind wir! Verteidigen wir ihn!