„Ministerpräsident Höcke, na und?“ Beginnt der Leitartikel des Chefredakteurs der Neuen Zürcher Zeitung(NZZ), Eric Gujer. „Die deutsche Demokratie hält auch einen zwielichtigen Wahlsieger aus“. Schon die Wortwahl „zwielichtiger Wahlsieger“ lässt mich an der Argumentation des NZZ-Chefs zweifeln. Ich will doch keinen zwielichtigen Wahlsieger als Ministerpräsidenten des Landes Thüringen. Das Amt hat etwas Besseres verdient. Schon gar nicht einen wie Björn Höcke, den man laut Gericht einen „Faschisten“ nennen darf. Und um das gleich hinzuzufügen: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst(CDU) nennt die AfD-Höcke ist Landesvorsitzender dieser Partei- eine „Nazi-Partei“. Man sollte mit dem Amt nicht spielen, sonst verliert die Politik noch mehr an Glaubwürdigkeit. Höcke ist demokratisch gewählt, aber er ist kein Demokrat.
Ich bleibe noch eine Weile bei der NZZ und Eric Gujer und seinem Kommentar, geschrieben nach den Landtagswahlen in Erfurt und Dresden. „Berlin ist nicht Weimar und Höcke nicht Hitler.“ Stimmt und doch kann Herr Gujer mich mit diesen Sätzen nicht beruhigen. Höcke steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, das ich sehr schätze als Fundament des Landes, aufgebaut aus und auf den Ruinen des von Hitler-Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieges. Ein völkisches Regime brachte Deutschland völlig vom Kurs ab, ein nationalistisches, das nur arisches Blut gelten lassen wollte und Fremde verfolgte, in KZs einsperrte und Millionen ermordete, darunter sechs Millionen Juden. Richtschnur ist für mich Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Des Menschen, heißt es da, und nicht nur des Deutschen, gemeint alle Menschen gleich welcher Religion, Hautfarbe, Abstammung. Johannes Rau wählte diesen Teil des Grundgesetzes für seine Rede kurz nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1999. Auffallend damals, ich saß auf der Tribüne und hörte die Worte des ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten und Sozialdemokraten, das Raunen, das durch die Reihen der Unions-Leute ging. Dabei hatte sich Rau nur auf das Grundgesetz bezogen.
Keine Toleranz der Intoleranz
Seit dem Wahlsieg der AfD in Thüringen, betont Eric Gujer, „kennt die Hysterie keine Grenzen.“ Ich würde das nicht als Hysterie bezeichnen, wenn sich Sorgen breit machen und Ängste, was die Zukunft des Landes angeht. Heribert Prantl, Kolumnist der SZ, hat vor Monaten auf die Anfänge der Diskussionen um das Grundgesetz 1948 hingewiesen und einen der Köpfe der Väter des Grundgesetzes, Carlo Schmid, zitiert. Der frankophile Sozialdemokrat hatte auf mögliche Feinde der neuen Verfassung und damit der Bundesrepublik hingewiesen und klare Kante gezogen. „Keine Toleranz der Intoleranz“. Und: „Mut zur Intoleranz denen gegenüber, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie zu umzubringen.“ Nicht nur für mich ein klares Gebot: Verfassungsfeinde, die die Republik zerstören wollen, gehören verboten. Auch der frühere Bundespräsident Joachim Gauck, wenn man so will ein Kind der DDR, erinnerte an Carlo Schmids Worte: „Es liegt an uns.“ Demokratie brauche den „Bürger, der den Staat nicht nur als Fürsorgeinstitution begreift, der ihn gegen möglichst alle Risiken im Leben absichert, sondern der sich selbst zum Mitgestalter des Gemeinwesens erklärt.“
Seit längerer Zeit warnt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor den Gefahren, die der Republik drohen. Gemeint all die Rechtspopulisten, die den Wertekanon des Landes untergraben, die unser demokratisches System verächtlich machen wollen. Das Staatsoberhaupt hat mehrfach davor gewarnt und gemahnt und an die Demokraten appelliert, sich gegen diese Feinde zu wappnen. Die Demokratie wird zwar immer wieder gefeiert als beste Staatsform, die Deutschland je hatte, aber eine Selbstverständlichkeit ist sie nicht. Wehret den Anfängen, füge ich hier hinzu. Die Demokratie braucht Demokraten, die sie verteidigen.
