Was der neue Bundestrainer Hansi Flick beim Fußballspiel gegen die Mannschaft des Fürstentums Liechtenstein mit einigen jungen Talenten versuchte, war eher enttäuschend denn ermutigend. Der 2:0-Sieg war schlussendlich versöhnlich, wenn auch sehr kärglich. Fast hat man den Eindruck, dass Armin Laschet am Tag danach ähnlich wie Flick seine Mannschaft für die Bundestagswahl formiert und der Öffentlichkeit präsentiert hat.
Aufwind mit Friedrich Merz?
Der Star im Laschet-Team ist ohne Zweifel Friedrich Merz, der Akzente in der Wirtschafts- und Finanzpolitik setzen soll. Der Sauerländer, der auch wieder für den Bundestag kandidiert und das Mandat sicher erringen wird, verfügt über große Erfahrungen. Als gelernter Jurist war er bereits früh im Europa-Parlament und danach im Bundestag aktiv. Er kennt sich im politischen Geschäft bestens aus. Zudem hat er sich mit großem Erfolg in der Wirtschaft behauptet, insbesondere bei der größten Investmentgesellschaft Blackrock. Sowohl die Unternehmer im CDU-Wirtschaftsrat als auch die meisten Mittelständler setzen seit langem auf Merz, haben ihn schon als CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten favorisiert. Auf jeden Fall könnte er als Schwergewicht für Laschet punkten. Seine klare ordnungspolitische Orientierung zur Sozialen Markwirtschaft schärft auch das Profil seiner Partei.
Klimaschützer Andreas Jung
Eine positive Berufung ist mit Andreas Jung gelungen. Der Politiker aus Konstanz hat sich bereits seit langem auf dem Feld des Klimaschutzes betätigt. Er steht für die Klimaneutralität und will mehr Tempo machen, um das Ziel möglichst schon 2040 zu erreichen. Dem Ausbau der Erneuerbaren Energieträger räumt er höchste Priorität ein. Ohne mehr Windenergie – onshore wie offshore –, ohne mehr Solarenergie, Geothermie und Energie aus Biomasse wird es nicht gehen, so der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Umwelt, Wirtschaft und Soziales stellen für ihn das Zukunftsziel dar, bei dem die drei Herausforderungen insbesondere durch Innovationen auf einen positiven Nenner gebracht werden sollen.
Weiter so digital mit Doro Bär
Für die Digitalisierung der Republik soll Dorothee Bär im Laschet-Team stehen. Die CSU-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Bad Kissingen war bislang schon als Staatsministerin im Kanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung eingesetzt. Ihre bisherigen Erfolge werden indessen von vielen Seiten nicht gerade als besonders berauschend bezeichnet. Denn die Defizite im Bereich der Digitalisierung sind nach wie vor eklatant – ob in den Schulen, Gesundheitsämtern und Krankenhäusern, in der öffentlichen Verwaltung und sogar in vielen Unternehmen. Dass sie ihre „Lust auf Zukunft“ einbringen will, könnte ein Signal für den längst überfälligen Fortschritt sein, Deutschland bei der Digitalisierung endlich schneller nach vorne zu bringen.
Neumann: Der Terrorismusexperte aus London
Überraschend ist ohne Zweifel die Berufung von Peter R. Neumann in den Laschet-Kader. Denn die Innere Sicherheit steht als eine der wichtigsten Herausforderungen ganz oben auf der politischen Agenda. Neumann hat sich als Wissenschaftler mit den Themen Terrorismus, Extremismus und Fundamentalismus seit langem intensiv beschäftigt und war bereits ein wichtiger Ratgeber für Armin Laschet, der – falls er Kanzler würde – einen Nationalen Sicherheitsrat schaffen will.
Bildung und Familie mit Nordlichtern
Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Karin Prien, soll in dem Laschet-Team für mehr soziale Gerechtigkeit durch Bildung stehen. Sie ist eine exzellente Kennerin der Schulsysteme, setzt sich für die Digitalisierung der Schulen und insbesondere auch für die Weiterbildung ein.
Bundesweit ist sie indessen ebenso unbekannt wie die bisherige stellvertretende Vorsitzende Sylvia Breher aus dem Wahlkreis Cloppenburg-Vechta, die sich dem wichtigen Bereich der Familienpolitik widmen soll. Bei ihrer Vorstellung präsentierte sie gleich ihr Zukunftsprogramm für Familien u.a. mit der Ausweitung des Elterngeldes, der Beibehaltung des Ehegattensplittings und höheren Freibeträgen für Alleinerziehende.
Joe Chialo – der Musikmanager aus Berlin
Eine echte Überraschung ist die Benennung von Joe Chialo, Musikmanager aus Berlin, wo er auch erstmals als CDU-Direktkandidat zur Bundestagswahl antritt. Der Experte für Bands und Musik aus dem afrikanischen Raum will für mehr Innovation und kulturelle Vielfalt stehen und sich für eine bessere soziale Absicherung der Künstler engagieren.
Barbara Klepsch: Die Frau aus Sachsen
Eine gute Besetzung ist Armin Laschet mit der Berufung Barbara Klepsch gelungen, die seit 2019 die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus ist. Zuvor war sie 13 Jahre lang die Oberbürgermeisterin von Annaberg-Buchholz. Sie soll das weite Feld der gleichen Lebensbedingungen in Stadt und Land, in West- und Ostdeutschland bearbeiten. Dazu zählen vor allem die Sicherung der Sozialsysteme für Pflegeleistungen, der Landarztquote, der Verkehrsanbindung, der Wohnungsneubau für Familien und die Ansiedlung weiterer Bundesbehörden in Ostdeutschland.
Olaf Scholz: Sieg mit versteckten Genossen?
Ob dieser Achter der nur zum Teil bisher profilierten Mitspieler mit dem Steuermann Armin Laschet nun gut drei Wochen vor dem Wahltermin potenzielle Wählerinnen und Wähler der Union faszinieren wird, ist gewiss schwer zu beurteilen. Denn in den demoskopischen Befunden sieht es für die Union zur Zeit nicht gut aus: Sie befindet sich seit rund drei Wochen auf einem Sinkflug, während Olaf Scholz und die SPD einen überraschenden Aufwind bekommen haben. Allerdings steht der SPD-Kanzlerkandidat bislang als Solist der Genossen da und hat bislang einer möglichen Koalition mit den Linken keine klare Absage erteilt. Eine Mannschaft hat Olaf Scholz bis heute nicht präsentiert. Fraglich ist, ob er das noch in den nächsten Tagen ohne Not nachholen wird. Denn mit einem Team, in das er Saskia Esken, Kevin Kühnert und andere aus der linken Hälfte der SPD berufen müsste, würde er die Wählerschaft nicht unbedingt begeistern. Die demoskopischen Werte für die Union kratzen aktuell an der 20 %-Marke, während sie für die SPD auf 25 % gestiegen sind. So wird Scholz wohl nicht in die Laschet-Falle laufen, sondern sich vielmehr alle Koalitionsoptionen offenhalten – mit den Grünen und Linken, aber auch mit den Grünen und der FDP, zumal Christian Lindner nach einer Regierungsbeteiligung und einem Finanzministeramt giert.
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