Mehrheit ist Mehrheit. Eine Stimme reicht. Und wenn es die eigene war. Das wusste schon Konrad Adenauer und auch der alte Stratege der SPD in den 60er und 70er Jahren, Herbert Wehner, kümmerte es kaum, wenn es so knapp war zwischen der Koalition und der Opposition. Knappe Mehrheiten sorgen für Disziplin. So ist das nun in NRW mit der CDU von Armin Laschet und der FDP von Christian Lindner, der zwar die Regie führen wird bei den Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen, der aber dann im Falle des Wiedereinzugs der Liberalen in den Bundestag NRW Richtung Hauptstadt verlassen wird, um dort die Bundes-FDP zu führen. Und wenn er noch so rumzickt, der Lindner, an einer Koalition mit der CDU führt kein Weg vorbei. Der Wähler hat es so gewollt, kaum zu glauben, dass er solche Verhandlungen scheitern lassen würde. Nein, er will den Preis hochtreiben, möglichst viele inhaltliche Fragen in seinem Sinne geklärt haben und wichtige Ressorts mit FDP-Ministern besetzen lassen. Seine Sorgen kann man nachvollziehen, die letzte Koalition in Düsseldorf zwischen der FDP und der CDU unter Rüttgers war nicht unbedingt ein Renner, sie wurde nach nur einer Legislaturperiode abgewählt.
Lindner sieht das Risiko der FDP mit Merkel
Nicht vergessen haben dürfte er auch das klägliche Scheitern des Bündnisses seiner Liberalen mit Angela Merkels CDU von 2009 bis 2013. Vollmundig ging man ans Regieren, viel zu laut, Steuersenkung war das große Thema, am Ende hieß die FDP schlichtweg Mövenpick-Partei und bei der Wahl 2013 schaffte sie nicht einmal den Einzug ins Parlament. Das will Christian Lindner, dessen FDP im Grunde nur aus ihm selbst und Wolfgang Kubicki besteht, verhindern. Er weiß auch um die Schwierigkeiten, sollte seine FDP nach der Bundestagswahl mit Merkel regieren. Die SPD ging 2005 in eine große Koalition, stellte wichtige Minister, darunter Franz Müntefering, Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und feierte sich, weil sie SPD-Politik umsetzen konnte. Doch wer erntete am Ende? Merkel. Es dürfte die Kanzlerin eher zum Grinsen veranlasst haben, dass man ihr vorhielt, sie betriebe eine Sozialdemokratisierung der CDU. Dann war die FDP mit Guido Westerwelle dran, angeblich das Wunsch-Bündnis. Und? Am Ende war man draußen, durfte sich die große Politik vom Vorplatz des Reichstags anschauen. Dann wieder große Koalition. Und wieder macht die SPD die Politik, glaubt sie zumindest, aber Merkel kassiert den Erfolg als den ihren. Sie ist schließlich Chefin.
Medien: Gang der SPD in die Opposition richtig
Noch ein Wort zu NRW, dieses Mal zum Thema Medien. Dass der Vorstand der geschlagenen NRW-SPD nach stundenlangen Diskussionen beschloss, nicht in eine große Koalition unter Führung von Laschet zu gehen, sondern den steinigen Weg in die Opposition anzutreten, fand ich logisch und fühlte mich bestätigt durch den Leitartikel in der „Süddeutschen Zeitung“. Der Autor urteilte: „Es war eine Abwahl ohne Wenn und Aber. Die eine Regierungspartei bekommt ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen des Landes“. So heißt es wörtlich. Und später geht es weiter: „Deutlicher kann ein Misstrauensvotum nicht ausfallen…. Die Mehrheit der Wähler will …fürs Erste überhaupt keine sozialdemokratischen Minister mehr. ..Sollen es andere besser machen an den vielerorts überforderten Schulen, mit den Staus auf den Straßen, mit dem unguten Gefühl vieler Bürger, in manchen Vierteln ihrer Städte nicht sicher zu sein. Es ist darum richtig, dass sich die SPD nach ihrem Wahldesaster in NRW entschieden hat, in die Opposition zu gehen.“
Nein, es wäre nicht zu vermitteln gewesen, wenn SPD-Minister weiter in der Nähe der Fleischtöpfe gewesen und in ihren Dienstwagen vorgefahren wären. Nach der größten Wahlschlappe in der Geschichte der Landes-SPD, die ja über viele Jahre die Ministerpräsidenten gestellt hatte. Und, wichtig dazu: Für eine Regierungsbildung wird die SPD nicht gebraucht. Mag sein, dass damit Laschet eine Karte weniger im Spiel gegen die FDP hat, mag sein, dass das Drohpotential der Liberalen sich damit fast erschöpft. Aber siehe oben: CDU und FDP haben eine Mehrheit.
Medien: Verzicht der SPD ist erbärmlich
Man muss nun wegen des Verzichts der SPD in NRW auf eine große Koalition nicht gleich den Hut ziehen, aber respektieren, dass sie begriffen haben, was am Sonntag in einem einstigen Stammland der Partei passiert war. Da gibt es eigentlich keinen Widerspruch, aber nur eigentlich, wie ich dem „Bonner Generalanzeiger“ entnehmen musste. „Erbärmlich“ nennt die Autorin das Verhalten der SPD, las ich und glaubte, die Dame wäre immer noch im Wahlkampfmodus gegen die SPD. Und dann folgten weitere Sätze, die bei mir nur Kopfschütteln auslösten: Die SPD habe mit ihrem Beschluss „demokratische Gepflogenheiten verletzt“. Bin ich etwa in einem falschen Film? Ich habe ja schon manches gelesen, was man der SPD alles vorwerfen kann, woran sie Schuld ist, aber dass die älteste deutsche Partei demokratische Gepflogenheiten verletzt habe, ist neu. Weiter ist dann ist die Rede von „schnöder Absage“, die mit einer „ernsthaften demokratischen Haltung nicht zu vereinbaren“ sei. Junge, Junge, hier wird aber ein dicker Knüppel geschwungen. Fazit der Autorin.: „Sich nach einer Wahl keiner Verantwortung zu stellen, ist erbärmlich.“ Vorsicht, so was kann einem auf die eigenen Füße fallen.