Abgehängt, ungerecht behandelt
Ich kann nicht ergründen und viele, sehr viele können das auch nicht, warum die AfD so viele Wählerinnen und Wähler vor allem im Osten hat. Immer wieder heißt es, sie fühlten sie abgehängt, nicht gerecht behandelt vom Westen, sie verdienten weniger, hätten weniger Aufstiegschancen. Dörfer seien vernachlässigt worden, nur die Älteren blieben, die Jüngeren zögen weg, die Apotheken verschwänden wie die Lebensmittelläden, kaum Mediziner auf dem Land, kaum ein Bus, der sie in die Stadt führe. Es stimmt und es stimmt so auch wieder nicht, lese ich von Leuten, die drüben-pardon- leben. Jammer-Ossies? Auch im Westen wird viel gejammert, geklagt, manches liegt im Argen, vieles, sehr vieles ist aber auch gut und gelungen. Nur sagt das kaum jemand. Es wird gesagt, die Menschen im Osten hätten Demokratie nicht gelernt, das mit dem Wählen, das mit dem Kompromiss, der kein fauler sein muss, sondern fester Bestandteil einer parlamentarischen Demokratie, in dem sich die Mehrheit der Meinungen wiederfindet.
Höcke liefert in seinen Reden nirgendwo das durchschlagende Argument, dass die AfD die Lösung vieler Probleme parat hätte. Mit den Parolen „Abschieben! Abschieben!“ kann sie ihre Anhänger begeistern. Jeder weiß, dass es so einfach nicht geht und human ist es auch nicht. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Dieser Wert steht und darf nicht fallen. Die Bundesrepublik würde sonst ein Stück menschlichen Antlitzes verlieren. Dass das Asylrecht nicht mehr zeitgemäß sei, hat gerade und nur er, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, betont und damit klargestellt, wofür er steht. Der Mann, der mit einem der umstrittensten Politiker in Deutschland, Hubert Aiwanger, im Freistaat koaliert, will mit solchen inhumanen Parolen die Mehrheit über den Stammtischen gewinnen, um Kanzlerkandidat der Union und Kanzler zu werden. Ausgerechnet er spielt sich hier auf und plädiert dafür, ohne Eitelkeit Politik zu machen und die Frage des Kanzlerkandidaten zu entscheiden. Man frage Armin Laschet, dem er damals das Leben schwer machte und über den Söder gerade gesagt hat, dass der der falsche Kanzlerkandidat der Union gewesen wäre. So sieht Solidarität bei Söder aus, dem Egomanen aus Bayern.
400.000 Zuwanderer jährlich
Deutschland, das bestreitet so gut wie niemand, braucht Jahr für Jahr über 400.000 Zuwanderer, am besten gut ausgebildete Kräfte für den deutschen Arbeitsmarkt. Höcke hält dagegen, das Land käme- Stichwort Remigration- gut und gern mit über 20 Prozent weniger Zuwanderern aus. Der Mann hetzt gegen Schutzsuchende, denen wir helfen müssen, dazu fühlen sich viele verpflichtet. Schutzsuchende, die verfolgt werden, vertrieben, bedroht, suchen bei uns ein Dach über dem Kopf, Hilfe für sich und ihre Familien. Wenn alle Deutschen mit Migrationshintergrund aus dem Land gedrängt würden, um es höflich zu sagen, würde das tägliche Leben im Land zusammenbrechen. Warum begreifen das viele nicht? Wir haben ein Problem mit der geordneten Zuwanderung, damit, dass es so viele sind, die in die Bundesrepublik flüchten, darunter auch straffällig gewordene Zeitgenossen, ja Schwerverbrecher. Darunter auch Menschen, die zu uns kommen, die aber nie Asylrecht erhalten werden. Aber auch Geflüchtete, die ihre Heimat verlassen, weil sie nicht mehr bewohnbar ist, die Klimaveränderung ist der Grund. Grenze dicht und abweisen? So einfach geht das nicht, das weiß auch Merz. Aber er macht mit dem Thema Lärm für seine Wahl-Propaganda, droht der Ampel, fordert ein Ultimatum und korrigiert sich sprachlich, weil er sich im Ton vergriffen hat. Es stimmt, Politik darf die Bürgerinnen und Bürger nicht überfordern, sie muss ihnen erklären, was sie macht und warum. Und dass diese Politik nicht gegen sie gerichtet ist.
