1. Wie siehst du die globale Schräglage z.B. am WELTFRAUENTAG im Jahr 2023?
Schräglage beschreibt die Lage ganz gut. In vielen Ländern auf dieser Welt ist die Lage für Frauen besorgniserregend. Ich denke insbesondere an den Iran, wo aktuell viele Frauen auf die Straße gehen und zum Teil ihre Kopftücher zu Boden schmeißen. Sie riskieren ihre Zukunft, ihr Leben, um gegen ihre Unterdrückung zu protestieren – und dafür, so ein Leben wie wir hier in der westlichen Welt führen zu können.
Gleichzeitig bin ich als jetzt 26-Jähriger in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der es sowohl Frauen als auch Männer zu etwas bringen können. So mussten viele junge Menschen vor anderthalb Jahren lernen, dass es tatsächlich eine männliche Form von „Bundeskanzlerin“ gibt.
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch bei uns nach wie vor viel zu tun gibt, um Frauen noch mehr zu ermöglichen. Dass Frauen ihr Berufsleben unterbrechen müssen, wenn sie ein Kind bekommen, darf den „Gender-Pay-Gap“ nicht rechtfertigen und auch keine Ausrede dafür sein, dass es deutlich weniger weibliche Führungskräfte gibt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss also stetig vorangetrieben werden. Das spielt auch für uns Parteien – wie wahrscheinlich für jeden sonstigen Verein – eine große Rolle, wenn es darum geht, noch mehr Frauen für die Parteiarbeit und für verantwortungsvolle Positionen zu finden.
2. Welche Rolle spielt die RÜSTUNGS-Industrie in Deutschland bei den kriegerischen Konflikten weltweit? Welche vernünftigen Regelungen schlägst du vor, um gesellschaftliche Ressourcen sinnvoll zum Wohl unserer Bevölkerung fruchtbar zu machen?
Zu einer anständigen Außenpolitik gehört, dass man mit kriegerischen Regimen keine Rüstungsgeschäfte macht. Und es ist wichtig, dass der Export von Rüstungsgütern gut kontrolliert und die konkreten Entscheidungen genauestens abgewogen werden.
Bezogen auf die Rüstungsindustrie in Deutschland zeigt uns der furchtbare Krieg in der Ukraine aber auch, wie realitätsfern bestimmte politische Strömungen in der Vergangenheit in unserem Land waren, die den Rüstungsfirmen am liebsten ihre Existenz verboten hätten. Jetzt sind es diese Unternehmen, die der Ukraine wichtige Waffen und andere Militärausstattung liefern.
Ich will mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn der Westen hierzu nicht in der Lage wäre. Für Russland gäbe es keinen Grund, wieso es nicht nochmal auf die Idee kommen sollte, ein benachbartes Land grundlos anzugreifen. Für andere sich der Aggression übenden Staaten, wie zum Beispiel China und Nordkorea, gilt dasselbe. Diese Regime verstehen das Prinzip Abrüsten nicht.
Und für die Ukraine ist es ihre Lebensversicherung – und die einzige Möglichkeit, wie die Ukraine irgendwann auf Augenhöhe mit Russland verhandeln kann und nicht davor ausgelöscht wird.
Die Rüstungsindustrie ist genauso wie die Bundeswehr wichtig für unser Land – denn ein verteidigungsfähiges Land wird nicht angegriffen.
3. Immer mehr Kinder wachsen in Deutschland als ARME KINDER auf. Welche Ideen und Vorschläge macht die JU konkret, um diesen prekären Familien einen guten ZUGANG zu einer umfassenden BILDUNG – also auch verbunden mit social scills und nicht einseitig digital – verbindlich! zu ermöglichen?
Kein Kind kann etwas für die Verhältnisse, in die es hineingeboren wird. Es ist die Aufgabe von uns allen, jedem Kind möglichst gleiche Voraussetzungen mit auf den Weg ins Leben zu geben. Davon profitieren wir alle und somit auch die Gesellschaft insgesamt.
Gerade jetzt ist es wichtig, dass die betroffenen Familien finanziell unterstützt werden. Ich verstehe nicht, weshalb die Bundesregierung nicht in die Pötte kommt und noch nicht ihre angekündigte Kindergrundsicherung umgesetzt hat.
Ganz generell habe ich leider zu oft das Gefühl, dass die Anliegen junger Menschen in der Politik häufig zwar gehört werden, die Umsetzung von Lösungen dann aber auf sich warten lässt – vielleicht, weil Kinder und Jugendliche keine wirkliche Lobby haben.
