Claudia Okafor zog 2005 mit ihren Söhnen Alexander und Dominic ins damals noch verrufene Gallusviertel in Frankfurt am Main. Sie arbeitete als Reinigungskraft in einem Hotel. Ihr Ehemann, von dem sie getrennt lebte, war afrikanischer Herkunft. Ihre Kinder haben eine dunkle Hautfarbe. Sie wurden oft diskriminiert, sie versuchten erfolgreich, sich mit Sport zu behaupten.
Claudia Okafor erlebte schlimme familiäre und gesundheitliche Krisen. Sie hinterließen Spuren, aber die cool und überlegen wirkende Frau wurde mit den Belastungen fertig.
Sie hatte eine Zeitlang in den USA gelebt, unter anderem in Chicago. Dort kam sie manchmal in einen der Slums, Cabrini Green.
CLAUDIA OKAFOR
The ghetto – Cabrini Green in Chicago: Hochhäuser, verschiedene Gangs. Schießereien habe ich gesehen. Die Leute, die Drogen verkaufen, die tragen Revolver – die ziehen große T-Shirts an und stecken sie da rein. Und Kinder von zehn Jahren sind da, um Drogen zu verkaufen. Die gehen nicht in die Schule, die stehen an der Ecke …
Es ist hier ganz anders als in Chicago. Nein, ich habe nicht überlegt, aus dem Gallus wegzugehen. Ich habe eine schöne Wohnung. Alles ist hier praktisch – Einkaufsmöglichkeiten, die Straßenbahn …
Ich arbeite in einem Hotel, als Zimmermädchen. Die Bezahlung ist relativ fair. Das wird nur alle vier bis sechs Monate verlängert. Ich bin die beste Mitarbeiterin, kann ich sagen. Ich bin die Älteste – jeder nimmt mich als „Mama“. Ich bin glücklich, ich bin zufrieden.
Es ist Arbeit, es ist etwas Positives, ein Vorbild für die Kinder. Dass ich nicht nur „Hartz IV“ bekomme, sondern dass ich arbeite. Das ist der Satz, den Kinder immer sagen – „Schau mal, was du machst, Mama – du bist arbeitslos seit Jahren. Ich kann das später auch machen.“ Das ist hart, das ist anstrengend manchmal – aber du musst das machen – für dich selber und für die Kinder.
Meine Kinder sind echt stabil. Ich versuche meinen Kindern immer Liebe, Liebe zu geben, Sicherheit zu geben. Kinder brauchen Sicherheit. Ich rede mit meinen Kindern, wenn etwas falsch ist, die müssen mir zuhören. Aber man muss die auch ausreden lassen. Du musst dein Kind sein Leben leben lassen. Das klappt mit mir und meinen Kindern. Nicht anschreien „Du musst das machen !“. Du musst erklären, warum. Egal, wie anstrengend das ist – ich bin konsequent. Die Kindern müssen lernen – wenn sie Fehler machen, dann hat das Konsequenzen im Leben.
Im Hort gibt es zu viele Kinder, nicht genug Betreuung. Ich finde, der Hort hier ist überfordert. Das ist nicht die Schuld der Betreuer. Ein Betreuer arbeitet mit 15 bis 20 Kindern. Ich finde, etwas sollte gemacht werden. Die Politik muss das regeln – und zuhören, den Leuten zuhören.
Manchmal sagen die Kinder „Mama, ich will weg hier – die Kinder hier nerven mich“. In der Schule hat Alexander Probleme mit einem Kind – das hat ihn jeden Tag gemobbt, lange Zeit. Ich war da, ich habe gesagt, ich nehme mein Kind von der Schule, wenn das nicht geregelt wird. Am Ende haben die das endlich in den Griff bekommen. Der hat mein Kind geschlagen, auf den Boden geworfen. Die Betreuung in der Pause, auf dem Hof macht gar nichts. Die Eltern sagen – das ist ein schwarzes Kind. Die sind dreckig, die sind das und jenes … Deswegen kommt das Mobbing.
Ich hab bei der Polizei mit dem Boss gesprochen. Jetzt – ich finde das Klasse, dass Polizisten hier vorbeikommen, in Zivil. Der Chef hat mir gesagt, er fängt das an, weil er viele Anrufe aus dem Gallusviertel hatte – Mobbing unter Kindern. Er wollte das in den Griff bekommen.
Es gibt Kinder, die bekommen nicht die richtige Erziehung von ihren Eltern. Wenn die keine Liebe bekommen, kein Verständnis – das stört ihre Entwicklung. Die Kinder können machen, was sie möchten. Kriminell sein – egal. Die Kinder machen, was die Eltern machen.
Alles ist prima mit Alexander und Dominic. Die gehen immer nach draußen. Meine Kinder sind nicht süchtig nach Playstation. Ich kontrolliere, was die machen. Wenn mir das nicht gefällt, rede ich mit denen. Alexander ist in der Boxmannschaft. „Mama, da gibt es dieses Box-Camp, ich will da hingehen.“ Nette Leute, die helfen den Kindern – Disziplin, Regeln einhalten. Die helfen den Kindern bei den Hausaufgaben. Der Hossein, der Cheftrainer, ist eine echt, echt, echt geile Person. Wenn die Kinder Probleme haben, kommen sie zu Hossein. Der hört zu. Hossein erlaubt das nicht, wenn Kinder nicht andere Leute respektieren.
Ich nutze das Leben aus – mit meinen Kindern. Die sind das Beste in meinem Leben – die geben mir die Kraft weiterzugehen.
Bildquelle: Von Dontworry – Eigenes Werk via Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Geschichten aus Deutschlands Armutszonen:
Teil I: „ICH SCHAUE IN DIE AUGEN DER ANDEREN – UND DIE SAGEN, ICH BIN KEIN MENSCH.“ Auf der Flucht vor Armut
Teil II: „MAN DARF SICH NIE AUFGEBEN !“ – Langzeitarbeitslose in Duisburg-Hochfeld
Teil III: „JEDER VON UNS LEISTET 300 ARBEITSSTUNDEN IM MONAT. MUSS SEIN“ Selbständige in den Armutszonen
Teil IV: „MEINE KINDER – DIE SIND DAS BESTE IN MEINEM LEBEN, DIE GEBEN MIR DIE KRAFT WEITERZUGEHEN“
Alleinerziehende im „sozialen Brennpunkt“