Ich habe als Journalist die Wende 1989 erlebt, war vorher immer mal wieder in der DDR unterwegs, zugegeben als Mitglied von Delegationen, die dann mit Vorteilen bedacht wurden, vielleicht in der Hoffnung, dass dann das Land und das System schön gesehen und schön beschrieben werde. Denn das Land mit all seinen Landschaften war und ist schön, wenn man mit den Menschen ins Gespräch kam, nicht mit den Funktionären, verstanden wir uns gut. Wir sprachen ja auch dieselbe Sprache. Die Mauer war unmenschlich, ein Mordinstrument von Staats wegen gebaut. Wer drüber wollte in den Westen, musste damit rechnen, abgeknallt zu werden wie Hasen. So hat es mal ein Fernseh-Kollege beschrieben, emotional aufgeladen wie er war, aber es stimmte ja. Er wurde ausgewiesen. Der Journalist hieß Lothar Loewe. Geschehen am 22. 12. 1976, offizielle Begründung des SED-Regimes „wegen gröbster Diffamierung des Volkes und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik“. Nachzulesen über den Deutschlandfunk. Lothar Loewe war kein Freund von weichgespültem Journalismus. Und Loewe nannte die Gründe, warum so viele gleichgültig in welchem Alter, ob sie in der Partei sind, in den Westen oder in die Bundesrepublik reisen möchten. „Das ist das wichtigste Problem in der DDR.“
Wir kannten die DDR mit dem Blick von außen, zugegeben, nur mal reinschnuppern auf einer Reise, das war zu wenig. Man musste sie erlebt haben. Aber man hatte viel gesehen, die grauen Häuser, wenig Glanz, Geschäfte ohne Anziehungspunkte, man konnte drüben kaum was kaufen. Das bekam man in West-Berlin. Oft hörte man, dass DDR-Deutsche betonten, auch wir leisten viel, genauso wie ihr aus dem Westen. Ich habe auch nie behauptet, dass wir die besseren Menschen wären. Ich habe sie nie von oben herab beurteilt, wusste, dass wir das Glück gehabt hatten, auf der westlichen Seite der Grenze auf die Welt gekommen zu sein, aufgewachsen in einer Demokratie mit Presse- und Meinungs- und Reisefreiheit. Man kann westliche Zeitungen kritisieren, auch unsere Blätter hatten Schwächen, aber wir konnten alles schreiben, was war, mussten uns nicht verstellen. Ich weiß, es gab Ausnahmen, auch Journalismus im Westen war nicht immer die reine Form, Opportunismus gab es auch hier. Und doch waren die Unterschiede riesig. Bei uns wurden keine Parteitagsreden abgedruckt, durfte die Regierung, der Oberbürgermeister, der Landrat, der Ministerpräsident, der Kanzler kritisiert werden.
Deutschland- eine Erfolgsgeschichte
Zurück noch mal zur NZZ und Eric Gujer. Er hat Recht in dem Punkt, die zweite deutsche Republik sei eine Erfolgsgeschichte mit starken Institutionen, Gewaltenteilung, ich bin auch zufrieden mit der Parteien-Landschaft, überhaupt mit dem System, in dem es immer wieder und ohne Zusammenbrüche Regierungswechsel gab, die dem Land nicht schadeten, von Adenauer zu Brandt, von Schmidt zu Kohl, von Kohl zu Schröder, von Schröder zu Merkel und zu Scholz, der zugegebenermaßen Schwierigkeiten hat. Bei aller Kritik dürfen wir nicht vergessen, dass das einschneidende Moment, der Überfall Russlands auf die Ukraine, eben nicht auf Scholzens Regierungs-Agenda stand. Der Krieg Putins gegen Kiew hat das Regieren schwer beeinflusst, die Kosten sind auch hier spürbar.
Die Republik ertrüge es, meint Eric Gujer, wenn in Thüringen eine Partei mit einem rechtsextremistischen Flügel den Ministerpräsidenten stellte. Warum sollte sie sich, sollten wir uns das antun? Einen Faschisten Höcke zum Ministerpräsidenten machen und ihn damit salonfähig, gesellschaftsfähig machen? „Eine Demokratie, die es nicht aushält, wenn auch einmal zweifelhafte Gesellen die Regierung bilden, ist keine“. Behauptet Eric Gujer. Pardon, Herr Chefredakteur, das ist mir zu einfach. Ein zweifelhafter Geselle als Regierungschef in Erfurt, am Verhandlungstisch des Bundesrats? Ich bin sehr dagegen, dass dieser Mann dann Einfluss auf die Schulpolitik nimmt, auf die Medien, die Rundfunklandschaft, die Richterschaft, dass er das Verfassungsgericht im Lande abschafft, dass er die Erinnerungskultur um 180 Grad verändert, also abschafft. Auschwitz spielt keine Rolle mehr, der Holocaust nicht, der Antisemitismus nicht, der ganze Nationalsozialismus mit Weltkrieg und Millionen Toten und Zerstörungen ungeheuren Ausmasses wird zum Fliegenschiss degradiert.
