Die Kanzlerin war gegen die PKW-Maut. Hatte sie doch einst verkündet, mit ihr werde es keine PKW-Maut geben. Und schon hatten damals viele gemeint, Merkel werde diesen Unsinn schon verhindern. Angela Merkel, die angeblich mächtigste Frau nicht nur in Europa, sondern auf dem Erdkreis. Und? Sie ist beschlossen, die PKW-Maut, 2016 sollen Ausländer sie zahlen, deutsche Autofahrer erhalten die Maut-Abgabe durch Rückerstattung über die Kfz-Steuer zurück. Gerecht soll das sein? Mit dem Europa-Recht vereinbar? Kaum zu glauben, denn natürlich zahlen wir das Pickerl in Österreich, aber nicht nur wir, auch die Einheimischen im Nachbarland müssen zahlen.
Vielleicht hat die Kanzlerin bei ihrer Zustimmung im Bundestag auch an den ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer gedacht, der in Fällen von Meinungsänderungen gern für sich den Satz reklamierte: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?!
Die SPD war auch gegen die PKW-Maut, einer ihrer einflussreichsten Vertreter, NRW-Verkehrsminister Michael Groschek, hatte die Pläne von Alexander Dobrindt mit dem harschen Urteil abgetan: Maut-Murks. Und weil die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft doch eigentlich auch eine mächtige Frau ist, hatte man geglaubt, das Ding werde schon scheitern.
Doch wie hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer angesichts der breiten Kritik, die Dobrindts Pläne all die Monate begleiteten, prognostiziert: Einer wie Dobrindt werde das schon schaffen. Der Dobrindt, gewiss, der frühere CSU-General, einer der schneidigen Männer aus Seehofers Brigade.
Die Bilder von der Stimmabgabe im Berliner Bundestag besagten eigentlich alles: Sie zeigten eine mürrische Merkel und einen lächelnden Dobrindt. Noch Fragen?
Man fasst sich an den Kopf. Hier wird Politik gemacht, nicht weil sie Sinn macht, sondern weil es die CSU so will. So hat es die Partei, die eigentlich eine Regionalpartei ist, damals ins Koalitionsprogramm geschrieben. So hat sie es jetzt durchgesetzt. Seehofer hat die Maut durchgepeitscht, weil er und seine CSU sie dem Stammtisch im Freistaat versprochen hatten. Und deren Beifall ist der CSU sicher, da wird dann zustimmend auf den Tisch gehauen und eine Maß Bier dazu getrunken. Denen haben wir es gezeigt, den Preußen und den anderen Ausländern.
Die kleinste Partei in der großen Koalition macht Politik und zwar gegen den Willen der CDU und der SPD. Vor allem die SPD ist wieder mal Opfer der großen Koalition, sie ist koalitionstreu. Ihre Wählerinnen und Wähler werden ihr das nicht gutschreiben. Da kann sie demnächst in welche Umfrage auch immer schauen: Bei 25 Prozent bleibt sie hängen. Und die Union thront locker über allen mit 40 Prozent und mehr. Die CDU und ihre Anhänger regieren nun mal gern, da schluckt man schon mal die Kröte mit der Maut, die Infrastrukturabgabe heißt und die im besten Falle rund 500 Millionen Euro Gewinn bringen soll. Und wenn nicht? Wird sie dann ausgeweitet auf alle, nach der nächsten Wahl, weil man dann nicht mehr an frühere Versprechen gebunden ist? Zudem darf man sich darauf verlassen, dass der Wähler vergesslich ist, vor allem dann, wenn es ihm gut geht wie zurzeit.
Noch ein Wort zu Seehofer, der ja angekündigt hat, seine Nachfolge regeln zu wollen. Söder, Aigner, Hermann oder doch vielleicht Dobrindt, früher der Mann fürs Grobe, der es jetzt allen seinen Gegnern gezeigt hat? Die Sache mit der Maut hat ihn für höhere Aufgaben in Bayern gestärkt. Seehofer spielt auf Zeit. Es bleibt abzuwarten, ob die CSU ihm diese Zeit gibt oder ob er nicht bald zur lahmen Ente wird. Er hält sich immer noch für eine starke Persönlichkeit, obwohl nicht nur Kritiker sich längst über ihn lustig machen und ihn Drehhofer nennen, weil er sich so schnell drehen und seine Meinung ändern kann, dass selbst seine nächsten Mitarbeiter kaum mitkommen.
Er hat viel einstecken müssen in letzter Zeit, der Seehofer, als er Seite an Seite mit Münchens OB Reiter zunächst verlauten ließ, dass es keinen Konzertsaal geben werde in Deutschlands heimlicher Hauptstadt, sondern bestehende Konzerthäuser optimiert würden, so nennt man das neudeutsch. Aber da kennt man Seehofer schlecht. Als der Protest gegen seine Politik lauter wurde, hat er sich schnell mal wieder gedreht. Doch ein Ja, oder besser ein Jein? Man muss sich schließlich viele Türen offenhalten. Und es wird dem Herrscher im weißblauen Freistaat nicht gepasst haben, dass die Unternehmensberatung McKinsey jetzt gerade ein negatives Urteil über Bayern gefällt hat. Da haben doch tatsächlich Experten etwas an dem Musterstaat im Süden auszusetzen. Dabei hat doch die CSU das schöne Bayern erfunden. Das wunderbare Bayern, Deutschlands bestes Bundesland, wie der Chef es in seiner unnachahmlichen Art formuliert und festgeschrieben hat.
Vorzeigeland, Musterknabe im Grunde nicht nur für Deutschland, sondern für viele andere, so hat es die CSU stets gepredigt, den anderen den Spiegel vorgehalten. Seht her, so geht das in Bayern, immer vorwärts, immer aufwärts. Und jetzt kommen die von McKinsey daher und stellen 40 Prozent der Arbeitsplätze in Bayern in Frage. Und der Seehofer kann die Schuld dafür nicht der SPD zuschieben, Kommunisten gibt es südlich der Donau auch kaum, die Grünen sind auch nicht erwähnenswert stark, die Freien Wähler, na ja, im Grunde eine kleine Abspaltung der CSU. McKinsey ist eigentlich eine namhafte Unternehmensberatung. Aber dass die sich trauen und das Zukunftsbild Bayerns anzweifeln, unglaublich. Was nun, Horst Seehofer?