Der 20. Oktober 20, welch ein – mathematisch – schönes Datum. Würdig und angemessen für den diesjährigen Weltstatistiktag, der dieses Mal unter dem Motto steht „Connecting the World with data we can trust“. Das Thema verbietet somit eine Beschäftigung mit den USA. Aber es gibt ja andere Themen, z.B. wie steht es denn mit der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in Deutschland.
Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 gab der Gleichberechtigung von Mann und Frau zumindest schon mal Verfassungsrang. Im Art. 109 WRV heißt es: “ Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“ Die Verfassungsrealität war davon natürlich weit entfernt. Und spätestens mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war dieses Thema „erledigt“. Der Neuanfang mit der Gründung der Bundesrepublik brachte zwar eine deutlich stärkere Formulierung. Dort heißt es in Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz schlicht und einfach: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Diese Formulierung war aber nicht ohne Konflikte im Parlamentarischen Rat, der ab September 1948 die eine verfassungs- und staatsrechtliche Basis für die Bundesrepublik entwickelte, aber auch nur 4 Frauen unter den 65 Mitglieder hatte.
Es saßen dort also deutlich mehr Altnazis über die neue Verfassung als Frauen! 1994 lediglich wurde dieses Grundrecht noch weiter ergänzt durch den Zusatz: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Auch das ist nun über 25 Jahre her, aber die Verfassungsrealität sieht immer noch düster aus.
Abzulesen z.B. an der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Vergütung von Arbeit. Was für die Bundeskanzlerin und Ihre „Minister*innen gilt, nämlich gleiche Bezahlung für gleiche Leistung unabhängig vom Geschlecht, gilt für die Bürgerinnen der Bunderepublik eher nicht.
In Deutschland verdienen Frauen rund ein Fünftel weniger als Männer: Gemessen am durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer lag – so das Statistische Bundesamt – der Gender Pay Gap 2018 bei 21%.
Da liegen andere Länder weit vor uns. In Schweden verdienen Frauen 12% weniger als Männer, in Italien und Luxemburg sind es „nur“ 5% und der „Musterknabe“ in Europa ist Rumänien. Männer und Frauen trennen hier lediglich 3% bei der Entlohnung. Vor 10 Jahren waren es noch über 9%, somit konnte man diese Lücke immerhin dritteln. Deutschland geht unvermindert den Weg der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen. Lag man/frau vor 10 Jahren noch im EU-Vergleich auf dem viertletzten Platz, so hat man(n) es jetzt auf den vorletzten Platz (Statistik des Jahres 2018) geschafft. Schlechter als in Deutschland fällt die Geschlechterlücke nur in Estland aus (22%). Aber auch da ist man auf dem richtigen Weg und in der nächsten Statistik wird Deutschland dann wohl den letzten Platz „zieren“.
Dabei stellen Frauen doch die Mehrheit. Immerhin 50,7 Prozent unserer Bevölkerung sind Frauen. Vielleicht sollten die bei der Stimmabgabe zu Wahlen doch noch etwas genauer auf diesen Aspekt achten.
Betrachtet man die Geschlechterbenachteiligung nach Branchen, so weist das Statistische Bundesamt enorme Unterschiede auf. Wohl dem, der in der Wasserwirtschaft arbeitet. Dort werden Männer und Frauen gleich bezahlt. Die Statistik weist sogar ein monatliches Mehrgehalt für Frauen von 18 EURO aus! In den Branchen (nach Unterscheidung des Statistischen Bundesamtes) liegen in den Bereichen „Verkehr und Lagerei“, „Baugewerbe“, „Bergbau und Gewinnung von Steinen“, „Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen“ und im Bereich „Öff. Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“ das Gender Pay Gap unter 10%. Aber in dem systemrelevanten Bereich des „Gesundheits- und Sozialwesen“ bei fast 25%.
Wer nun einwendet, dass das ja an der deutlich höheren Zahl qualifizierter Männer in den Leitungsfunktionen liege, dem sei gesagt, natürlich ist das richtig. Und ein weiterer Skandal zugleich, denn seit mehr als 20 Jahren überwiegt in den Ausbildungsberufen und beim Medizinstudium der Frauenanteil. Schon im Jahr 2000 lag der über 53% im Fach Medizin, 2018 beträgt der Anteil der Studienanfängerinnen beim Medizinstudium schon über 64%. Und in den Pflegeberufen sprechen wir von Anteilen über 80%.
Ein Trost für die systemrelevanten, aber schlecht bezahlten Frauen im Gesundheitsbereich kann kaum sein, dass im Bereich „Kunst, Unterhaltung und Erholung“ Frauen noch schlechter entlohnt werden. Hier beträgt die Gerechtigkeitslücke 35,6 %. Für das Jahresgehalt einer Frau in diesem Bereich muss also ein Mann nur bis zum Spätsommer arbeiten. Und so etwas in einer Demokratie. Und das im 21. Jahrhundert. Und nach 7 Jahren GroKo und nach fast 100 Jahren Merkel. Soweit zum Weltstatistiktag. Es wird Zeit, dass sich etwas ändert. Schnell und gründlich!
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