Das ist ein Wahlkampf! Man könnte weinen oder lachen, wenn man die Sprüche liest. Vor allem die FDP, die mal eine Partei war mit Ecken und Kanten, geht mir dabei auf die Nerven. Alexander Graf Lambsdorff wirbt mit seinem Konterfei und dem markanten Satz: Für Freiheit- mehr denn je. Donnerwetter! Das ist wie in Beton gehauen. Freiheit? Ist sie bei uns gefährdet? Oder in welchem Land lebt der Liberale? Welche Freiheit fehlt denn dem Herrn Lambsdorff? Ich nehme an, er ist zweimal geimpft, er kann also ins Kino gehen, ins Theater oder auch ins Kölner Stadion oder zur Dortmunder Borussia. Beide Bundesliga-Vereine machen nämlich von ihrem Hausrecht Gebrauch und lassen nur ins Stadion, wer geimpft oder genesen ist. Recht so. Impfen rettet Leben, haben wir während der Pandemie gelernt. Impfen, impfen, impfen- das ist das Mittel gegen Corona, gegen einen weiteren Lockdown, der das Leben im Lande lahm legen würde.
Ach ja, ich vergass, dass zwischendurch einige Freiheiten eingeschränkt waren, als wir noch nicht in ausreichender Zahl geimpft waren. Zugegeben, das waren etwas betrübliche Zeiten, da die Fußgängerzonen oft fast menschenleer waren, Kneipen und Geschäfte geschlossen hatten, es Fußball nur im Fernsehen gab, weil Zuschauer nicht zugelassen waren. Kein Urlaub, kein Besuch, kein Treffen mit Freunden. Wir haben es überlebt. Schön war es nicht. Aber wir haben es so gemacht, weil wir Leben schützen wollten, auch das eigene und das unserer Kinder und Freunde. Oder nehmen wir die gerade zu Ende gegangenen Olympischen Spiele in Tokio. Vor leeren Rängen, wegen Corona. Damit nicht unnötig weitere Menschen erkranken und vielleicht sterben. Allein in Deutschland beklagen wir rund 90000 Tote im Zusammenhang mit Corona. Deshalb die Maske, das Händewaschen, der Abstand, Verzicht auf Küsschen hier und Küsschen da.
Die Bundesregierung, der die FDP zum Glück nicht angehört, hat gerade beschlossen und verkündet, dass ab Herbst die bisher kostenlosen Corona-Tests bezahlt werden müssen- nämlich von den Bürgerinnen und Bürgern, die sich ohne Grund weigern, sich gegen Corona impfen zu lassen. Denn es ist genügend Impfstoff vorhanden. Und wenn dazu noch Impftermine deutschlandweit angeboten werden, die es jedem ermöglichen, der will, sich impfen zu lassen, dann gibt es keinen Anlass mehr, die Nichtgeimpften zu schonen. Dann werden sie die Kosten der Tests bezahlen müssen. Und sie werden damit rechnen müssen, dass man sie weder ins Kino lässt, noch ins Restaurant, oder ins Stadion. Weil sie nämlich ein Risiko darstellen für Kinder unter zwölf Jahren und ältere Zeitgenossen mit gewissen Vorerkrankungen, die sich nicht impfen lassen dürfen.
Unsolidarisch nenne ich das, was sich da einige Zeitgenossen erlauben, die sich Querdenker nennen oder was auch immer, ihr Verhalten ist gegen das Gemeinwohl gerichtet, verantwortungslos. Um eine Herden-Immunität zu erreichen, müssten sich 85 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen gegen Corona impfen lassen. Wer es nicht tut, fährt auf einer Einbahnstrasse in die falsche Richtung. Absichtlich, weil er sich nicht vorschreiben lassen will, in welche Richtung er nicht fahren soll.Die Freiheit nimmt er sich.
Nicht anders bewerte ich das Verhalten von Christian Lindner, seines Zeichens FDP-Chef, der sich dazu verstieg, von Daumenschrauben zu faseln, die die Regierung damit den Ungeimpften anlege, weil sie von ihnen ab Mitte Oktober verlangt, dass sie die Test-Kosten selber zahlen, die im übrigen den Steuerzahler, also auch mich und Sie alle, einige Milliarden Euro gekostet haben. Daumenschrauben, das klingt nach Quälerei, die der flotte Herr Lindner mal so nebenbei der Kanzlerin und allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten unterstellt. Weil Lindner es wie immer besser weiß.
Aber Solidarität ist ja ein Begriff aus der Arbeiterbewegung. Das Wort kennt Porsche-Fahrer Lindner nicht, soziale Gerechtigkeit sieht bei ihm eher so aus, dass er dafür plädiert, den letzten Rest des Soli, den nur noch die Reichen bezahlen, abzuschaffen. Und natürlich ist er für Steuererleichterungen. Dreimal dürfen Sie raten, wen er damit belohnen will.
Nach der Bundestagswahl 2017 war es Lindner, der eine Jamaika-Koalition, die möglich gewesen wäre und für die man wochenlang verhandelt hatte, verhinderte. Er verließ die Debatten-Runde mit Kanzlerin Angela Merkel, ergriff das nächste Mikrophon und verkündete dem staunenden Volk:“Besser nicht regieren als schlecht regieren.“ Ich kann Lindner dazu nur gratulieren und ihm den Satz des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann vorhalten: „Wer mit dem Finger auf andere zeigt, muss wissen, dass drei Finger derselben Hand auf ihn zurückweisen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht der Satz von Loriot alias Vicco von Bülow: Liberal im liberalen Sinne ist nicht immer liberal. Und am Ende der Hinweis: Jedes Parlament braucht eine starke Opposition.
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