Die mörderischen Anschläge in Paris haben die europäischen Staaten erschüttert und nahezu alle politisch Verantwortlichen wachgerüttelt. Unisono bieten nun die EU-Mitgliedsstaaten Frankreich ihren Beistand an, um gemeinsam gegen die Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) voranzugehen. Auch die USA schließen sich diesem Pakt an. Ebenso wird Russland seine Militäreinsätze gegen den IS in Syrien verstärken, denn der russische Geheimdienst hat inzwischen bestätigt, dass die Passagiermaschine mit 224 Menschen jüngst von den Terroristen über dem Sinai abgeschossen wurde. Präsident Putin will diese Attentäter weltweit jagen und sie bestrafen.
Asymmetrische Konflikte mit tödlichen Gefahren
Man mag noch darüber streiten, ob es sich um einen Krieg handelt, den fanatische Islamisten gegen die zivilisierte Welt führen. Sie wollen die Menschen in Angst und Schrecken jagen, die politischen und gesellschaftlichen Ordnungen destabilisieren und möglichst zerstören. Auf jeden Fall handelt es sich hier um asymmetrische Konflikte, die das Völkerrecht bislang nicht umfasst und gegen die es keine erfolgversprechenden Strategien gibt. Kriegsparteien waren leicht auszumachen, denn da kämpften Staaten gegen Staaten, Soldaten in blauen gegen Feinde in grünen Uniformen. Die IS-Milizen sind zivil gekleidet, unterscheiden sich rein äußerlich kaum von den Menschen auf den Straßen in den Städten. Sie kommen auch nicht mit Panzern oder Haubitzen, sie tragen ihre Kalaschnikows versteckt unter ihrer Kleidung und als Selbstmörderkommandos Sprengstoffgürtel. Sie fahren in ganz normalen Automobilen, die sie zum Teil anmieten. Sie operieren in kommunikativen Netzwerken, die sich in eine schwer auszumachende Kommandostruktur einfügen. Sie finanzieren sich vor allem über den Verkauf von Öl, das sie in den eroberten Regionen in Syrien oder im Irak fördern, oder aus anderen monetären Mitteln, die ihnen aus arabischen Staaten gegeben werden.
Terroristen-Hochburgen in Syrien, im Irak und in Afrika
Bislang standen Europäer, Afrikaner und Amerikaner sowie Russen diesen Terroristen nahezu ohnmächtig gegenüber. Mehr oder weniger engagiert machten einige Staaten der zivilisierten Welt Front gegen den IS. Rund 4 Jahre dauert bislang der Krieg in Syrien; inzwischen hat er zum Tod von über 250.000 Menschen, zu unzähligen Verletzten und vor allem zur Flucht von fast 4 Millionen geführt. Doch die Großmächte USA und Russland haben sich bis heute nicht auf eine Lösung dieses schrecklichen Konfliktes einigen können oder wollen. Zudem gibt es auch keine mit anderen Staaten abgestimmte Strategie gegen die terroristischen Umtriebe in zahlreichen afrikanischen Ländern – wie etwa in Mali. Dort treiben die Horden von Boko Haram ihr tödliches Unwesen. Viele Afrikaner, die lebendig dieser Hölle entkommen wollen, begeben sich auf die Flucht – selbst auf die Gefahr hin, im Mittelmeer zu ertrinken und als “Strandgut“ irgendwo anzulanden.
Zivilisierte Welt braucht gemeinsame Strategie
Radikale Islamisten haben weitere Ziele im Visier. Nach den jüngsten Attentaten in Paris besteht jedoch die Chance, dass sich die zivilisierte Welt auf eine gemeinsame Strategie gegen diese mordenden Terroristen einigt. Einigkeit und Solidarität sind gefordert, um Angst und Schrecken zu besiegen. Zum einen sollten die USA und Russland als globale Ordnungskräfte entschlossen und vereint agieren. Zum anderen sind die Europäer sicherheitspolitisch aufgerufen, mit vereinten Kräften dem gefährlichen Terror entgegenzutreten. Solidarität kann und darf in der EU nicht weiterhin eine beliebige Floskel bleiben. Sie ist auch keine Einbahnstraße, auf der sich nur Finanztransfers bewegen.
EU vor größten Bewährungsproben
Die EU steht vor ihren größten Bewährungsproben: Gemeinsam gegen den IS kämpfen, gemeinsam die Migrationsprobleme lösen, gemeinsam die Sicherheit der Menschen garantieren, eine fein abgestimmte Strategie mit Russland und den USA finden. Das sind gleich mehrere Herkulesaufgaben, die noch schwieriger als die Euro- und Umweltprobleme zu bewältigen sind.
Sie bieten jedoch die große Chance, den Europäern endlich vor Augen zu führen, dass nur Einigkeit stark macht, dass nur eine solidarische EU die Zukunft meistern und als sichere, lebenswerte Gemeinschaft Frieden und Freiheit für über 500 Millionen Menschen garantieren kann. Diese Botschaften sollten auch in Polen und Ungarn, in der Slowakei und anderswo gehört werden: Wer als EU-Mitglied sich den großen Herausforderungen versagt, versagt vor der Geschichte Europas. Wer auch die Flüchtlingsdramatik nicht gemeinsam mit anderen europäischen Partnern angeht, der darf in Zukunft auch nicht mehr solidarische Milliarden-Hilfen erhalten, die nicht vom Himmel fallen, sondern von anderen Europäern aufgebracht werden müssen.
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