Der Blick in das Gesetz klärt manches auf, was derzeit von Politikern heiß diskutiert wird. „Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat“, so ist es im Aktiengesetz niedergelegt. Und weiter heißt es da: „Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Dies gilt sinngemäß für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art.“
Eigentümer und Arbeitnehmervertreter mit großer Verantwortung
Ebenfalls im Aktiengesetz steht, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats von der Hauptversammlung, also von den Aktionären als Eigentümer gewählt werden; sie können auch von Inhabern bestimmter Aktien entsandt werden oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz oder dem Betriebsverfassungsgesetz gewählt werden.
Eigentümer einer Aktiengesellschaft und Arbeitnehmervertreter, die zumeist aus den Gewerkschaften kommen oder Mitglieder des jeweiligen Betriebsrates sind, tragen die Verantwortung für die Chefeinkommen. Sie sind damit die Matadore, die die Millionen-Vergütungen der Herren und Damen in den Vorstandsetagen der Aktiengesellschaften genehmigen. So beliefen sich etwa im Jahr 2015 die Einkommen des Chefs von Daimler, Dieter Zetsche, auf über 8,5 Mio. €. , Karl-Ludwig Kley bei Merck erhielt rund 7,9 Mio., Matthias Müller bei VW etwa 7,3 Mio., Frank Appel bei der Post AG gut 5 Mio. oder Johannes Teyssen bei E.ON 4,4 Mio. Euro, um nur einige Beispiele für die Entlohnung aufzuzählen.
Vergütungen ohne jedes Maß
Aus dem Rahmen fielen in jüngster Zeit besonders krass die Bezüge des einstigen VW-Chefs Winterkorn mit ca. 16 Mio. €. Er musste infolge des Abgas-Skandals seinen Vorstandssessel räumen, fiel jedoch mit einer „Rentenzahlung“ von rund 3.000 € pro Tag mehr als weich. Ebenso eklatant ist der Fall der Christine Hohmann-Dennhardt, die einst als SPD-Ministerin in Hessen in den Vorstand von Daimler und danach bei VW aufstieg. Anfang diesen Jahres schied sie aus der VW-Führung aus und kassierte eine Abfindung von mehr als 12 Mio. €. Im VW-Aufsichtsrat, der dem vergoldeten Abschied von Christine Hohmann-Dennhardt zugestimmt hat, sitzen Mitglieder der Regierung des Landes Niedersachsen, allen voran der SPD-Ministerpräsident Weil, und profilierte Arbeitnehmervertreter, vor allem aus der Industriegewerkschaft Metall.
Stumpfe politische Waffen
Die Exzesse bei den Vergütungen haben in den letzten Jahren zweifellos Dimensionen erreicht, die kaum noch in eine Soziale Marktwirtschaft passen. Gewiss, bei Profi-Kickern werden inzwischen auch viele Millionen an Jahresgehältern bezahlt – nicht nur in der englischen, spanischen und italienischen Liga, sondern auch in der Bundesliga, in der nicht nur der FC Bayern München und die Dortmunder Borussen fast jedes vernünftige finanzielle Maß überschreiten. Auch für Gesangstars, Darsteller in Film und Fernsehen wird viel ausgegeben. Allerdings sind die Risiken auf den Feldern Sport, Musik oder Entertainment wesentlich höher als auf den Vorstandsetagen der Aktiengesellschaften.
Politiker fast aller Parteien wollen nun gegen die ausufernden Managergehälter Front machen. Denn rational sind manche Vergütungen, die sich in geradezu schwindelnde Höhen geschraubt haben, nicht mehr den normalen Menschen zu erklären. Das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen liegt derzeit pro Jahr bei knapp 40.000 €. Mit welchen außergewöhnlichen Leistungen, Fähigkeiten oder Verantwortungen Vorstände das 100-, 150- oder gar 200-fache an Einkommen erhalten, das müssten die dafür Verantwortlichen in den Aufsichtsräten begründen. Da viele Chefs anderer Aktiengesellschaften Mitglieder in Aufsichtsgremien sind, werden sie sich dabei schwerer tun als etwa die Arbeitnehmervertreter aus den Betriebsräten und Gewerkschaften sowie auch aus der Politik.
Soziale Verantwortung gefordert!
Die meisten von ihnen beschwören indessen in feierlichen Sonntagsreden die Corporate Social Responsibility; sie sollten in den Unternehmen echte soziale Verantwortung beweisen und sich an die „Maßhalten-Mahnung“ von Ludwig Erhard erinnern.
Ethik und Moral, Verantwortung für das Zusammenhalten und Miteinander in unserer Gesellschaft sind die Elixiere der Sozialen Marktwirtschaft. Nicht ohne Grund haben die Gründer unserer Republik in das Grundgesetz geschrieben: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Es kann und wird keine politische Lösung geben, die die Exzesse bei Gehältern für Vorstände – und zum Teil auch bei den Tantiemen für Aufsichtsrats-Mitglieder – befriedigend lösen. Weder die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit noch die Fixierung von festen und variablen Vergütungsanteilen werden Abhilfe schaffen. Denn die Unterscheidung der Kosten einerseits für Material usw., andererseits für Vorstandsgehälter dürften schwierig sein. Das Eingreifen des Gesetzgebers wäre letztlich ein ordnungspolitischer Sündenfall. Doch sind die Eigentümer, allen voran die Aktionäre in der Pflicht, die Übertreibungen wieder auf ein Normalmaß zu bringen. Die Einkommen für Mitglieder in Vorständen und Aufsichtsräten gehören auf die Tagesordnung der Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften; dort muss darüber öffentlich abgestimmt werden.
Die bisherige Kungelei in den kleinen Aufsichtsratsausschüssen, in denen sich die Eigentümer-Vertreter mit den Arbeitnehmer-Vertretern auf die hohen Millionen-Vergütungen einigen, muss beendet und durch eine maximale Transparenz ersetzt werden. Denn keine gesetzliche Regelung wird Ethik und Moral, Maß und Verantwortung ersetzen können.
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