Eine Klarstellung zuerst: ich habe keine Angst vor Ausländern, sondern eher vor radikalisierten Deutschen – und ich habe Angst vor aggressiver Intoleranz, egal ob sie sich auf Götter, heilige Bücher oder mythisch verklärende Volksbegriffe gründet. Und leider wirken diese Ursachen meiner Angst unheilvoll zusammen, wenn sie aufeinandertreffen und EU-Europa aus der liberalen Bahn werfen.
Denn ich möchte in einem liberalen laizistischen Land leben in rechtsstaatlicher und demokratischer Ordnung ohne Menschen und Organisationen, die die Diktatur eines selbstdefinierten homogenen Volkswillens fordern oder gar ein Kalifat.
Nun bin ich Physiker und juristischer Laie, aber mir drängt sich der Eindruck auf, dass unter dem Einfluss des demokratischen Westens ein Weltregime des Flüchtlingsrechts entstanden ist, das jedem Menschen dieser Erde das prinzipielle Recht gibt zu leben, wo er will. Das „prinzipielle“ Recht ist konkretisiert als ein Recht auf rechtsstaatliche Prüfung, ob er in seinem Heimatland persönlichen Gefahren wie politischer oder religiöser Verfolgung oder staatlicher Willkür, Folter oder Kriegsgeschehen ausgesetzt ist. Einzige Voraussetzung ist, dass er es schafft, seinen Fuß auf das jeweilige Territorium zu setzen und „Asyl“ zu sagen.
Nun hat man dieses Recht zu einer Zeit geschaffen, als es viel schwieriger war, große Entfernungen zu überwinden. Dies war auch nach 1945 immer noch eine Welt, in der man über ferne Gebiete nur spärliche Information haben konnte – eine Zeit, in der auf dieser Erde nur 2 bis 3 Mrd. Menschen lebten, also der Druck von Übervölkerung noch viel geringer war. Auch hat man die individuellen Menschenrechte in einer Weise definiert, die die gesellschaftliche Wirklichkeit auf diesem Planeten bei Weitem überfordert. Das heißt nicht, dass sie falsch sind, hat aber zur Folge, dass diejenigen Staaten, die sich bemühen, das Wesentliche zu befolgen, diejenigen sind, auf die sich der Migrationsdruck konzentriert.
Als nur wenige Menschen den Mut und die Möglichkeit hatten, sich auf den entbehrungsreichen Weg in bessere und sicherere Gefilde zu begeben, war es eine gut erfüllbare völkerrechtliche Vorschrift, ein humanitäres Asyl- und Flüchtlingsrecht zu schaffen. Es stellte sich zwar heraus, dass sich nicht alle Mitglieder der Vereinten Nationen an das geschaffene Recht hielten, dass also in der Praxis nur die jeweiligen Nachbarstaaten der Krisen- und Kriegsgebiete sowie die Wohlstandsgebiete des Nordens in Europa und USA von sehr großen Migrations- und Flüchtlingsströmen betroffen sind, soweit sie sich an das Recht tatsächlich halten.
Nun könnte man hier einen moralisierenden Absatz über Ursachen einschieben; denn es ist unübersehbar, dass es die Entwicklung in den Staaten des Nordens, insbesondere Europas war, die Erde zu einem überschaubaren Wohnort zu machen. Europäer haben sich über 6 Jahrhunderte das Recht genommen, zu leben (und zu herrschen), wo sie wollten. Ihr Beitrag zur Entwicklung der menschlichen Gesellschaft war mit Medizin und Leistungssteigerung der Agrarwirtschaft der Auslöser der beschleunigten Bevölkerungszunahme im Süden, dem heute keine Kontinente wie Amerika und Australien mehr zur Verfügung stehen, wie der europäischen Bevölkerung einige Jahrhunderte zuvor. Es ist sicher fair, dies so zu erwähnen, ändert aber nichts an der derzeitigen Situation und Befindlichkeit der betroffenen Bevölkerungen in Krisen- und Wohlstandsgebieten. Eine Konsequenz sollte dieser historische Hinweis aber haben: Großzügigkeit bei der finanziellen Ausstattung der zurückgeschickten Migranten.
