Die Bundesregierung hat ein neues Integrationsgesetz beschlossen und damit Kritik der Opposition ausgelöst. Nun ist es nicht Sache der Opposition, die Arbeit von Merkel und Gabriel zu loben, das tun die schon selber. Aber Kritik muss stimmen, sie darf nicht ob der Kritik willen erhoben werden. Was eigentlich spricht gegen die Linie der Großen Koalition: Fördern und Fordern? Was einschließt, dass derjenige, der gefördert wird, diese Förderung auch abruft und dafür entsprechende Leistungen bringt. Heißt hier: Deutsch-Kurse müssen Pflichtveranstaltungen werden. Flüchtlinge ohne deutsche Sprachkenntnisse bleiben Fremde in diesem Land, ohne Schulabschlüsse keine berufliche Bildung, ohne berufliche Bildung kein vernünftiger Job. Integration in die deutsche Gesellschaft ist das langfristige Ziel, nur so kann man Parallelgesellschaften verhindern.
Das Gesetz, das noch vom Bundestag diskutiert und dort verändert werden kann, ehe es beschlossen wird, ist auch keine Mogelpackung, wie die Grünen einwerfen, es ist kein Generalverdacht gegen wen auch immer, es bedient auch keine Stimmungen am rechten Rand. Es zeigt aber eine Gesamt-Linie auf, an der entlang Politik verlaufen soll. Der Gesetzesvorstoß ist die Antwort auf die Flüchtlingswanderung, er soll eine Million Ausländern helfen, in Deutschland integriert zu werden. Und Integration schließt unbedingt die deutsche Seite mit ein, ihr Verständnis für eine solche Politik, von der alle profitieren sollen. Und ein solches Gesetz ist kein Einknicken vor den Rechtspopulisten der AfD, die für eine Abschottung Deutschlands eintreten, die spalten und nicht zusammenführen wollen.
Kardinal Wölkis Aktion ist eine Anklage der EU
Es ist gut und richtig, wenn sich die Kirchen in die Debatte für die Flüchtlinge engagieren, wenn der Kölner Kardinal Wölki ein so genanntes Flüchtlings-Schiff der Schlepper- es ist ja mehr ein Wrack- vor dem Kölner Dom aufstellen lässt, um von dort die Messe zu lesen. Es ist eine Mahnung an alle Gläubigen und Besucher, diesem Boot einen Platz im Kölner Dom zu geben: So darf man mit Flüchtlingen nicht umgehen, das ist unmenschlich, das ist menschenunwürdig. Und es ist eine Anklage an die Europäer mit der Forderung, mehr Solidarität mit Menschen in Not zu zeigen und sie nicht absaufen zu lassen, wie das gerade wieder geschehen ist.
Wie lächerlich diese neue Rechte ist, hat gerade die Vorfeld-Organisation der AfD, Pegida, bewiesen, indem sie sich gegen diese Fußball-Bildchen mit den Nationalspielern Boateng und Gündogan ausgesprochen hat. Mezut Özil, der deutsch-türkische Kicker, der aus Schalke kam und über Bremen und Madrid bei Arsenal London gelandet ist, gehört auch hierher. Mal abgesehen davon, dass der Gündogan verletzt ist und gar nicht bei der Europameisterschaft in Frankreich mitspielen kann, zeigt die Aktion von Pegida die ganze Lächerlichkeit und Erbärmlichkeit dieser Protestbewegung. Boateng, seit Jahr und Tag einer der besten Innenverteidiger der Welt, der bei Bayern München sein Geld verdient und der in der Planung des deutschen Trainers Löw eine herausragende Rolle spielt, hat kürzlich mal davon gesprochen, es wäre sein Wunsch(oder Traum?), mal als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft aufzulaufen. Klasse, der Mann, nicht nur am Ball.
