Ist die rechtsextremistische AfD schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen? Hoffentlich noch lange nicht. Aber zumindest bei einigen Polizist*innen in Sachsen scheint das Engagement für Demokratie und Vielfalt als „Provokation“ zu gelten. So zumindest ist die Geschichte der Teilnehmerin am CSD in Zwickau zu werten.
Die berichtet von ihrem Rückweg:
…bin an einer Kneipe vorbeigekommen, wo Rechtsradikale draußen gesessen haben. Angst habe ich schon lange nicht mehr. Als sie mein Schild gesehen haben, wurde ich so übelst beleidigt (kenne ich, kein Problem), ABER: 40 Meter weiter stand die Polizei und ich habe höflich nachgefragt, wie ich sicher zum Bahnhof komme. Eine Polizistin meinte „provozieren Sie denn jetzt nicht mit ihrem Schild“? Ich möchte kurz betonen, dass ich mein Schild nur gehalten habe) weiter gehts an der nächsten Ecke: ein Polizist meint lachend:“keine Angst, heute sind keine Messerstecher unterwegs“ wow!!!! Das war noch nicht alles: ein Polizist meinte: „na was soll ich denn jetzt machen, mitkommen zum Bahnhof?“ und dann fuhren sie provokativ davon, mit dem Wissen, dass ich wahrscheinlich von Rechtsextremen bedroht werde.
Es ist erschreckend, leider kein Einzelfall. Der Kampf gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und für Demokratie braucht gerade jetzt verlässliches und engagiertes Eingreifen in solchen Bedrohungssituationen. Und der eigentlich nur als rassistisch zu verstehende Kommentar zu „Messerstechern“ ist absolut inakzeptabel.
Wer die Polizei in Sachsen erreichen will, kann im Notfall nicht nur auf die bekannte Rufnummer 110 zurückgreifen, auch auf Instagram findet sich ein Account mit immerhin über 49 Tausend Followern. Und Werbung für „verdächtig gute Jobs„. Da gibt es, so zeigt die vorgenannte Geschichte, noch verdammt viel Spielraum. Und: Die Polizei verweist zwar auch stolz auf ihre langen Öffnungszeiten, aber der – immerhin offizielle – Account der Polizei in Sachsen hat noch den Zusatz: „Nachrichten werden nicht gelesen“.
Das sollte in diesen für die Demokratie so entscheidenden Zeiten keine Leitlinie sein. Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe von positiven Berichten über den Einsatz der Polizei beim CSD, aber es reicht eben nicht aus, wenn nur die Polizeikräfte an der „vordersten Front“ sensibilisiert sind. Das sollte für alle Polizist*innen der Standard sein.
Wir nehmen das zum Anlass, hiermit die Polizei Sachsen um eine Stellungnahme zu diesem Fall, der sich am 31.08.2024 in Zwickau im Umfeld des dortigen CSD zugetragen haben soll, zu bitten.
Wir würden außerdem gerne wissen, wie die Polizei Sachsen generell zu einem derartigen Verhalten sowie Aussagen von Polizist*innen im Dienst steht, welche
1. Rechtsextreme Beleidigungen/Bedrohungen als legitime Reaktion auf Plakatinhalte beschreiben
2. rassistische und gewaltverharmlosende „Scherze“ beinhalten
3. eine fehlende Sensibilisierung gegenüber Bedrohungslagen durch Rechtsextreme deutlich machen
4. eine Verweigerung von Hilfeleistung trotz ausdrücklicher Bitte um diese Hilfe darstellen?
Welches Verfahren/ welche Konsequenzen sind in derartigen Fällen üblich? Wie werden diese Fälle dokumentiert und intern verfolgt? Sind Polizist*innen der Polizei Sachsen ausreichend im Umgang mit Rechtsextremismus geschult und informiert, welche Konsequenzen die Äußerung von eigenen rechtsextremen Meinungen oder eine Verharmlosung dieser Positionen im Dienst haben kann?