Als die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel(65)nach massiven Verlusten der Union bei der Landtagswahl in Hessen 2018 erklärte, den Vorsitz der CDU abzugeben, schlug die Stunde der großen Propheten. Das wäre der Anfang vom Ende auch der Kanzlerschaft, man gab Merkel, die immerhin seit 2000 auf dem Chefsessel der CDU saß, nur noch Monate. Ihr Nachfolger(in) werde sie zur Rentnerin machen, niemals, darauf wurden Wetten abgeschlossen, werde die Frau aus der Uckermark ihre Absicht durchsetzen können, bis zum Ende der Legislaturperiode Kanzlerin bleiben zu wollen. Wieder einmal hatten sich Journalisten und politische Widersacher wie auch sogenannte Experten aus der Politik-Wissenschaft in Merkel getäuscht. Mehr noch, einer ihrer größten Gegner, der damalige CSU-Parteichef und bayerischer Ministerpräsident und heute nur noch Bundesinnenminster Horst Seehofer, der sie einst beim CSU-Parteitag abgekanzelt und der Merkel-Regierung vorgeworfen hatte, es sei eine „Herrschaft des Unrechts“, hat sich gerade Gedanken darüber gemacht, ob es nicht gut sei, wenn Merkel eine fünfte Amtszeit antreten solle.
Nun muss man Seehofer nicht wörtlich nehmen, sondern eher als bayerische Hinterfotzigkeit verstehen. Man geht nämlich nicht zu weit, wenn man dem Mann aus Ingolstadt, der selbst darunter leidet, wie er seinem ärgsten Gegner Markus Söder weichen und ihm sowohl den Vorsitz der CSU wie auch die Leitung der Staatskanzlei des Freistaats in München überlassen musste, unterstellt, dass er mit der Anregung der fünften Amszeit der Merkel ihren potentiellen Erben die Kompetenz für höchste politische Würden abspricht, nämlich in erster Linie eben dem genannten Söder und wohl auch dem NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet, der ja als Favorit für die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer gilt. Und ein CDU-Vorsitzender Laschet wäre gewiß der Mann, der als Kanzlerkandidat der Union ins Rennen ginge bei der Wahl 2021.
Aber auch einer wie Laschet- immerhin ist der Aachener auch Chef des mitgliederstärksten Landesverbandes der CDU-kann sich nicht sicher sein. Die Zeiten ändern sich gelegentlich verdammt schnell und gerade in einer ungewissen Zeit wie jetzt, da eine Pandemie die Welt und damit auch Deutschland heimsucht, können sich die Umstände und damit die Stimmungen blitzschnell ändern. Er müsste sich nur daran erinnern, wie das war, als Annegret Kramp-Karrenbauer CDU-Vorsitzende wurde, als sie sich gegen Friedrich Merz im Dezember 2018 denkbar auf dem CDU-Parteitag durchsetzte. Im Juli des folgenden Jahres wurde sie schließlich Bundesministerin der Verteidigung, ein Schleudersitz für manchen, mit der Ausnahme von Helmut Schmidt, der dort die Reifeprüfung ablegte für seine spätere Kanzlerschaft. Und die neue Ministerin geriet auch in dem Ressort schnell unter Feuer. Die Folge war, dass sie die Zügel der Union nicht mehr in der Hand hielt.Und schon im Frühjahr 2020 kündigte sie an, im Laufe des Jahres den Vorsitz der CDU niederzulegen. Nichts war es mit der Kanzlerin Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz AKK.
Krisenmanager Markus Söder
Dass bisher kein neuer CDU-Chef gewählt worden ist, liegt einzig und allein an Corona. Im Dezember soll auf einem CDU-Konvent zwischen Laschet, Merz und Norbert Röttgen entschieden werden. War der Stand und ist noch der Stand. Die Stimmung hat sich durch Corona aber gedreht. Der Mann, der sich bisher am meisten dagegen sträubt, Kanzlerkandidat der Union zu werden, ist nach allen Meinungsumfragen Markus Söder, der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident. Ich nehme ihm sogar ab, dass er überhaupt nicht die Absicht hat, seinen Hut jetzt in den Ring zu werfen. Der Fall zeigt aber, wie schnell sich die Lage ändern kann. Söder wird von der Mehrheit der Deutschen als besserer Krisenmanager wahrgenommen, der Mann aus Nürnberg nimmt mit seinen 1,94 Meter auf der Bühne wahrhaft den Raum ein und präsentiert den Macher, der souverän den Eindruck vermittelt, als würde er und zwar er allein die Fähigkeit besitzen, das Schiff durch die Corona-Krise steuern zu können.
