Zuerst spürte ich eine Art Erleichterung, als die Wahlergebnisse aus Thüringen bekannt wurden. Kein Durchmarsch der als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD. Aber wenig später folgte die Ernüchterung: Zwar konnte die AfD keines der 13 Landratsämter direkt gewinnen und auch keinen Posten als Oberbürgermeister in den größeren Städten, ihre Kandidaten müssen in die Stichwahl zumeist gegen CDU-Bewerber. Man mag, wie die Chefin der Linken in Thüringen, Ulrike Grosse-Röthig, hervorheben, dass der „braune Griff nach der Macht im ersten Wahlgang…verhindert“ worden sei. Doch ignorieren solche Zeitgenossen, dass die AfD im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren fast zehn Prozentpunkte hinzugewonnen hat. Was also soll an dem Wahlergebnis zu bewundern sein?
Ja, die CDU konnte ihr Wahlergebnis verteidigen, sie bleibt stärkste Kraft in Thüringen. Aber nur hauchdünn, denn die AfD liegt dicht hinter den Christdemokraten. Dass über 26 Prozent der Thüringer die AfD gewählt haben, ist ein Armutszeugnis, ist ein Schlag ins Kontor für jeden Demokraten. Darf ich daran erinnern, dass der Landesvorsitzende der AfD von Thüringen, Björn Höcke, ein Faschist ist? So hat es ein Gericht entschieden. Ein Faschist, der das Holocaust-Mahnmal in der Nähe des Brandenburger Tores eine Schande genannt hat? Wie kann man einen solchen Menschen wählen, der eine Kehrtwende in der Erinnerungspolitik Deutschlands gefordert hat? Sollen wir einfach vergessen, dass Nazi-Deutschland einst rund 6 Millionen Juden umgebracht hat? Dass Nazi-Deutschland die Welt mit einem Krieg überzog, der mehr als 50 Millionen Menschen das Leben kostete? Wollen wir wirklich alles vergessen? Und die ach so ehrbare damalige Wehrmacht preisen?
Alles nicht so schlimm? Meinen Sie? Ich finde es skandalös, wenn der erwiesene Neonazi, Tommy Frenck überhaupt zur Wahl antreten durfte und nun mehr in die Stichwahl kommt. Frenck hat sich als Veranstalter von Rechtsrockkonzerten einen Namen unter Neonazis gemacht. Das Gasthaus, das er im Landkreis Hildburghausen betreibt, gilt als Anlaufstelle für Neonazis. Es ist mir ziemlich unverständlich, dass der CDU-Chef von Thüringen, Mario Voigt, das Wahlergebnis „als guten Tag mit vernünftigen Entscheidungen für Thüringen“ pries. Was soll daran vernünftig sein, Herr Voigt? Ja, man darf froh darüber sein, dass es berechtigte Hoffnungen gibt, dass CDU-Kandidaten in Thüringen die meisten Stichwahlen gewinnen werden. Aber ein guter Tag für Thüringen, für die Demokratie, die gerade in Bonn und Berlin den 75. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert hat? Eines Grundgesetzes, in dem Artikel 1 besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Die Würde aller Menschen, also auch der Millionen Deutschen mit Migrationshintergrund, die die AfD ausweisen will, deportieren. Es möge sich jeder mal umschauen in seinem privaten Umfeld, welcher Nachbar und Freund dann noch hierbleiben darf. Nationalistisches, völkisches Denken der AfD hilft nicht weiter, die will Europa zerstören, unser Europa, von dem wir alle profitieren, ein Europa ohne Grenzen.
Nein, die Botschaft von Thüringen ist trostlos, erbärmlich. Eine erwiesen rechtsextremistische Partei ist seit Sonntag stärkste Kraft in mehreren Kreistagen und Städten. Das wird das Bild des Landes verändern, blau und braun wird Thüringen leuchten, wenn man das als Leuchten bezeichnen will und nicht als Wetterleuchten. Der Ruck nach Rechts sei gestoppt, las ich. Zu dem Ergebnis kann nur kommen, wer sich in die Tasche lügt. Im Juni folgen die Europa-Wahlen, im Herbst werden die Landtage in Thüringen, Sachsen und Brandenburg neu gewählt. Dort rangiert die AfD in Umfragen bei über 30 Prozent. Die Feinde der Verfassung auf dem Weg zur Macht, so hatte das schon mal angefangen und fand ein bitteres Ende. Wann endlich wachen die Menschen in Deutschland auf? Die AfD ist keine Alternative, sondern eine Gefahr für unsere Demokratie.