Zu sehen ist das aktuell zum Beispiel bei der Energiepreispauschale: Die wurde groß angekündigt und viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben letztes Jahr davon profitiert. Studierende und Fachschüler mussten eine halbe Ewigkeit auf die Auszahlung warten – jetzt läuft sie zwar, aber das Prozedere ist sehr kompliziert. Das darf nicht sein.
Nur finanzielle Hilfen reichen aber nicht. Genauso notwendig sind auch gute Schulen und Kitas. Denn dort lernen Kinder das soziale Miteinander – egal, welchen familiären Hintergrund sie haben. Dazu gehört für mich, dass das Lehr- und Erzieherpersonal die einkommensschwachen Familien noch stärker auf die bestehenden Möglichkeiten hinweist, wodurch Lernmaterial und Freizeitaktivitäten bezuschusst werden können – vor allem dann, wenn die Teilhabe eines Kindes in einem konkreten Fall gefährdet ist, weil die Hemmschwelle, solche Hilfen in Anspruch zu nehmen, zu hoch ist.
Das erfordert einfühlsame Persönlichkeiten, die über gewisse soziale Kompetenzen verfügen müssen. Deshalb müssen wir einen stärkeren Fokus auf die Ausbildung von Lehr- und Erzieherpersonal legen.
Konkret bin ich dafür, dass die Ausbildungszeiten und auch die Besoldung von Grundschullehrern an die der weiterführenden Schulen angepasst werden. Außerdem muss eine duale Lehrerausbildung parallel zum bisherigen System eingeführt werden – so lernen die angehenden Lehrer schon früh den Umgang mit Kindern und wir können dadurch den Personalmangel bekämpfen.
Ebenso muss die Ausbildung von Erzieherpersonal attraktiver werden. Wir als Junge Union machen uns schon lange dafür stark, dass sämtliche Ausbildungsgebühren – wie auch die Studiengebühren – wegfallen. Daneben muss gezielt bezahlbarer Wohnraum für Auszubildende geschaffen werden, also Auszubildendenwohnheime parallel zu den Studierendenwohnheimen.
4. Was bedeutet für dich der Begriff „DASEINSVORSORGE“ im Sinn einer auch juristisch einklagbaren staatlichen Verantwortung, auf die sich die Bürgerinnen und Bürger in unserer rechtsstaatlichen DEMOKRATIE verlassen können, auch weil sie dann ja um so mehr sich engagiert auf ihr Beteiligtsein als Basisdemokraten einlassen können?
Dazu gehört für mich, dass der Staat bestimmte Aufgaben selbst in die Hand nehmen muss – und zwar dann, wenn auf andere Weise kein Vorankommen zu verzeichnen ist. Sonst steigt die Frustration der Bürger gegenüber ihrem Staat und es schwindet das Zugehörigkeitsgefühl. Und das schadet auch der Demokratie.
Exemplarisch möchte ich den Glasfaserausbau und das Schließen der Mobilfunknetzlöcher nennen. Längst geht es dabei nicht mehr um bloße Freizeitgestaltung, sondern um die Teilhabe der Menschen im Berufsleben und in der Gesellschaft. Es ist aber seit Jahren zu erkennen, dass der Ländliche Raum vielerorts abgehängt wird – häufig, weil die für den Ausbau zuständigen Unternehmen nicht tätig werden, da sich ihre Investitionen in dünn besiedelten Gebieten nicht lohnen. In meinen Augen muss der Staat hier viel stärker tätig werden – entweder, indem er den Ausbau selbst in die Hand nimmt oder den Unternehmen verbindliche Vorgaben macht.
Genauso trifft jeden Einzelnen von uns die Pflicht, sich in die Gesellschaft einzubringen und seinen jeweiligen Beitrag zu leisten. Ich habe das Gefühl, dass die Bereitschaft dazu schwindet. Auch die Verrohung des Verhaltens mancher gegenüber staatlichen Institutionen macht mir Sorgen – egal, ob wir auf die Silvesterausschreitungen in Berlin und anderswo oder auf die Berichte über die Reichsbürger-Szene blicken.
Genau deshalb bin ich Anhänger einer „allgemeinen Dienstpflicht.“ Dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, war und bleibt richtig. Jetzt aber geht es darum, die frühere Wehrpflicht zu einer Dienstpflicht weiterzuentwickeln. Für jeden, der eine Schule verlässt und dann selbst entscheiden soll, wo er sein Jahr für die Gesellschaft absolviert – vom Pflegeheim bis zum THW, aber beispielsweise auch bei der Bundeswehr. So stärken wir den Zusammenhalt und leisten einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel.