Torsten Albig hat ein Einsehen-aber nicht ganz
Nun endlich, zehn Tage nach der Abwahl hat der Verlierer Torsten Albig ein Einsehen und er geht. Aber nicht so, wie man das als guter Verlierer macht, Albig bleibt sich treu und bekommt von Kubicki eins eingeschenkt und zwar zu Recht: „Es ist ein längst überfälliger Schritt. Torsten Albig hat- anders als Hannelore Kraft- den Zeitpunkt eines würdevollen Abgangs verpasst.“ Der 53jährige SPD-Politiker, der schon mal Sprecher des Finanzministers war, dann OB von Kiel, nicht unbedingt ein strahlender Held in der politischen Arena, teilte mit, er stehe für eine weitere Amtsperiode nicht zur Verfügung. Da reibt man sich die Augen? Was meinte er damit? Glaubte er etwa, er könnte eine Ampel-Koalition in Schleswig-Holstein führen? Hatte er nicht gehört, dass Kubicki,- der ist einer der Wahlsieger im Norden gewesen- ausgerechnet eine solche Allianz unter Albig gleich nach der Wahl ausgeschlossen hatte, was aber die wenn auch geringe Chance einer Ampel unter einem anderen Sozialdemokraten offen gelassen hätte. Das ist nun wegen des Zögerns von Albig kein Thema mehr, wie der Liberale betonte.
Exfrau nicht mehr auf Augenhöhe mit dem MP
Aber bleiben wir noch bei Albig, der noch Weiteres von sich gab: So begründete er seinen jetzigen Ausstieg aus der Politik auch damit, dass er der „Unterstellung der Vermischung öffentlicher und privater Interessen den Boden entziehen“ wolle. Diese sei substanzlos. Wie bitte? Er kann sich zwar ärgern, dass Teile der SPD im Land und im Bund ihm die klare Wahlniederlage an der Förde gegen einen weithin unbekannten CDU-Aufsteiger namens Daniel Günther in die Schuhe schoben und ihm ein Interview in der Illustrierten „Bunte“ anlasteten, in dem er über sein Privatleben und die Gründe für die Trennung von seiner langjährigen Ehefrau sprach. So hatte der Mann, der ansonsten vor allem als farblos gilt, in der „Bunten“ ausgebreitet, er habe sich von seiner Frau getrennt, weil er und sie sich kaum noch auf Augenhöhe ausgetauscht hätten. Wörtlich heißt es vom SPD-Politiker zum Verhältnis zu seiner Frau: „Wir haben uns ja mal sehr geliebt. Aber leider haben wir beide nicht genügend auf uns aufgepasst. Irgendwann entwickelte sich mein Leben schneller als ihres. Wir hatten nur noch wenige Momente, in denen wir uns auf Augenhöhe ausgetauscht haben. Ich war beruflich ständig unterwegs, meine Frau war in der Rolle als Mutter und Managerin unseres Haushalts gefangen.“ Da freuen sich manche Frauen, wenn sie das lesen aus dem Munde eines Mannes, der als Ministerpräsident das Land regiert und erneut für eine Wahl kandidiert.
Ein Interview zerschlug die Stimmung
Die SPD-Generalsekrätin Katarina Barley war die erste, die das Interview für die herben Stimmenverluste der SPD an der Küste mitverantwortlich machte. Es sei in den letzten Wochen vor der Wahl gar nicht mehr so sehr um politische, um Gerechtigkeitsthemen gegangen, sondern eher um Dinge wie das Privatleben des Ministerpräsidenten. „So sehen wir auch, dass offensichtlich vor allem Frauen weniger die SPD gewählt haben“, erklärte die Generalsekretärin. Ähnlich reagierte Albigs bisheriger grüner Stellvertreter, Robert Hobeck. Viele Leute hätten es als nicht besonders klug empfunden, dass Albig die Trennungsgeschichte von seiner Familie breitgetreten habe“, so Habeck. Und auch der FDP-Mann Kubicki, der sein ganzes Leben an der Küste verbracht hat und die Menschen dort oben kennt wie seine Westentasche, nannte als Gründe für die schweren SPD-Verluste in Schleswig-Holstein : „Das selbstgefällige und arrogante Verhalten des noch amtierenden Ministerpräsidenten und insbesondere seine Stillosigkeit gegenüber seiner Noch-Ehefrau.“ Und falls das immer noch nicht reicht, bis es Albig kapiert, ein Satz eines seiner Amtsvorgänger, Peter-Harry, Carstensen, zugegeben ein CDU-Mann. Wörtlich hatte der gesagt: „Das Interview in der Bunten hat die Stimmung zerschlagen.“
Als Scharping am Pool plantschte
Man fühlt sich fast an Rudolf Scharping erinnert, den glücklosen Verteidigungsminister im Kabinett von Gerhard Schröder. Der ließ sich 2002 mit seiner Lebensgefährtin Gräfin Pilati beim Plantschen im Pool auf der Insel Mallorca in der „Bunten“ablichten, als in Berlin gerade über einen Auslandseinsatz der Bundeswehr diskutiert wurde. Scharping wurde gefeuert.
Bildquelle: nrw.de, Landeszeichen, gemeinfrei