Ein Björn Höcke als Ministerpräsident auf Besuch in Berlin zum Beispiel beim Bundespräsidenten oder Bundeskanzler, das möchte ich mir nicht vorstellen. Unerträglich wäre der Gedanke, derselbe Höcke würde im Namen des Landes Thüringen das Ausland besuchen, vielleicht die Gedenkstätte im polnischen Auschwitz? Oder nur das Holocaust-Mahnmal neben dem Reichstag in Berlin, das er als Schande bezeichnet hat, unvorstellbar?
Zäsur für die Bundesrepublik
Es ist ein historischer Erfolg für die AfD in Sachsen und in Thüringen, eine Zäsur für die Bundesrepublik. Ein Drittel der Wählerinnen und Wähler hat in zwei Ländern eine Partei gewählt, die legal auf dem Wahlzettel stand. Führende Leute der AfD haben am Wahlabend auf den Wählerwillen hingewiesen, der beachtet werden müsse. Also müsse die AfD mitregieren. Ganz so einfach ist es nicht. es braucht parlamentarische Mehrheiten, wenn man regieren will. Kurt-Georg Kiesinger, der CDU-Kanzler der großen Koalition, ging am Wahlabend 1969 als- so glaubte er- als wieder gewählter Kanzler ins Bett, aber als er aufwachte am nächsten Morgen, hörte er, dass Willy Brandt zusammen mit Helmut Scheel die sozialliberale Regierung bilden wollten. Helmut Kohl erging es 1976 ähnlich, als er stolze 48,6 Prozent der Stimmen für die Union bei der Bundestagswahl holte, aber Oppositionschef blieb, weil SPD und FDP zuvor beschlossen hatten, weiter regieren zu wollen. Und zusammen lagen Sozial- und Freidemokraten vor Kohls Union. Ähnlich 1980 Franz-Josef Strauß von der CSU, die Union wurde stärkste Partei, aber Helmut Schmidt blieb Kanzler.
Regierungsbildungen sind nicht nur rechnerische Mehrheiten, sie kommen vor allem auch zustande, wenn die möglichen Partner programmatische Übereinstimmungen vorweisen. Das dürfte bei der AfD schwierig sein, wie Klaus Schrotthofer in seinem Leitartikel in der Neuen Westfälischen(Bielefeld) erläuterte und dabei darauf hinwies, dass die AfD den Verfassungsschutz und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen will. Ferner will Höcke die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine stoppen, das Schulsystem nach Konzepten der alten DDR reformieren, was in meinen Augen zurückführen heißen müsste. Höcke will keine neuen Windkraftanlagen, sich der Globalisierung der Wirtschaft entgegenstellen. In Sachsen soll wohl die Forderung nach Fortsetzung des Braunkohletagebaus dazu kommen. Wer das liest, darf sich nicht wundern, dass die AfD ohne Mehrheiten für die Bildung einer von ihr gebildeten Koalition ist.
Politik der Reichen und Konzerne
Hinzu kommen dann noch schwerwiegende Forderungen, die zur Zerstörung der Europäischen Union führen könnten, die Rückkehr zu nationalen Währungen und Zöllen, was zusammen die deutsche Wirtschaft schwer belasten und zur Gefahr für Abertausende von Arbeitsplätzen führen könnte. Deutschland ist nun einmal ein Land, das vom Export seiner Güter profitiert, es sieht so aus, als habe die AfD das noch nicht begriffen. Die Annäherung an Russland und eine größere Distanz zu Amerika ist ein weiterer Punkt, mit dem man sich hierzulande keine Freunde schafft. Was auch für das westliche Bündnis gilt, das nun einmal Deutschland und vielen Ländern Europa Schutz bietet. Auch mit dem Klimaschutz hat es Höcke im Grunde überhaupt nicht, deshalb passt in sein Bild die verstärkte Nutzung fossiler Brennstoffe, was die Umwelt stark belasten würde. Die AfD gibt sich, schreibt der Kölner Armutsforscher Prof. Christoph Butterwegge in einem Gastbeitrag für die SZ, als Partei des Volkes, in Wahrheit betreibt sie die Politik der Reichen und der Konzerne. Sie will die Steuern senken einschließlich des Spitzensteuersatzes und der Erbschaftssteuer, was wiederum die Sozialleistungen tangieren würde. Frauen sollen nur noch ein eingeschränktes Recht auf Selbstbestimmung erhalten, Abtreibung nur in Ausnahmefällen erlaubt sein, die AfD will Kinderreichtum fördern und die Mutterrolle.
