Angela Merkel, Horst Seehofer und Finanzminister Wolfgang Schäuble wollen also den Soli schrittweise senken. So hat die „Süddeutsche Zeitung“ erfahren. Demnach soll die Rückführung des Solidaritätszuschlags ab 2020 beginnen und um 2030 enden. Man stelle sich das mal vor: Ab 2020. Man darf aus heutiger Sicht getrost davon ausgehen, dass Horst Seehofer dann nicht mehr im Amt ist. 2018 will er angeblich nicht mehr antreten. In Bayern nennen sie den Ministerpräsidenten gern Drehofer, weil er seine Meinung, so er denn überhaupt eine hat, pausenlos und so schnell ändert, dass selbst seine Umgebung manchmal nicht mehr weiß, wo der Chef denn momentan genau steht. Aber immerhin, er ist dafür, dass der Soli gesenkt und am Ende gestrichen wird.
Auch bei Schäuble darf man annehmen, dass er sich irgendwann zurückzieht aufs Altenteil. Der CDU-Politiker wird im September 73 Jahre alt. Über die weitere Amtszeit der Kanzlerin, die gerade mal 60 ist, wird seit einiger Zeit spekuliert. Sie regiert seit 2005. Mit ihr, oder wegen ihr, feiert die Union, die ansonsten in den Ländern eher schwach vertreten ist, auf Bundesebene Siege, die die politische Gegnerschaft stauen, ja erstarren lässt. Mit Merkel steht die Union bei über 40 Prozent.
Was man von solchen Plänen halten soll? Man macht sich beim zahlenden Volk immer beliebt, wenn man mit Vorschlägen in die Öffentlichkeit geht, man wolle Steuern und Abgaben senken. Das bedeutet ja noch lange nicht, dass es dann so kommt. Es ist leichter gesagt, missliebige Steuern abzuschaffen als solche Pläne umzusetzen, weil man dann auch die Lücke schließen muss, die dadurch entsteht. Wie will der Bund jene Ausgaben bezahlen, die er sich für Familien, die Bundeswehr und die Entwicklungshilfe zusätzlich aufgeladen hat?
Ferner haben die Bundesländer-West längst ein Auge auf die Gelder geworfen, mit denen der Osten der Republik seit Jahr und Tag saniert wird, und von denen beim Auslaufen der Westen profitieren könnte. Ein Bedarf liegt vor, denn nicht nur das Ruhrgebiet leidet unter dem Strukturwandel, auch andere notleidende Regionen fordern Bundesmittel, um den Anschluss an das übrige Deutschland nicht ganz zu verpassen. Blühende Landschaften würde man auch ganz gern in Niedersachsen, in Westfalen, im Rheinland, in der Eifel oder im Fränkischen sehen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Aber wie gesagt, es handelt sich um Zukunftspläne, die auf jeden Fall den schnellen Zweck erfüllen, die politische Konkurrenz unter Druck zu setzen. Prompt hat sich SPD-Chef Sigmar Gabriel, der zuvor informiert worden war, enttäuscht gezeigt vom Vorgehen der Union, mit der die SPD in der Bundesregierung sitzt. Gabriel hatte wohl auf die ursprüngliche Überlegung Schäubles gesetzt, den Soli abzuschaffen und im Gegenzug die Einkommenssteuersätze aufkommensneutral zu erhöhen. Aber dann hätte der Bund die stattlichen Einnahmen von immerhin 15 Milliarden Euro mit den Ländern und Gemeinden teilen müssen.
Der Soli, also der Zuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommens-, Kapitalertrags- und Körperschaftssteuerschuld, wird seit 1991 erhoben. Begründet wurde der Solidaritätszuschlag mit den Kosten des Golfkriegs und der deutschen Einheit. Anders als mancherorts angenommen, wird die Abgabe im Westen wie im Osten erhoben. Mit dem Ende der Ostförderung 2019 wäre dieser Soli zumindest verfassungsrechtlich angreifbar geworden. Statt seiner aber die Einkommensteuer heraufzusetzen, hätte die Union in eine Glaubwürdigkeitskrise gestürzt, weil sie vor der letzten Wahl versprochen hatten, auf jede Steuerhöhung zu verzichten.
Die SPD steht in der großen Koalition wieder mal allein da. Sie hat nichts gegen diese Pläne in der Hand. Man hat den Eindruck, dass die Kanzlerin mit ihrem Koalitionspartner, der mit Umfragewerten von gerade mal um die 25 Prozent weit davon entfernt ist, eigene Machtpläne entwickeln zu können, spielt. Sie kann wie immer seit der Regierungsbildung davon ausgehen, dass der SPD-Chef und Vizekanzler schlucken wird, was die Chefin ihm vorsetzt. Das hat sich schon bei anderen Projekten gezeigt, selbst bei der umstrittenen Gesetzesvorlage zur Maut des Verkehrsministers Dobrindt(CSU) wagte die SPD-Spitze nicht den Protest. Und das, obwohl auch die Kanzlerin noch im Wahlkampf betont hatte, mit ihr werde es keine Maut geben.
Bildquelle: Wikipedia, Pixelfehler – Eigenes Werk, Angela Merkel nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig , CC BY-SA 3.0