In der Tat kann man diesen Eindruck gewinnen, zumal Armin Laschet nervös wirkt, überfordert, als könne er es nicht abwarten, dass endlich alle Einschränkungen aufgehoben werden und wieder die neue Normalität, wie er das nennt, den Alltag der Deutschen beherrscht. Laschet scheint sich im Wahlkampf-Modus zu wähnen, gerade so, als müsste er vor Söder entscheiden, was zu tun ist, als müsste er seinen Unions-Leuten zeigen, wer der Chef im Laden ist. Er wirkt nicht überzeugend , was man auch kürzlich wahrnehmen konnte, als er in einer Talk-Show Virologen attackierte, völlig überzogen in der Art und im Ton und in der Sache zudem daneben. Laschet ist Politiker und kein Mediziner.
Wie man das macht, wie man sich in Krisen verhält, das demonstriert seit Wochen die Amtsinhaberin Merkel. Ihr mag zugute kommen, dass sie Physikerin ist, die die Probleme und ihre möglichen Lösungen vom Ende her denkt. Und die auch Virologen ausreden und deren Aussagen stehen lässt, auch wenn sie nur für den Zeitraum „Stand jetzt“ gelten. So ist das nun mal in Zeiten einer Epidemie, die niemand auf dem Schirm hatte, die über die Welt hereinbrach und die die Wissenschafter bis heute über den möglichen Impfstoff forschen lässt. Das sind dann Zeiten, in denen selbst Wissenschaftler unsicher sind und dies auch zeigen, was ihre Glaubwürdigkeit erhöht. Wer in einer solchen Situation meint, es besser zu wissen, erweist sich nur als Besserwisser, aber damit mag man einen Moment in einer Talkshow auffallen, durchkommen wird man damit nicht.
Spreu trennt sich vom Weizen
In der Krise trennt sich die Spreu vom Weizen. Man konnte in den Gesprächen zwischen Merkel und den Ministerpräsidenten die Unterschiede beobachten, sie blieb ziemlich kühl, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und der Fassung schon gar nicht, sie riet zu längerem Warten, ehe man die Schotten wieder öffnen sollte, sie riet dazu, um dem Virus nicht die Chance zu bieten für die zweite Welle, die schlimmer ausfallen könnte als das, was wir bisher erlebt haben. Hände waschen mit Seife, Abstand halten, keine sozialen Kontakte, damit ging es los gegen Corona. Der Rest ist bekannt. Dass es so gut ging in Deutschland, hing auch mit den Einschränkungen zusammen, die man uns zugemutet hat von der Politik auf Anraten der Virologen und die wir mit großer Disziplin ertragen haben. Noch ein paar Wochen des Abwartens wären wohl angebracht gewesen, aber die Landeschefs fühlten sich wohl unter dem Druck der Wirtschaft oder der Fußball-Bundesliga, möglichst bald Lockerungen zu beschließen, damit wieder eingekauft und in Urlaub gefahren werden kann, Kinder wieder in die Kita und Schulen gehen, die Bänder der Autofabriken wieder laufen.
Merkel hatte sich wohl über Lockerungs-Gedanken-Orgien gewundert. Nach außen sah das so auf, als hätten die Ministerpräsidenten die Regie übernommen für das, was nun passiert. In der Fragestunde des Bundestags zeigte sie dann, wer der wahre Chef im Ring ist. Und sie machte mit einer Bemerkung deutlich, wie ernst es ist, zumindest in ihren Augen. Man habe die vergangenen Wochen „gemeinsam gemeistert“, es sei nun Verpflichtung, das Erreichte nicht zu gefährden. Wörtlich ergänzte sie: “ Es wäre doch deprimierend, wenn wir-weil wir zu schnell zu viel wollen- wieder zu Einschränkungen zurückkehren müssten, die wir doch alle hinter uns lassen wollen.“
Da konnte sich angesprochen fühlen, wer wollte, sicher Laschet. Und er wird sich warm anziehen müssen, wenn es schiefgehen sollte. In einem anderen Medium las ich gerade, die Merkel-Erben der CDU könnten froh sein, dass die Wahl des neuen Vorsitzenden auf Dezember verschoben worden ist. Ein neuer CDU-Chef würde jetzt blass aussehen neben der Kanzlerin, die als Krisenmanagerin zeigt, was Regieren bedeutet: Führen, Verantwortung übernehmen, auf Sicht kontrolliert fahren.
Damit ich das nicht vergesse: Auch ich habe auf das vorzeitige Ende der Kanzlerin Merkel gewettet.
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