„Überall Murren“, reagiert ein alter Fahrensmann aus dem Lager der Union, der die Partei gut kennt und schon bei Helmut Kohl dabei war. Ja, die Stimmung im Lande ist schlechter geworden, der Glanz der Kanzlerin, der man mal sagte, stärkste Frau der Welt zu sein, politisch natürlich gemeint, scheint zu verblassen. Was sich auch in den Umfragen zeigt, wo Merkel irgendwo in der 30-Prozent-Zone steht. Dabei geht es der weit überwiegenden Mehrheit der Deutschen gut, nicht wenigen sogar sehr gut, aber davon kann die CDU-Chefin nicht profitieren. Ist der Lack ab? Wie einst bei Kohl, als der nicht merkte, dass er zu lange dran war und die Menschen in Deutschland ihn nicht mehr wollten?
Das Vertrauen in Merkel schwindet, das macht auch die Presseschau über die jüngste Pressekonferenz der Kanzlerin gerade in Berlin deutlich. Das höchste Lob war noch “pragmatisch“, aber ansonsten haben viele Korrespondenten vieles vermisst. Das 9-Punkte-Programm, im Grunde kalter Kaffee, nichts Neues. Das „Wir schaffen das“, hat sie wiederholt, aber kaum jemand folgt Angela Merkel, weil man spürt, dass sie keinen Plan hat.
Gut gemeint, aber nicht gemacht
Dass sie ihre traditionelle Pressekonferenz vorzog, um noch einmal die Journalisten und damit die Öffentlichkeit auf ihre Politik einzustimmen, ehe sie in den Urlaub fährt, das war gut gemeint. Aber dann hätte sie auch was mitbringen müssen. Aber sie tat nur so, als hätte sie etwas dabei, doch man merkte schnell, dass das im Grunde mehr heiße Luft war, was sie da vortrug.
Beim entscheidenden Problem in Europa, der Flüchtlingspolitik, steht die Bundeskanzlerin in der EU alleine da. Die Flüchtlinge aus vielen bedrängten Regionen der Welt wollen nicht nur nach Europa, sie wollen nach Deutschland, in das gelobte Land, so haben es ihnen die Schleuser gesagt. Und niemand kann sie davon abbringen, sich auf die gefahrvolle Reise über Meere zu begeben. Sie riskieren ihr Leben, damit sie dem Elend zu Hause entkommen. Ihnen zu helfen, das ist ein Akt der Menschlichkeit. Der Kommentator von WDR-2, Ralf Sina, hat doch recht, wenn er meint, allein schafft Deutschland das nicht, auch wenn Merkel das wieder und wieder behauptet. Es gibt keine faire Flüchtlingsverteilung in Europa und es gibt keine gesicherten Außengrenzen. Und wer die Lage in manchen Teilen Afrikas gut kennt, befürchtet schon länger, dass da Millionen auf ihren Koffern sitzen, um nach Deutschland zu kommen. Weil sie kein Wasser haben, kaum etwas zu essen, einen Job sowieso nicht.
Europäer helfen Flüchtlingen nicht
Die Europäer sperren sich, sogar die Skandinavier, von den Polen gar nicht zu reden oder den Tschechen oder den Ungarn, die Briten entfernen sich noch weiter von der EU, da ist keine Hilfe zu erwarten. Und die Italiener und Griechen haben ohnehin mit den Flüchtlingen, die schon in ihrem Land leben, genug zu tun. Sich auf eine finstere Gestalt wie den Türken-Präsidenten Erdogan zu verlassen, das war und ist ein hochriskantes Spiel. Wenn der den Daumen senkt und den Pakt platzen lässt, machen sich erneut Millionen auf den Weg. Dann wäre die Atempause dahin, die man hierzulande länger und dringend bräuchte, um mit dem schon besehenden Problem der Integration von Hunderttausenden von Flüchtlingen fertig zu werden.
Es stimmt ja, es gibt keinen Konkurrenten für Merkel um die Macht im Kanzleramt, nicht in den eigenen Reihen und nicht in den Reihen der anderen Parteien. Das war, daran erinnert die SZ in einem Beitrag, am Ende der Ära von Helmut Kohl anders. Damals drängten die SPD-Ministerpräsidenten um Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine an die Macht, sie setzten dem amtierenden Kanzler mächtig zu. Und da er nicht freiwillig von der Macht ließ und diese nicht Wolfgang Schäuble überlassen wollte, wurde er bei der Wahl 1998 abgewählt. Die meisten Deutschen wollten ihn nicht mehr, er war zu lange dran und hatte den richtigen Zeitpunkt für einen geordneten Abgang verpasst. Kohl regierte 16 Jahre, Angela Merkel führt das Land seit 2005.
Die Schwäche der SPD als Machterhalt?
In der SPD gibt es keinen wie Schröder, es gibt auch keinen wie Lafontaine, einer wie Franz Müntefering fehlt ebenso, der die Partei in Schwung bringen könnte. Aber ob die Schwäche der SPD reicht zum Machterhalt für Merkel, ob das reicht, bei der nächsten Bundestagswahl noch einmal anzutreten und zu gewinnen?
„Überall murren“, um nochmal den Unions-Freund zu zitieren. Das Murren gilt Merkel. „Es gibt Zweifel und Angst“, so die SZ weiter, „Ratlosigkeit, Ohnmacht und Wut. Man hätte genau dazu gerne ausführlich etwas von der Frau gehört, die nun seit elf Jahren Deutschland regiert.“
Merkel sprach von einer „historischen Bewährungsprobe“. Ob sie damit meinte, dass wir in unsicheren Zeiten leben, auch wegen Terror, Gewalt, Selbstmordanschlägen, Erdogan, den Flüchtlingen. Pragmatische Erklärungen sind zu wenig in solch einer Situation. Das Vertrauen in Merkel schwindet. Auch in den eigenen Reihen, nicht nur in der CSU.
Bildquelle: Youtube, extra 3, 15.5.2016, Public Domain