5. Kannst du innerhalb der CDU deine konstruktive Haltung zu den Kids der FRIDAYs-for-future erfolgreich kommunizieren? Immerhin ist ja inzwischen allgemein bekannt, wie fatal die global katastrophale Klimakrise durch das fossile Verbrennen, durch unnötiges Vergeuden von Energie im Hyperkonsum und das Ausbeuten von Rohstoffen beschleunigt wird. Die vorsätzliche Ignoranz in Bezug auf das gefährliche Fracking – wie stehst du dazu?
Als junger Mensch mache ich mir natürlich auch Sorgen um die Zukunft unseres Planeten – und ich nehme in meinem persönlichen Umfeld wahr, dass es vielen anderen jungen Menschen auch so geht. Die „Fridays for future“-Bewegung hat es geschafft, dieses wichtige Thema auf die politische Agenda zu setzen. Klimaschutzgesetz und Kohleausstieg – ich bin der Ansicht, dass wir ohne „Fridays for future“ heute nicht so weit wären.
Ganz anders nehme ich die sogenannte „Letzte Generation“ wahr. Die sprachen nach den Protesten in Lützerath in irgendwelchen Talkshows von angeblicher Polizeigewalt gegen Demonstranten. Ein Vorwurf, der bis heute nicht bestätigt ist – für den sich aber trotzdem niemand entschuldigt hat. Und gleichzeitig sind sie dabei, mit ihren fragwürdigen Aktionen den breiten gesellschaftlichen Konsens für mehr Klimaschutz zu verspielen. Ich finde, wir brauchen mehr Pragmatismus und keinen Systemkampf! Deshalb engagiere ich mich lieber in einer politischen Jugendorganisation anstatt im Aktivismus. Als Junge Union im Landkreis Konstanz machen wir konkrete Vorschläge, um vor Ort mehr Klimaschutz zu erreichen: Zum Beispiel Solaranlagen über größere Parkplatzflächen installieren – aber nicht als ein Pilotprojekt irgendwo und irgendwann, sondern flächendeckend.
Und was das Fracking angeht, war es insbesondere auch die CDU in der Bodenseeregion, die sich für ein Verbot eingesetzt hat – dieses kam dann ja auch. An dieser Grundlage hat sich für mich bis heute nicht viel verändert.
Dieser Weg über die Parlamente, vom Gemeinderat bis in den Bundestag, ist der zielführendste, der am Ende auch zu mehr Klimaschutz führen wird.
6. Mir gefällt dein Engagement in der Erinnerungskultur. Es gibt meiner Ansicht nach zu wenig Aufarbeiten der Schuld der deutschen Bevölkerung an den massenhaften Ermordungen von Mitmenschen im „tausendjährigen“ Nazi-Reich. Vielleicht könntet ihr von der JU mal einen öffentlichen Diskussions-Abend organisieren, der den Film „Die Wannsee-Konferenz“ – er ist soeben mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden – in den Mittelpunkt einer gemeinsamen Betrachtung stellt.
Das ist eine gute Idee, die ich gerne aufgreifen werde. In der Tat bin ich der Meinung, dass es die Verantwortung meiner Generation ist, das Geschehene nicht zu vergessen. Gleichzeitig erleben wir leider einen steigenden irrationalen Hass auf Menschen jüdischen Glaubens aus unterschiedlichen Bereichen in unserer Gesellschaft.
Wir sind die wohl letzte Generation, die mit den Opfern als Zeitzeugen dieser mörderischen Zeit in direkten Kontakt treten können. Umso wichtiger ist es, dass wir andere Möglichkeiten schaffen, um das Erinnern wachzuhalten. Wir in der Jungen Union organisieren seit einigen Jahren immer am 27. Januar eine Gedenkveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag in Radolfzell – und jedes Jahr kommen immer noch ein bisschen mehr Menschen dazu. Das ist für uns Alle sehr bewegend.
Levin Eisenmann ist 26 Jahre alt und in Konstanz aufgewachsen. Er ist Vorsitzender der Jungen Union im Landkreis Konstanz und stellvertretender Vorsitzender der CDU im Landkreis Konstanz. Derzeit arbeitet er als Rechtsreferendar am Landgericht Konstanz.