Einwanderungsgesetz muss kommen
Dass zur Integration mehr Sprachkurse gehören und mehr Lehrer, also mehr Geld, ist genauso eine Selbstverständlichkeit, wie die Feststellung, Flüchtlinge können nur dann gezwungen werden, einen Sprachkurs zu absolvieren, wenn selbiger auch angeboten wird. Na, was denn sonst! Auch ein Einwanderungsgesetz gehört hierher. Es war ein Fehler der Kanzlerin, dass sie ein solches Vorhaben der rot-grünen Regierung unter ihrem Amtsvorgänger Gerhard Schröder(SPD) verhindert hat. Manchmal ist es nicht gut, wenn man Dinge für falsch erklärt, nur weil sie vom politischen Gegner kommen. Das gilt für alle Parteien im Bundestag und es wäre ein Gewinn, wenn wir mal wieder Debatten erlebten, bei denen der Redner seine Parteibrille abnimmt und über den Tellerrand hinausschaut. Wenn mehr zugehört wird, wenn der andere spricht.
Integration ist ein langer Weg. Ohne Zäune. Ohne Vorurteile. Deutschland ist ein offenes Land, ein liberales, soziales, tolerantes. In unserem Staat herrscht Religionsfreiheit. Danach gilt es sich zu richten und nicht nach Forderungen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Er ist längst hier, man frage die Millionen Türken, die seit Jahrzehnten hier leben. Natürlich ist nicht alles gut und nicht alles gut gelaufen in der Vergangenheit. Das gilt es ebenso zu reparieren und zu korrigieren wie die krassen und immer größer werdenden Unterschiede zwischen wenigen Reichen und vielen Armen. Das ist ein Ärgernis und muss ein Thema sein, gerade für die alte Arbeiterpartei SPD, Sigmar Gabriel.
Einander achten und aufeinander achten
Der frühere Bundespräsident Johannes Rau hatte seine Politik auf die Linie “Versöhnen statt spalten“ ausgerichtet. Auch der Satz „einander achten und aufeinander achten“ stammt von ihm. Das ist gelebte Solidarität, Menschenwürde, wie es im Grundgesetz steht. Millionen Deutsche haben in den letzten Monaten angepackt und Flüchtlingen geholfen. Der jetzige Bundespräsident Joachim Gauck hat gerade den ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt mit den Worten zitiert: Mehr Demokratie wagen. Heißt auch Streit unter den Demokraten um den richtigen Weg zum Ziel, an dessen Ende nur der Kompromiss stehen kann, weil niemand die alleinige Macht in diesem Staat ausübt. Dafür haben wir den Bundestag, den Bundesrat, die Regierung, die Opposition. Einfache Lösungen, wie uns die Rechtspopulisten mit ihrem kruden Formulierungen weismachen wollen, gibt es nicht. Wir sind nicht allein auf dieser Welt, nicht allein in Europa. Auch hier steht am Ende der Kompromiss aus den Ideen vieler Demokraten.
Klare Kante für die Demokratie, hat die „Frankfurter Rundschau“ ein Interview mit einem der Grünen-Politiker, Jürgen Trittin, überschrieben. Klare Kante für die Freiheit, für die offene Diskussion. Die Demokratie kennt keine letzten Wahrheiten, schreibt die FDP-Politikerin und ehemalige Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“. Sie beruft sich darin auf einen ihrer Altvorderen, auf Ralf Dahrendorf, von dem der Satz stammt: „Konflikt ist Freiheit“. Der Rechtspopulismus habe es sich zum Programm erhoben, diese Freiheit zu bekämpfen, folgert die Freidemokratin. Und sie rät ihren Kolleginnen und Kollegen, allen Bürgerinnen und Bürgern, die AfD inhaltlich zu stellen, indem man anhand der Inhalte der AfD die Unvereinbarkeit mit unseren Werten deutlich mache. Oder nach Trittin: Klare Kante für die Demokratie. Gegen die Feinde de Freiheit.
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