Es ist unübersehbar, dass sich die Bürger der Immigrationsländer in zahlenmäßig relevanter Größenordnung nicht damit abfinden wollen, dass sie die Flüchtlingszahlen wegen individueller Migrantenrechte nicht begrenzen dürfen. Das rasche Wachstum der Menschheit auf 8 Mrd. sowie der Klimawandel hat so viele Krisen-, Hunger- und Kriegsgebiete entstehen lassen (hinzu kommt die Aggressionswillkür von Diktatoren), dass auch früher besonders immigrationsfreundliche Länder zunehmend unwillig werden, das bestehende Asyl- und Flüchtlingsrecht zu befolgen; dazu tragen die überall erstarkten fremdenfeindlichen Parteien und Strömungen bei, die die Demokratie dieser Länder selbst gefährden. Man denke nur an die skandinavischen Staaten als Beispiel, Thüringen und Sachsen sind Menetekel!
Nun ist die Situation in den Staaten der EU schon heute unerträglich; immer mehr Bürger wenden sich wegen der unkontrollierbaren und offenbar nicht begrenzbaren Immigration nationalistischen bis faschistischen Parteien zu. „Schon heute“ muss als Mahnung verstanden werden, dass der Druck auf die EU-Staaten sowie die USA weiter zunehmen wird; denn die Folgen des nicht stoppbaren Klimawandels zusammen mit dem weiteren Bevölkerungswachstum genau dort, wo sich die Lebensbedingungen am schnellsten verschlechtern, werden die in die Wohlstandsgebiete strebenden Menschenströme weiter verstärken.
Dass die Feinde der demokratischen Welt längst erkannt und zu nutzen begonnen haben, diesen Migrationsdruck als Waffe einzusetzen, kommt noch hinzu.
Die bisher so liberalen, humanitär orientierten Staaten des Westens stehen also vor zwei hochproblematischen, spaltenden Möglichkeiten, die entweder von einem illiberalen Bevölkerungsteil immer schärfer oder (mit weniger drastischen Methoden) von der wahrscheinlich schrumpfenden liberal-humanitären Mehrheit bekämpft werden. Die große Gefahr dieser Meinungsspaltung ergibt sich auch daraus, dass die fremdenfeindlichen Kräfte in engem Bündnis mit nationalistischen und faschistoiden Strömungen stehen, ja sogar alle möglichen Sektierer anziehen wie ein Lumpensammler.
Was wäre nun eine wirksame Alternative zum bisherigen Rechtsregime?
Aus dem individuellen Recht von Nicht-EU-Bürgern auf ein Leben in der EU müsste ein „Gnadenrecht“ ohne lange Rechtswegkontrolle werden. Es ist brutal, weil es bedeutet, dass die EU oder Deutschland innerhalb eines gesetzlich definierten Kontingentes souverän entscheidet, wer hier leben darf und wer nicht, ungeachtet seiner Not und Gefährdung im Herkunftsland.
Elemente einer solchen Alternative könnten sein
- gesetzliche Festlegung der Vergabekriterien eines Aufenthaltsrechtes
- gesetzliche Festlegung eines Einwanderungskontingentes
- einstufiger Rechtsweg nach staatlicher Entscheidung
- geschlossene Abschiebelager mit existenzsichernder Verpflegung
- Abschiebungen ohne weitere Rücksicht auf die Situation im Heimatland
- nicht gelingende Abschiebungen verkürzen das Kontingent
Wir stehen wohl vor einer dramatischen Situation!
- Wir können die Dinge laufen lassen, wie bisher, und dabei riskieren, dass die Bevölkerungen sich Regierungen wählen, die den Zuzug effektiv stoppen, ohne sich um Recht und Humanität zu scheren
- oder wir schränken auf demokratischem Wege unsere humanitäre Flüchtlingspolitik ein, leben mit schlechtem Gewissen ob der Brutalität, aber retten, was an Demokratie zu retten ist.
Wenn man sehr nüchtern über diese Alternative nachdenkt, wird es schwer, den Alptraum zu vermeiden, dass beide Wege dasselbe Flüchtlingsrecht zur Folge haben werden, einmal mit und einmal ohne Fortbestand der Demokratie.