Lügen und Propaganda, darauf basieren oftmals die Gründe für einen Krieg. Das war so, als die Amerikaner den Krieg gegen Nordvietnam begannen, das war nicht anders, als die Nazis einen Kriegsgrund suchten, um Polen zu überfallen und damit den 2.Weltkrieg vom Zaun brachen. Auch bei der Berichterstattung über die kriegsähnlichen Zustände in der Ost-Ukraine sollte man, bei aller berechtigten Kritik an Wladimir Putin, die Schuldfrage erst beantworten, wenn man alle Fakten zusammen hat, falls man sie denn je zusammen kriegt. In diesen Wochen wird vielfach an den Ausbruch des ersten Weltkriegs Ende Juli/ Anfang August 1914 erinnert. Und auch damals spielte die Propaganda eine wesentliche Rolle, um den Menschen die Notwendigkeit der Mobilmachung und des Kriegs gegen Russland und Frankreich und all die anderen klarzumachen.
So sagte Kaiser Wilhelm II in seiner Rede vom Balkon des Berliner Schlosses aus: „Man drückt uns das Schwert in die Hand. Neider überall zwingen uns zur gerechten Verteidigung“. Gerade so wird eine Stimmung geschaffen, als wenn Deutschland sich verteidigen müsste, weil es eingekreist sei von Feinden. Deshalb melden sich viele junge Menschen freiwillig zum Kriegsdienst.
Vor allem akademische Kreise sorgen für die entsprechende Aufrüstung, für die Stimmung hin zu einem Krieg, Professoren und Studenten mischen kräftig mit, Schriftsteller und Dichter tun Ihr Übriges. Der Physiker Max Planck ruft seinen Studenten zu, Deutschland habe „das Schwert gezogen gegen die Brutstätten schleichender Hinterhältigkeit“. Der bevorstehende Feldzug wird mit den Befreiungskriegen gegen Napoleon verglichen. Und in der Tat, es gibt die jubelnde Masse, es gibt Hurra-Rufe, als gäbe es nichts Schöneres, als in den Krieg gegen Russland und Frankreich zu ziehen.
Sogar Oberschüler melden sich freiwillig, Bildungsbürger schreiben Gedichte, in denen sie ihrer Begeisterung über das Bevorstehende freien Lauf lassen. Die Medien spielen mit. Der „Lübeckische Anzeiger“ macht mit den Worten auf: Deutschland, Deutschland über alles. Unter der Schlagzeile- eigentlich die erste Zeile des Deutschlandliedes- wird das Bildnis des Kaisers gezeigt. Dann folgt die „Allgemeine Mobilisierung“. Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ schwören ihre Leser auf den Krieg ein. „Deutschland marschiert. Ein Befreiungskrieg wird uns aufgedrungen, der uns befreien wird, den Alp der allslawischen Wühler loszuwerden“. Welch eine Sprache! Es geht um die Existenz unserer Nation, heißt es weiter, gegen die russischen Neider und die moskowitische Verschwörung. Deutschland sei die friedfertigste und stärkste Großmacht der Erde, steht dort weiter zu lesen. Aber jetzt müsse man zum Schwert greifen, bevor die Russen uns ungestraft überfallen, niederwerfen und berauben. „Ein Volk steht auf“.
Thomas Mann begrüßt den Krieg-zunächst- wie andere Schriftsteller, darunter Ludwig Ganghofer, auch. „Die Worte Deutschland, Vaterland, Krieg haben magische Kraft“ jubelt Ernst Troller, der sich freiwillig in den Krieg meldet. Andere Denker und Künstler der Zeit sprechen von einer Reinigung und einer Hoffnung. Große Künstler wie August Macke und Franz Marc ziehen mit diesem Glauben an ein reinigendes Gewitter in die Schlacht, sie sterben in den Schützengräben, der eine 27, der andere 36 Jahre alt.
Die Stimmung für den Krieg und gegen die angeblichen Feinde wird noch geschürt durch die christlichen Kirchen. Es sind Fanatiker auf den Kanzeln, sowohl die katholischen wie evangelischen Würdenträger. Patriotische Kriegseuphorie als Anbruch einer neuen Zeit. Der Krieg wird mit Begeisterung begrüßt, der Heilige Krieg wird auch als Kreuzzug verherrlicht gegen die Gottlosen und Barbaren. Der Generalsuperintendant von Berlin, Friedrich Lahusen, verkündete, Gott habe „uns Germanen“ in die Nachfolge des Heilands gerufen. Entsprechend wurden die deutschen Kriegsgegner dämonisiert, es wurde von Frankreichs blindwütigem Hass“ gesprochen, der wortbrüchigen Treulosigkeit des Zaren, vom japanischen Asiatenpack oder von des „englischen Krämervolks heuchlerischer Moral“.
Superintendant Wilhelm Philipps sah ein Strafgericht Gottes an den Völkern sich vollziehen, gegen Belgien wegen seiner Liederlichkeit, gegen Frankreich wegen seiner Gottlosigkeit und Sittenlosigkeit, gegen Serbien als Räuber- und Banditenstaat, gegen Russland wegen seiner Korruption.
Übrigens waren die Töne in den Kirchen der alliierten Deutschland-Gegner nicht friedlicher.
Die Stimmung auf dem Land und bei den Arbeitern dagegen ist eher gedrückt. Auf dem Land wissen sie, dass ihnen mit Beginn des Krieges die Helfer bei der Ernte fehlen werden, Mütter sorgen sich um das Leben ihre Männer und Söhne. Ein Arbeiter, der gegen den Krieg ist, weil er weiß, dass im Krieg getötet und gestorben wird, schildert seine und die Ängste seiner Freunde. „Alle haben das Gefühl: Es geht direkt zur Schlachtbank.“
Aber für die Öffentlichkeit wird Begeisterung großgeschrieben. Die SPD hat ihre anfängliche ablehnende Haltung zum Kriegs aufgegeben, Kaiser Wilhelm II ruft der begeisternden Menge zu: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“. Die Glocken läuten, vaterländische Lieder werden geschmettert. Propaganda-Postkarten zeigen Soldaten, die Bier verladen oder ein Münchner Mädchen mit der weißblauen Fahne in der Hand und den zwei Worten vor den Lippen: Gloria Victoria.
Vor ein paar Tagen fand eine Gedenkfeier der großen Kirchen in München aus Anlass des Ausbruchs des Kriegs vor 100 Jahren statt. Dort stellte der frühere Erzbischof von München und Freising, Kardinal Wetter, die Frage, auf die er keine Antwort habe: „Wie war so etwas möglich? Waren nicht auf beiden Seiten der Fronten die Menschen christlich?“ Wie können Menschen so irren, habe der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm gefragt und die Mitschuld beider Kirchen angeklagt: „Voller Scham sehen wir den Missbrauch der Kerninhalte des christlichen Glaubens.“
Sucht man ein Fazit dieses schrecklichen Krieges, der nicht sein musste, aber am Ende 17 Millionen Menschen das Leben kostete, könnte man ein Zitat des Autors, Musikers und Kabarettisten Achim Konejung nehmen. Konejung hat ein Buch über „Das Rheinland und der erste Weltkrieg“ geschrieben und der Bonner „Generalanzeiger“ hat mit ihm ein Interview geführt, das den Titel trägt: „Sie starben für nichts.“
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