Mehr und mehr kann man den Eindruck bekommen, dass in vielen Unternehmen nicht nach ethischen Grundsätzen gewirtschaftet, sondern aus Gier, Profitsucht und krimineller Energie die Geschäfte betrieben werden. In zahlreichen Banken – selbst Landesbanken – wurden mit Cum- und Ex-Aktionen Steuertricks begangen, die nicht legal, zumindest nicht legitim waren. Dadurch wurde der Fiskus um viele Milliarden Euro betrogen.
Betrug als Geschäftsprinzip
In den oberen Etagen der Kreditinstitute herrscht bei den Verantwortlichen im feinen blauen Zwirn kaum ein Schuldbewusstsein, sondern vielfach noch Entrüstung, wenn sie von pflichtbewussten Steuerbeamten erwischt werden. Die vornehmen und gesetzestreuen Bankiers früherer Zeiten rotieren wahrscheinlich noch im Grabe, wenn sie von den üblen Tricks, Manipulationen, Schiebereien und Betrugsfällen ihrer Nachfolger, die als „Bankster“ ohne Moral die Geschäfte rund um’s Geld betreiben, erfahren hätten. Viel zu wenige Vorstände und Direktoren aus der Bankenwelt werden von mutigen Richtern für ihre illegalen Operationen zur Rechenschaft gezogen und verurteilt.
Der Blick in die Welt der Automobilproduzenten zeigt ebenfalls, wie hier betrogen, manipuliert und gelogen wurde. Mit üblen Tricksereien bei der Software gab es völlig falsche Abgaswerte bei VW und anderen Firmen. Es hat wohl fast alle überrascht, dass es Behörden der USA waren, die die Täter aus Deutschland entlarvten und überführten – allen voran den früheren VW-Chef Winterkorn, der schließlich seinen allzu üppig dotierten Vorstandssessel in Wolfsburg räumen musste; mit einer monatlichen „Rente“ von nahezu 100.000 Euro wurde er in den Ruhestand geschickt. In der Tat muss sich jeder ehrliche und ehrbare Kaufmann wie ein Dummkopf vorkommen, wenn solche Defizite an Moral und Ethik am Ende auch noch üppig belohnt werden. Dass die meisten Autohersteller seit Jahrzehnten die Käufer ihrer Fabrikate etwa mit falschen Angaben zum Kraftstoffverbrauch betrügen und belügen, wird da schon als Kavaliersdelikt hingenommen, das kaum strafrechtliche Folgen hat. Wenn schließlich Schienenproduzenten sich mit Kartellabsprachen gegen die Kunden verschwören und mit überhöhten Preisen ihre Profite nach oben schrauben, wird zumindest das Bundeskartellamt segensreich tätig und verhängt saftige Bußgelder. Doch von einer strafrechtlichen Verfolgung war danach wenig zu hören, obwohl doch solche Geschäftspraktiken gegen unsere Rechtsordnung verstoßen und von Leuten aus den oberen Firmenetagen geübt wurden.
Tricksen, täuschen, tarnen!
Solche Vorgänge haben in der letzten Zeit zugenommen. Tricksen, täuschen, tarnen – diese Verhaltensmuster prägen in manchen Unternehmen die Geschäftsmoral. „Jeder zehnte Mitarbeiter des mittleren Managements deutscher Firmen würde eine Regulierungsbehörde täuschen, wenn er sich dadurch einen persönlichen Vorteil verschaffen könnte, so lautete das Ergebnis einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) zur Wirtschaftskriminalität. Damit liegt Deutschland doppelt so hoch wie der westeuropäische Durchschnitt. Vor allem – so die EY-Studie – hat die Korruption hierzulande deutlich zugenommen. Der Hang zur Grenzmoral sei gestiegen, was im Klartext bedeutet, dass immer mehr am Rande der Moral oder gar der Legalität arbeiten.
Von der Grenzmoral in die Kriminalität
In nicht wenigen Unternehmen wird ausgelotet, was gerade noch möglich und machbar ist. Es werden die Grenzen des Möglichen ausgetestet und so rutschen viele irgendwann über die Grenze. Das dabei der Druck von oben auf die Beschäftigten der nächsten Ebene in den Firmen – auf Ingenieure, Techniker oder Kaufleute, auf Direktoren oder Prokuristen – eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, sollte nicht übersehen werden. Und das, obwohl die meisten Unternehmen allzu gern auf ihre strengen Compliance-Regeln und auf ihre Corporate Social Responsibility hinweisen. Viele glauben, dass mit einer solchen schriftlich fixierten Unternehmensethik, mit der Digitalisierung und oft genug auch mit einer eigenen Whistleblower-Hotline alles bestens geregelt ist. Dabei weisen Experten zu Recht darauf hin, dass die Bekämpfung von Kriminalität in Unternehmen nicht in erster Linie mit fixierten Regeln erfolgreich sein kann. Vielmehr sind eine klare ethische Kultur, eine offene und ehrliche Kommunikation und das moralische Verhalten der Führung von größter Bedeutung. Allzu häufig ist zum Beispiel vorauseilender Gehorsam von Untergebenen in den Firmen der Beginn krimineller Handlungen.
Chefs als Vorbilder gefordert!
Viele Vorstände großer Konzerne ebenso wie mittelständische Unternehmen gerieren sich als sakrosankt, sind oft genug unnahbar und unerreichbar sowie herrisch und selbstherrlich. In feierlichen Reden preisen sie die Regeln von Ethik und Moral, im Betrieb nehmen sie diese indessen nicht ganz so ernst und lassen es immer wieder mit zwei zugedrückten Augen zu, dass windige Geschäfte, illegale Steuermodelle, Fehlinformationen oder gar Betrugsmanöver von ihren gehorsamen Paladinen auf der nächsten unteren Etage der Firmenhierarchie praktiziert werden. Nur die Chefs, die auf Wahrheit und Klarheit setzen, die Kritik dulden und Selbstkontrolle üben, die sich bei allen Geschäften von Moral und Ethik leiten lassen, sind nicht nur positive Vorbilder für ihre Mitarbeiter, sondern entschärfen auch manche Konflikte; vor allem erleichtern sie es so ihren Mitarbeitern, sich auch moralisch zu verhalten. Die Soziale Marktwirtschaft hat ihre Wurzeln in der Katholischen Soziallehre und und der protestantischen Ethik; Vertrauen und Verantwortung gehören dazu. Wenn dies nicht mehr beachtet wird, könnte unsere gute Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zur Beute einer gierigen Räuberbande werden.
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