Wer die Rede von Christian Lindner bei der Bauerndemo am Montag am Brandenburger Tor in Berlin gehört oder nachgelesen hat, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier jemand einen Schlussstrich unter ein Projekt ziehen wollte. Die Letzte Generation ( Grün Verdächtige) habe das Brandenburger Tor beschmiert, die Bauern es dagegen „geehrt“. Es gebe in diesem Land Menschen, “ die für das Nichtstun bezahlt würden“ ( Günstlinge der Sozialdemokratie). In Wahrheit sei allein die FDP in dieser, der Bauernschaft feindlich gesinnten Koalition, deren Beschützer. Mehr öffentlich geäußerte Distanz zur eigenen Koalition geht kaum. Lindners Verbeugung vor der Bauernlobby war gleichzeitig der kaum verhüllte Abgesang auf die Ampel. Diese Botschaft wurde von der Öffentlichkeit nur deshalb nicht entsprechend wahrgenommen, weil zeitgleich das konspirative Treffen der Neofaschisten zur millionenfachen Remigration in Potsdam bekannt wurde. Was nun folgt, ist das Warten auf den letzten Anlass zum Bruch. So war es 1966 in der Koalition mit der Union und 1982 in der sozialliberalen Regierung. Auch damals ging es immer um den Haushalt. Heute wird es im Haushaltsausschuss des Bundestages um den letzten Schliff am Haushalt für 2024 gehen, der am 2. Februar Gesetz werden soll. Der Kanzler will in diesem Zusammenhang jeden weiteren Konflikt vermeiden und tut das, was er am besten kann: Er schweigt. Mit einem gesicherten Haushalt 2024 im Rücken, so vielleicht sein Kalkül, lässt sich auch ein Koalitionsbruch besser zu Lasten der renitenten FDP steuern. Die von dem damaligen Regierungssprecher Klaus Bölling 1982 erfundene Strategie scheint Nachahmer zu finden. Und schließlich könnte eine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen noch eine ganze Weile durchhalten und nach wirtschaftlicher Belebung durch wahrscheinliche Zinssenkungen und der Steigerung der Zustimmung in der Wählerschaft den Zeitpunkt für Neuwahlen selbst bestimmen. Das könnte dann auch die Stunde für Boris Pistorius und der Schwanengesang von Olaf Scholz sein.
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