Sowohl in NRW als auch in Berlin schließt die FDP eine Regierungsbeteiligung als Partner in einer Koalition mit CDU und Grünen nicht aus. Das sagte FDP-Chef Christian Lindner im Interview mit dem Blog der Republik. Bedingung sei, dass die FDP in einer solchen Jamaika-Koalition ein Faktor der Veränderung sei, fügte Lindner hinzu. Die FDP habe aus der Koalition mit der Union bis 2013 die Lehre gezogen, nicht nochmals Teil eines Bündnisses zu werden, wenn nicht ausreichend liberale Projekte umsetzbar sind. „Momentan sehe ich viele Gemeinsamkeiten zwischen der angegrünten CDU und den Original-Grünen. Mir fehlt noch die Phantasie, wie die Union ein Jamaika-Modell für Freie Demokraten attraktiv machen will“, so Lindner.
Nein zu einer Ampel-Koalition
Eine Ampelkoalition in Düsseldorf schloss Lindner kategorisch aus. Ziel sei es, einen Politikwechsel für NRW zu erreichen. „Wir wollen uns außerdem reetablieren“, erklärte Lindner mit einer langfristigen Perspektive und betonte, die Alternative sei eine „glasklare, messerscharfe und seriöse Oppositionsarbeit“. Die FDP sei nun politisch frei und unabhängig wie nie zuvor.
Klatschen statt Klatsche bei CDU
Die Wiederwahl von Angela Merkel als CDU-Vorsitzende kommentierte Lindner mit den Worten: „Die CDU hat sich zum Klatschen statt zur Klatsche entschieden.“ Er begrüßte die „überfälligen Signale in der Flüchtlingspolitik“, nannte sie aber „nicht ausreichend“. Ein „Einwanderungssteuerungsgesetz“ sei ebenso notwendig wie ein besserer Schutz der europäischen Außengrenzen.
In Berlin fehlen politische Debatten
Scharfe Kritik übte der Liberale, der sowohl in NRW als auch in der Bundestagswahl für den Wiedereinzug der FDP kämpft, an der großen Koalition im Bund. Eines der „Hauptprobleme“ sei das Fehlen politischer Debatten etwa über die Verletzung des europäischen Stabilitätspaktes durch Portugal und Spanien, die Übernahme von Kaisers/Tengelmann durch Edeka und den Klimaschutzplan.
„Deutschland muss die Klimaschutzziele zurückschrauben auf europäisches Niveau“, forderte Lindner. Alles, was über das europäische Maß hinausgehe, sei ein „Morgenthau-Plan“ und werde zu massivem Verlust von Arbeitsplätzen in der Industrie führen.
Große Koalition deformiert Marktwirtschaft
Die Politik der großen Koalition deformiere die soziale Marktwirtschaft, sagte der FDP-Chef und nannte als Beispiele den Niedrigzins und den Mindestlohn. CDU, CSU, SPD und Grüne seien in ihrer Politik kaum mehr zu unterscheiden. Das spiele der AfD Wähler zu. Er sei ein „strikter Gegner der Verrohung“, die die rechtspopulistische Alternative für Deutschland betreibe, betonte Lindner und kritisierte: „Die AfD will unsere politische Kultur zerstören.“
FDP in der Mitte der Gesellschaft
Die Politik der FDP orientiere sich nicht an den Rändern, sondern stehe in der Mitte der Gesellschaft. Als „staatstragende Partei“ stehe sie für bessere Bildung, „mehr Lehrer, bessere Straßen, mehr Polizisten, weniger Schulden, weniger Bürokratie, für einen echten Politikwechsel“, also im Grund für eine Politik, wie sie die FDP zum Beispiel in Rheinland-Pfalz in einer Koalition mit der SPD und den Grünen durchgesetzt habe.
Mehr Gelassenheit gegenüber AfD
Lindner wandte sich gegen zwei Phänomene, die „grüne Hegemonie“ und die „völkische Erzählung“. Zugleich riet er zu mehr Gelassenheit mit Blick auf die Wahlchancen der AfD. „Sie stehen aktuell für acht bis zwölf Prozent“, sagte der FDP-Chef. Nach seiner Einschätzung seien ihre Anhänger zu je einem Drittel Antisemiten, Leute mit schlechter Laune wie „Falschparkeraufreger und Leserbriefschreiber“ sowie den Enttäuschten, „die lieber ihre alte CDU wieder hätten“.
Wandel durch Annäherung in der Außenpolitik
In außenpolitischer Hinsicht verteidigte der Freidemokrat die Sanktionen gegen Russland entschieden. Davon dürfe „kein Jota“ abgerückt werden, solange die russische Politik auf die Destabilisierung des Westens ziele. Er sei ein Anhänger der Leitlinie „Wandel durch Annäherung“, sagte Lindner. „Dabei muss es aber auch zu Wandel kommen.“ Mit Russland solle auf allen Ebenen gesprochen werden, auch bei den G8-Gipfeltreffen und im NATO-Russland-Rat. „Selbstverständlich hat Russland einen Platz im europäischen Haus“, so Lindner, „aber es muss sich an die Hausordnung halten.“
Das Gespräch mit Christian Lindner führten: Siegfried Gendries, Petra Kappe, Alfons Pieper,
Uwe Pöhls und Martin Schmuck in den Räumen der De-Media GmbH.