Die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden beliefen sich im vergangenem Jahr auf über 760 Mrd. €; rund 90% davon waren Steuern, die Arbeitnehmer und Unternehmer, Verbraucher, Autofahrer, Erben und andere bezahlen mussten. Die Ausgaben des Staates lagen 2013 bei über 770 Mrd. €. Die gute Konjunktur lässt es in den Kassen der Finanzminister und Kämmerer kräftig klingeln.
Dennoch ist landauf, landab das laute Klagelied aus allen Gebietskörperschaften zu hören, dass es an Geld für wichtige staatliche Aufgaben fehlt.. Unser Bildungssystem – von Lehrern bis hin zu den Schulen – ist ebenso unterfinanziert wie die gesamte öffentliche Infrastruktur – von Brücken bis hin zu den Straßen. Während die Wirtschaft mit dem Projekt Industrie 4.0 sich auf die Zukunft einrichtet, sperrt der Staat marode Brücken und Straßen, müssen baufällige öffentliche Bauten zum Teil geschlossen werden, werden in vielen Gemeinden Schlaglöcher kaum noch geflickt.. Staatliche Zukunftsorientierung ist das gewiss nicht. Von einer nachhaltigen Politik, die unsere Welt den nächsten Generationen in einem guten oder möglichst noch besseren Zustand vererben sollte, kann längst keine Rede mehr sein.
Die immer auch von Politikern beschworene „schwäbische Hausfrau“ blickte bekanntlich stets vorsichtig in ihre Geldbörse, gab nur so viel aus wie sie hatte, und sparte noch einiges – etwa für den Häuslebau, für die Ausbildung ihrer Kinder und für die Wechselfälle des Lebens.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mag ja Recht haben, wenn er vor einiger Zeit darauf hinwies, dass der Staat nicht im Geld ersäuft, sondern eher in Schulden ertrinkt. Der Bund weist eine Schuldenlast von über 1.100 Mrd. € aus; bei den Ländern sind es 550 und bei den Gemeinden 137 Mrd.. €, die sich an Schulden aufgehäuft haben. Immer wieder wurden neue Ideen entwickelt und umgesetzt, um den Bürgern noch tiefer in die Tasche zu greifen und so Verbesserungen auf der Einnahmenseite zu erzielen. Die jüngste Kreation ist die Infrastrukturabgabe, mit der der Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) Mehreinnahmen von den Autofahrern aus dem Ausland kassieren will. Ob sein kompliziertes Maut-Modell die Gnade der EU-Kommission finden wird, ist zwar noch offen und unsicher. Sollte es jedoch aus Brüssel grünes Licht für Dobrindt geben, werden auch Holland, Belgien und andere Nachbarländer zuschlagen und deutsche Autofahrer auf ihren Straßen abkassieren. Angesichts der äußerst komplizierten Lösung, die Dobrindt im Auge hat, muss gar befürchtet werden, dass am Ende die Soße fast so teuer ist wie der Braten und die Netto-Zusatzeinnahmen für neue Straßen auf ein Minimum schrumpfen. Nach der Mütterrente, die die CDU unbedingt wollte, und dem Lieblingsprojekt der SPD mit dem Mindestlohn, will die CSU ihre Maut-Idee auf Biegen und Brechen durchsetzen – selbst dann, wenn am Ende der Schaden größer sein sollte als der Nutzen.
Viel zu wenig richten die politischen Verantwortlichen den Blick auf die Ausgabenseite. In unserer Gefälligkeitsdemokratie erscheint dies geradezu als unpopulär, einmal beschlossene Leistungen des Staates, Steuervergünstigungen, Subventionen und vieles mehr zu kürzen, zu konzentrieren oder gar zu streichen. Längst liegen die staatlichen Sachinvestitionen mit etwas über 40 Mrd. € jährlich deutlich unter den Zinsausgaben (2013: 66,2 Mrd. €). Besonders ärgerlich für alle Bürger und vor allem für Steuerzahler fallen die Milliarden-Ausgaben ins Gewicht, die für öffentliche Projekte infolge von Fehlplanungen und Missmanagement entstehen. Ob das Kongresszentrum in Bonn, das Landesarchiv in Duisburg, ob Bahnhöfe, ob Flughäfen und andere Bauten – fast bei keinem Vorhaben werden die Vorgaben eingehalten. So lagen beispielsweise die geplanten Kosten für den Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg bei 1,17 Mrd. €; inzwischen werden sie auf 5,4 Mrd. € geschätzt, doch könnte es am Ende noch mehr sein, wenn denn der Flugbetrieb überhaupt einmal beginnen sollte.
In diesen Tagen wird auf jeden Fall mit dem Bau des heiß umstrittenen Hauptbahnhofs in Stuttgart begonnen. Vor Jahr und Tag waren dafür etwa 2,5 Mrd. € geplant; die tatsächlichen Kosten werden allerdings schon jetzt auf 6,8 Mrd. € beziffert. Ebenso krasse Steigerungen ergeben sich für den Neubau der Elbphilharmonie in Hamburg: Einst ging man von 241 Mio. € aus, am Ende werden es 789 Mio. € bis zur Fertigstellung sein. Die gigantische Zentrale für den BND in Berlin wurde zunächst mit 720 Mio. € veranschlagt; inzwischen wächst die Bausumme auf 912 Mio. € oder auf einen noch höheren Betrag.
All überall wird diese Misere des staatlichen Missmanagements überdeutlich, für die niemand haftet, doch fast jeder zahlt. Die Fehler beginnen zumeist bei der Planung, werden dann bei der Ausschreibung gemacht. Der Anbieter mit den niedrigsten Preisen wird in der Regel ausgewählt, doch bereits nach kurzer Zeit müssen Kommunen, Länder oder auch der Bund Nachträge der Bauunternehmen genehmigen, die die Projekte immer teurer machen, zumal sie dann nicht mehr gestoppt werden können. Das sogenannte wirtschaftlichste Angebot wird somit zum unkalkulierbaren Risiko.
Ein Staat, der sich mehr und mehr als Missmanager profiliert, verliert ein gutes Stück seiner Autorität und Glaubwürdigkeit. Alle Verantwortlichen in Ministerien, Rechnungshöfen und Kontrollorganen müssen umgehend aus den zahlreichen „Pleiten“ öffentlicher Projekte harte und effiziente Konsequenzen ziehen, damit nicht noch mehr Kredite verspielt werden.
Bildquelle: © Jörg Rüger, Bundesministerium der Finanzen