Womit wir zur Grundsatzfrage kommen. Die AfD ist eine in Teilen weitgehend rechtsextremistische Partei. Sagt der Verfassungsschutz. Die AfD in Sachsen und Thüringen sei „gesichert rechtsextremistisch“. Was aber die Wählerinnen und Wähler dort ganz offensichtlich anders beurteilen. Sie kennen ihre Nachbarn als Nachbarn und wählen sie, wenn diese für die AfD kandidieren. Es scheint sie nicht zu interessieren, dass die AfD sich im Grunde gegen unser System richtet, das System, das auf der Freiheit beruht, auf der Demokratie, der Mitbestimmung, des Respekt anderer Meinungen, der Achtung des Mitbürgers und von Minderheiten. Und diese AfD will Macht erlangen, um diese Freiheiten anschließend einzuschränken. Sie wollen lieber eine autoritäre Staatsordnung. Autoritär, so war es ja auch in Zeiten der SED. Will man wieder so etwas wie einen Führer, der auf den Tisch haut, zeigt, wo es langgeht?
Es gibt immer wieder Forderungen, wegen all der oben geäußerten Vermutungen und Einschätzungen, die AfD als Partei zu verbieten. Was im Sinne des Verfassungsvaters Carlo Schmid wäre. Ein Verbot, mahnen Experten, wäre schwer zu erreichen beim Bundesverfassungsgericht. Also sie regieren lassen, wie die NZZ das durch ihren Chefredakteur gefordert hat, damit sie sich beim Regieren entzaubert? Das ist schon mal schief gegangen 1933. Warum eine solche Misserfolgsgeschichte riskieren, die teuer werden könnte? Der Herausgeber der NW in Bielefeld, Klaus Schrotthofer, stellt die Gegenfrage: Würde ein vernünftiger Mensch Feuer legen, um herauszufinden, ob sein Haus brandfest ist? Nein und ich teile seine weitere Kommentierung. Es hat Jahrhunderte gedauert, bis Europa begriff, dass es genug ist der Kriege, es waren Staatsmänner wie Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, die die deutsch-französische Freundschaft an die Stelle von ewigen Kriegen setzten und damit das Fundament für ein friedliches Europa schufen. 1989 kam dann durch den Fall der Mauer und das Ende des Warschauer Paktes die Spaltung Europas zu einem Ende- leider heute ohne Russland, was zu bedauern ist, zumal der Fall der Mauer und die Einheit Deutschlands ohne den sowjetischen Generalsekretär Michael Gorbatschow undenkbar gewesen wäre- ohne dass ein Schuss fiel.
Grundkonsens-Frieden und Freiheit
Dieses freiheitliche Modell Deutschlands wird von Nationalisten in Frage gestellt. Wir haben hier einen Grundkonsens zwischen den Parteien, die miteinander konkurrieren, aber auch wieder miteinander regieren, wenn es nötig ist. Der Parteienstreit um den richtigen Weg wird teils heftig geführt, aber mit Worten und im Sinne des Grundgesetzes, das den Zusammenhalt des Landes regelt. In Freiheit, in Frieden. Seit 1949. Wir gehen uns nicht an den Kragen. Warum sollten wir das aufs Spiel setzen und einer Partei wie der AfD die Möglichkeit geben, das alles wieder kaputt zu machen. Nein, der Preis wäre zu hoch. Deshalb die Brandmauer gegen die AfD, weil sie eben keine Alternative darstellt zur parlamentarischen Demokratie, wie sie einst in Bonn geschaffen wurde, wo heute vor 75 Jahren die erste Sitzung des ersten Deutschen Bundestages stattfand. Erster Bundeskanzler war Konrad Adenauer von der CDU, Oppositionschef war Kurt Schumacher von der SPD, schwer gezeichnet von den Folterungen durch die Nazis im KZ Dachau.
Björn Höcke als MP- gar nicht so schlimm? Einspruch. Niklas Frank, der Sohn von Hans Frank, Hitlers Generalgouverneur im besetzten Polen, ein schlimmer Nazi, schrieb vor wenigen Jahren ein Buch mit dem Titel: „Auf in die Diktatur! Die Auferstehung meines Vaters in der deutschen Gesellschaft.“ Niklas Frank, früher viele Jahre Stern-Reporter, hatte in der Rhetorik und dem Verhalten heutiger Politiker erschreckende Parallelen zur NS-Zeit erkannt. “ Der Hass, die Empathielosigkeit und der menschenverachtende Humor der Nationalsozialisten finden sich heute wieder in der AfD, aber auch bei anderen Vertretern von Politik, Kultur, Sport, Kirchen. “ Und Frank warnte: „Jetzt tauchen wieder Väter von meines Vaters Art auf, die mein Hirn vergiften wollen.“